So denkt die Spitzen-Grüne über die ICE-Trasse durch OWL

Bad Oeynhausen. Das Schicksal der ICE-Trasse quer durch OWL entscheidet sich in Berlin. Die künftige Ampel-Koalition wird nach Meinung politischer Beobachter das Planungsverfahren zum Aus- oder Neubau der Hochgeschwindigkeitsstrecke Bielefeld-Hannover erheblich beeinflussen. Die neue Regierung will die klimafreundliche Infrastruktur massiv ausbauen. So steht’s im brandaktuellen Koalitionsvertrag. Die Frage ist allerdings: Auch auf Kosten von Mensch und Natur in OWL? Der Ausbau der Eisenbahninfrastruktur ist eines der wichtigen Klimaprojekte der neuen Regierung. Es gibt jedoch erhebliche Zweifel, ob es für zuverlässigen Bahnverkehr wirklich neue Hochgeschwindigkeitstrassen braucht. Und ob dafür neue Gleise mitten durch OWL und fernab der seit 1847 bestehenden Schienenstrecken verlegt werden müssen. Die Spitzenkandidaten der Grünen in NRW, die Bielefelder Bundestagsabgeordnete Britta Haßelmann, bezieht auf Nachfrage der NW Position zum umstrittenen Bahnprojekt. Haßelmann ist zugleich parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion im Bundestag. Ihr Wort hat Gewicht. Und auch wenn die Grünen nach letzten Meldungen das Verkehrsministerium offenbar der FDP überlassen, muss sich die künftige Verkehrspolitik am Klimaschutz messen lassen. Befürwortet die Spitzen-Grüne den geplanten teilweisen Neubau einer ICE-Trasse durch OWL? Britta Haßelmann antwortet schriftlich auf die NW-Anfrage und verweist auf das Ziel, Bahnfahren durch den Deutschlandtakt attraktiver zu machen. Dafür brauche es &bdquo;Investitionen in den Streckenabschnitt Bielefeld-Hannover“. Allerdings müsse die Planung der optimalen Trasse &bdquo;nach transparenten sozialen, ökologischen und ökonomischen Kriterien abgewogen werden“. Haßelmann fordert den &bdquo;geringstmöglichen Eingriff für Natur und Mensch“ und eine &bdquo;ergebnisoffene Analyse und Planung der Varianten“. Aufgabe der Bahn-Planer sei es, &bdquo;zusammen mit den Menschen vor Ort bestmögliche Trassenvarianten zu finden“ und dabei &bdquo;Raumwiderstände wie Quellen und Naturschutzgebiete zu berücksichtigen“. Bahn und Grüne im Einklang Das klingt überraschend ähnlich wie die Deutsche Bahn. Das Projektteam hat dieselben Ziele längst aufgeschrieben. Nachzulesen sind sie auf den Internetseiten des Projekts "Hannover-Bielefeld". Dort heißt es beispielsweise zur Trassenfindung, die Bahn werde &bdquo;im Austausch mit der Region“ Gleis-Trassen entwickeln. Diese Trassen &bdquo;sollen wirtschaftlich sein sowie Mensch und Natur in der Projektregion möglichst wenig beeinträchtigen.“ Allerdings schreibt die Bahn dort auch: &bdquo;Unvermeidliche Eingriffe werden ausgeglichen.“ Gebaut wird also eine optimale Trasse. Und zwar selbst dann, wenn nach Abwägung einer Nutzen-Kosten-Analyse mehrere Naturschutzgebiete oder das Elternhaus eines Ex-Bundeskanzlers im Weg stehen sollte. Für diese Raumwiderstände gibt es dann einen Ausgleich. Das Planer-Team um Projektleiter Carsten-Alexander Müller hat zuletzt Grobkorridore für die Trasse vorgestellt, die zuvor mit von der Bahn ausgewählten Interessengruppen, sowie zahlreiche Behörden abgestimmt wurden. Müller wird in den nächsten Monaten in den betroffenen Regionen ausloten, wo genau die Gleise auf dem Korridor verlegt werden könnten. Die Termine für die Regionaltreffen in den Kreisen Minden-Lübbecke und Herford sind noch nicht bekannt. Das erste Treffen für die Region Seelze-Haste hat jedoch bereits stattgefunden. Diese Trassenplanungen stoßen in OWL und Niedersachsen auf heftigen Widerstand. Die Bürgerinitiative Widuland ist für den Ausbau der Bahn, kritisiert jedoch das