Autoren diskutieren auf der Aqua Magica über die EU

Bad Oeynhausen/Löhne. Während im französischen Biarritz noch die G7 tagten, kamen auf der Aqua Magica die großen Drei zusammen. Zumindest zum Thema Europa sind in den vergangenen Jahren kaum Bücher mit einer derartigen Bedeutung erschienen, wie von Janne Teller, Géraldine Schwarz und Thomas Schmid. Beim von Jürgen Keimer moderierten Sonntagsgespräch der Poetischen Quellen stellten sich die Autoren einer Debatte um die Zukunft des Kontinents - und lieferten dabei erstaunliche Erkenntnisse über das Mit- und Gegeneinander verschiedenster Akteure. Ginge es nach Thomas Schmid, seines Zeichens Journalist und Autor, dann würde sich die Frage nach einer möglichen Zukunft Europas gar nicht erst stellen. Überzeugt sei er nicht nur von der Überlebenskraft der Europäischen Union, sondern auch von ihrer Legitimation. "Europa ist tot, es lebe Europa!" hatte er schon im Jahr 2016, kurz nach dem Brexit-Referendum, sein Werk genannt. "Die positiven Veränderungen überwiegen" Ein Titel, der auch drei Jahre später noch aktuell erscheint. "Denn obwohl sich vieles zum schlechteren gewandelt hat, so überwiegen doch die positiven Veränderungen deutlich", sagte Schmid und zählte auf: Trotz erstarkender Rechtspopulisten sei kein Auseinanderbröckeln der EU erkennbar, dem schwindenden Interesse am Ukraine-Konflikt stehe ein gewachsenes Interesse an zurückliegender Europawahl gegenüber. Dass zudem das Sorgenkind Griechenland aus den negativen Schlagzeilen heraus gefunden und mittlerweile sogar wieder Tritt gefasst habe, sei ein weiteres Indiz. "Und mit Macron und von der Leyen haben wir jetzt zwei Akteure, die zum einen die europäische Idee beleben und zum anderen eine gewisse Lockerung bewirken können." Überraschen viel Zustimmung erhielt er dabei in Sachen Kommissionspräsidentin. Unisono lobten die dänische Autorin Janne Teller und die Deutsch-Französin Géraldine Schwarz die erstmalige Wahl einer Frau an die Spitze der EU. "Wir sind schließlich die Hälfte der Europäischen Union", sagte Teller entschlossen und erntete dafür zumindest von der Hälfte des Publikums Applaus. Schwarz hob zudem von der Leyens Öffnung nach Osteuropa hervor ("Die brauchen wir dringend"). Und Schmid erinnerte an die klare Positionierung der CDU-Politikerin gegen eine Abschottung Europas während der Flüchtlingskrise. "Dass sie trotzdem die Stimmen aus Osteuropa bekommen hat, ist gar nicht hoch genug einzuschätzen, waren die Brücken dorthin doch fast schon abgebrochen." Warum die Flüchtlingsfrage in Ost und West unterschiedlich beantwortet wird Der Riss zwischen Ost und West, vor allem in der Flüchtlingsfrage, war dann auch das bestimmende Thema der weiteren Debatte. Vier Jahrzehnte kommunistische Diktatur, da war sich das Podium einig, habe eben ihre Spuren hinterlassen. Und das auf beiden Seiten. "Im Westen hat man die Einigung auf der Vergangenheitsbewältigung zum Nationalsozialismus aufgebaut, im Osten auf einem gemeinsamen Opfer-Mythos zur Sowjetunion", hielt Géraldine Schwarz fest und beschrieb damit eine Erkenntnis aus ihrem Buch "Die Gedächtnislosen. Erinnerungen einer Europäerin". Zudem habe der Westen den Übergang von Kommunismus zu Demokratie unterschätzt. "Sei es in Sachen Wirtschaft, sei es in Sachen Zivilgesellschaft." Auf der anderen Seite, so betonte Thomas Schmid, habe man in den östlichen EU-Staaten von Beginn an mit einer Abgabe von Souveränitat an die EU gehadert. Was in seinen Augen kein Wunder ist, bedenke man die jahrzehntelange Fremdbestimmung, die 1989 erstmals in einer eigenen Souveränität mündete. Auch deshalb lege man in diesen Ländern noch heute Wert darauf, eigene Wege gehen zu dürfen - etwa in der Flüchtlingsfrage. Schwarz sprach an dieser Stelle auch von einer Manipulationsstrategie seitens der Regierungen, die ihre Bürger mit Halbwahrheiten und Fake-News von ihrem Weg überzeugten. Und Janne Teller erinnerte an ähnliche Entwicklungen in ihrer Heimat Dänemark: "Da wollen die Bürger mittlerweile eigentlich auch nur Dänen im Land haben." Ein Gegenpol zu rechtspopulistischen Tendenzen Überhaupt, so die Autorin des Buches "Europa. Alles was dir fehlt", gebe es viel mehr europäische Gemeinsamkeiten, als man vielleicht glauben mag. Architektonisch und künstlerisch etwa habe schon immer jedes Land vom anderen abgeguckt und kopiert. Im Ergebnis stehe daher schon eine gewisse gemeinsame Kultur. Die aber habe in der Vergangenheit trotzdem keine Barbarei verhindert, widersprach Géraldine Schwarz für ein "neues narrativ" einer politischen Kultur. Ausdrücklich auch als Gegenpol zum von rechts propagierten "Europa der Nationen". Das nämlich klinge zwar nach Vielfalt, "meint aber in Wahrheit eine gemeinsame Identität: weiß, christlich und heterosexuell." Thomas Schmid verwies derweil auf eine fehlende gemeinsame Geschichte: "Die Vergangenheit wird in allen Ländern unterschiedlich wahrgenommen, es wird sich unterschiedlich erinnert." Das bedeute zwar, dass Europa noch immer unvollendet sei. "Aber das ist auch etwas, was sich die Menschen selbst erarbeiten müssen." Einig waren sich die Autoren, dass man hier auf einem guten Weg sei. Ob nun das Ausbleiben von Kriegen seit 1945 (Schmid), das Annähern von Regierungen und Bevölkerungen (Schwarz) oder auch das freie Studieren im Ausland (Teller) - all das trage zu einem Zusammenwachsen bei. "Und es wird die weitere Entwicklung noch tief beeinflussen." Janne Teller versuchte sich gar in einer Prophezeiung für den Fall eines "No-deal-Brexit": "Dann wird Schottland autonom und auch Irland wird sich vereinen." Unterm Strich blieb die Erkenntnis, dass Europa zum einen wesentlich besser ist als sein Ruf, zum anderen aber auch von krassen Gegensätzen und Unterschieden, basierend auf historischen Entwicklungen, durchzogen ist. Und dass damit eigentlich alle ganz gut leben können.

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