Organspende-Debatte: Direktor des Herzzentrums will Widerspruchslösung

Bad Oeynhausen. Während der Bundestag in Berlin über die gesetzliche Neuregelung der Organspende debattiert, liegen im Herz- und Diabeteszentrum Bad Oeynhausen (HDZ) 158 Patienten, die auf ein neues Herz oder eine Lunge hoffen. "Ich lade alle Politiker ein, mit den Patienten zu sprechen, die hier auf ein Spenderorgan warten", sagt Jan Gummert, Ärztlicher Direktor des HDZ. Kontrovers und zum Teil emotional diskutierte der Bundestag am Mittwoch über die Organspende. Drei Anträge zur gesetzlichen Neuregelung liegen dem Parlament vor. Der Entwurf, den unter anderem die Abgeordneten Karl Lauterbach (SPD) und Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erarbeitet haben, sieht eine Widerspruchslösung vor, nach der automatisch jeder zum Organspender wird, der dem nicht zu Lebzeiten widersprochen hat. Der Alternativvorschlag, unter anderem getragen von Annalena Baerbock (Grüne) und Katja Kipping (Linke), setzt auf eine bewusste und freiwillige Entscheidung der Menschen und deren ausdrückliche Zustimmung zur Organspende. 43 Herzen, sieben Lungen Gummert ist medizinischer Leiter der größten Herztransplantationsklinik Europas, in der in diesem Jahr bislang 42 Herzen, ein Herz plus Lunge und sechs Lungen verpflanzt wurden. Serit 1989 wurden im HDZ 2.484 Herzen transplantiert. Gummert hat sich seit Beginn der Debatte immer eindeutig für die Widerspruchslösung ausgesprochen. Dass es vor allem Mediziner sind, die sich für diese Lösung aussprechen, ist für Gummert kein Zufall. "Ärzte, gerade aber auch Pflegekräfte sind sehr nah am Patienten und wissen, wie sehr die Menschen darunter leiden, wenn es für sie kein Spenderorgan gibt", erklärt Gummert. Was der Herzchirurg auch persönlich erlebt. "Ich weiß, wie schwer es mir fällt, jemanden zu trösten, der womöglich seit Monaten auf ein Spenderorgan wartet", berichtet Gummert. Dabei ist sich der Herzchirurg sicher, dass die Bereitschaft zur Organspende in Deutschland grundsätzlich groß ist. Nur: Die tatsächlichen Spenderzahlen liegen weit hinter denen der meisten anderen Länder in Europa. In Spanien gibt es knapp 47 Organspender auf eine Million Einwohner, in Deutschland ist es nur ein Fünftel dieser Quote. Diese Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis könne die Widerspruchslösung überwinden helfen. Kein Eingriff in Selbstbestimmungsrecht "Natürlich kann ich ethische oder religiöse Bedenken gegenüber der Widerspruchslösung akzeptieren", sagt Gummert. Er könne nur nicht verstehen, dass diese Bedenken zu einer allgemeinen gesellschaftlichen Regel gemacht werden sollten. Einen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Menschen sieht der Herzchirurg in einem solchen Gesetz nicht. "Denn auch die Widerspruchslösung beinhaltet ja klar die Möglichkeit, eine Organspende abzulehnen", so Gummert. "Ich verstehe nicht, warum man es sich in Deutschland mit so vielen theoretischen Bedenken so schwer macht. In Spanien zum Beispiel wird die Organspende als etwas Positives gesehen, das Aufgabe aller ist." Ja, Organspende ist ein Thema, bei dem es um Leben und Tod geht. "Vor allem aber geht es ums Leben. Um das Leben der Organempfänger. Denn der Spender ist ja bereits tot", so Gummert. Sollte sich der Bundestag - voraussichtlich im Herbst - nicht für die Widerspruchslösung, sondern für die sogenannte Vertrauenslösung entscheiden, wäre das für Gummert nur die zweitbeste Wahl. "Diese Vertrauenslösung umzusetzen, wäre sicherlich langwieriger und komplexer", ist Gummert überzeugt. Und sie böte aus Sicht des Herzchirurgen keinen wirklich neuen Ansatz. "Das wäre, als wenn Sie ein altes Auto neu lackieren", sagt Gummert.

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