Planungsverfahren, weil die beteiligten Interessenverbände nicht mitbestimmen dürfen. Die Naturschutzverbände haben sich deswegen zuvor bereits einen offenen Schlagabtausch mit den Bahn-Planern geliefert. Die Naturschützer fordern eine &bdquo;ordentliche Geschäftsordnung“ für den Beteiligungsprozess. Das lehnt die Bahn jedoch ab und weist darauf hin: Die beteiligten Interessengruppen seien kein repräsentativer Querschnitt der Bevölkerung. Die grüne Bundestagsabgeordnete Haßelmann sagt zu dieser Kritik: &bdquo;Es braucht im laufenden Planungsdialog eine ernsthafte Bereitschaft, Kritik und Ideen der Region aufzugreifen.“ Wichtig sei, dass der &bdquo;Austausch transparent und ergebnisoffen“ stattfinde. Das will auch die Bahn. So steht es zum Beispiel im Entwurf für ein &bdquo;Selbstverständnis des Plenums“. Dieser bereits mehrere Monate alte Text orientiert sich am Handbuch für gute Bürgerbeteiligung des Bundesverkehrsministeriums und will ausdrücklich keine Geschäftsordnung sein. Laut Selbstverständnis-Entwurf sollten alle Treffen des Plenums grundsätzlich öffentlich stattfinden. Die Bahn sichert darin zu, dass Forderungen der Region zur Vorzugsvariante &bdquo;ergebnisoffen diskutiert und erarbeitet“ werden. Zug statt Flug? Entschieden jedoch wird letztlich im Bundestag. Die ICE-Trasse quer durch OWL ist eine der Voraussetzungen eines deutschlandweiten Taktfahrplans für die Eisenbahn. Wenn &bdquo;Hannover-Bielefeld“ nicht nach diesen Vorgaben (Tempo 300, 31 Minuten Fahrtzeit) gebaut wird, muss der Deutschlandtakt überarbeitet werden. Aus Sicht der Kritiker wäre das nötig und möglich. Der emeritierte Informatikprofessor Wolfgang Hesse hat dazu bereits Vorschläge unterbreitet. Die Umweltorganisation Greenpeace hat vor einigen Wochen eine Studie vorgestellt, die Bahnverbindungen mit Kurzstreckenflügen vergleicht. Das Ziel der scheidenden Bundesregierung um den Bahnbeauftragten Enak Ferlemann (CDU) war bekanntlich, dass ICE-Züge klimaschädliche Inlandsflüge ersetzen sollten. Zwischen NRW und Berlin sollte die Reisezeit erheblich abgekürzt werden. Greenpeace geht jedoch davon aus, dass das schon zu heutigen Bedingungen möglich ist, sofern der Zug weniger als sechs Stunden Fahrtzeit braucht. Zwischen Köln oder Düsseldorf und Berlin fahren ICEs heute bereits deutlich unter fünf Stunden, stellt Greenpeace fest. Das wirft die Frage auf: Braucht es überhaupt zusätzliche Hochgeschwindigkeitsstrecken quer durch OWL für die Eisenbahn? Britta Haßelmann hält am Deutschlandtakt fest. Er sei &bdquo;aus Gründen des Klimaschutzes wichtiger Teil einer Verkehrswende“. Allerdings dürften nicht nur die innerdeutschen Strecken betrachtet werden, sondern auch die innereuropäischen Verbindungen von Brüssel oder Amsterdam nach Berlin. Eisenbahnfahrten unter vier Stunden trügen stark dazu bei, &bdquo;dass Menschen umsteigen und Flugverkehr eingestellt wird“. Das würden Untersuchungen zu Fahrgastzahlen belegen. Das bedeutet allerdings auch, dass superschnelle ICEs demnächst mit Tempo 300 durch OWL rauschen, ohne im Oberzentrum Minden anzuhalten. Ausgerechnet hier investiert der Steuerzahler jedoch Millionen in den Ausbau eines &bdquo;Railcampus OWL“, Minden war zudem stets ein starker Standort für Forschung und Entwicklung von Eisenbahntechnik. Wird Minden als ICE-Bahnhof in OWL erhalten bleiben? Haßelmann weicht der Frage aus und verweist auf &bdquo;schnelle Verbindungen und bessere Anschlüsse“. Sie gehe davon aus, dass &bdquo;Minden auch weiterhin an das Fernverkehrsnetz angeschlossen sein wird“, schreibt sie. Von superschnellen ICEs in Minden ist in ihrer Antwort keine Rede.

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