Initiative im Bundesrat

NRW-Gesundheitsminister kämpft dafür, dass alle Erwachsenen als Organspender gelten

Erneut bringt NRW mit sieben weiteren Bundesländern einen Gesetzentwurf im Bundesrat ein, um in Deutschland die Widerspruchslösung bei der Organspende einzuführen.

2024 haben in Deutschland nur 953 Menschen nach ihrem Tod Organe gespendet. Damit ist Deutschland Schlusslicht in Europa. | © picture alliance / ANP

Carolin Nieder-Entgelmeier
26.09.2025 | 26.09.2025, 16:00

Düsseldorf/Bad Oeynhausen. 8.260 schwer kranke Menschen warten allein in Deutschland aktuell auf ein Spenderorgan. Nicht alle von ihnen werden die Zeit auf der Warteliste überleben, denn es stehen zu wenige Spenderorgane zur Verfügung. Deutschland ist im europäischen Vergleich Schlusslicht, die Zahlen verharrten auch 2024 mit nur 953 Spendern wieder auf einem niedrigen Niveau. Um das zu ändern, wagt NRW nun erneut den Versuch, die Widerspruchslösung in Deutschland einzuführen, damit künftig alle Erwachsenen als Organspender gelten, wenn sie nicht widersprechen. Im Herz- und Diabeteszentrum (HDZ) in Bad Oeynhausen hofft das Team, dass sich Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) damit durchsetzen kann.

NRW sieht in dem Gesetzentwurf zur Einführung der Widerspruchslösung die Chance, die Zahl der Organspenden zu erhöhen und so mehr Leben zu retten und lange Wartezeiten zu verkürzen. Aktuell gilt in Deutschland die sogenannte Entscheidungslösung. Organe dürfen nur entnommen werden, wenn die verstorbene Person zu Lebzeiten zugestimmt hat. Für die Verteilung von Spenderorganen ist die internationale Vermittlungsstelle Eurotransplant zuständig.

Studien zeigen, dass mehr als 80 Prozent der Deutschen einer Organspende zustimmen. „Wir haben also keinen Mangel an Menschen, die spenden möchten, sondern ein Dokumentationsproblem“, kritisiert Laumann. Haben potenzielle Organspender ihren eigenen Willen nicht dokumentiert, müssen die Angehörigen entscheiden. Doch die meisten Angehörigen entscheiden sich gegen Organspenden, aus Angst etwas falsch zu machen. Das zeigt eine Untersuchung der sieben Universitätskliniken in NRW.

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In Ländern mit Widerspruchslösung sind die Spenderzahlen höher

Die Widerspruchslösung kann dieses Dilemma nach Angaben Laumanns beenden. Die Deutsche Statistische Gesellschaft warnt jedoch davor, die höheren Spenderzahlen nur mit der Widerspruchslösung zu erklären, da viele Länder auch abweichende Strukturen aufweisen sowie andere medizinische Voraussetzungen für eine Organspende. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisiert zudem, weil Schweigen kein Zustimmen bedeute.

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Laumann sieht in der Widerspruchslösung jedoch das entscheidende Mittel, um die Zahlen in Deutschland zu erhöhen. Diese Einschätzung teilt auch der ärztliche Direktor des HDZ, Jan Gummert: „Die Spenderzahlen werden sich allein durch die Widerspruchslösung nicht verdoppeln, aber dieser Systemwechsel ist ein wichtiger Anfang, um die Zahlen deutlich zu erhöhen. Das zeigt sich im europäischen Ausland eindeutig.“

Jan Gummert ist der ärztliche Direktor des Herz- und Diabeteszentrum NRW in Bad Oeynhausen und hofft, dass sich NRW-Gesundheitsminister Laumann mit seinem Gesetzentwurf durchsetzen wird. - © HDZ
Jan Gummert ist der ärztliche Direktor des Herz- und Diabeteszentrum NRW in Bad Oeynhausen und hofft, dass sich NRW-Gesundheitsminister Laumann mit seinem Gesetzentwurf durchsetzen wird. | © HDZ

NRW wird von sieben Bundesländern unterstützt

NRW hat deshalb in der Sitzung des Bundesrates am Freitag erneut den Gesetzentwurf zur Einführung der Widerspruchslösung bei der Organspende eingebracht. Mit Unterstützung der Bundesländer Baden-Württemberg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland, Schleswig-Holstein und Thüringen. Im vergangenen Jahr wurde die Initiative aufgrund des frühzeitigen Aus der Ampel-Regierung nicht weiter verfolgt.

Gummert hofft, dass sich der Initiative im Bundesrat weitere Länder anschließen werden. „Ich bin Karl-Josef Laumann sehr dankbar, dass er nicht aufgibt. Wir könnten sehr viel mehr Menschenleben retten, wenn die Widerspruchslösung endlich auch in Deutschland eingeführt wird.“

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Beim jährlichen Treffen der Organvermittlungsstelle Eurotransplant sei das Unverständnis anderer Länder über Deutschland in diesem Jahr erneut Thema gewesen, sagt Gummert. „Der deutsche hochnäsige Sonderweg ist für unsere Partner nicht mehr nachvollziehbar. Deutschland nimmt Organe aus Ländern mit der Widerspruchslösung bereitwillig an, doch will ihren Bürgern selbst nicht zumuten, sich einmal im Leben mit der Entscheidung für oder gegen eine Organspende zu beschäftigen.“

Mit einem Organspendeausweis kann jeder seine Entscheidung für oder gegen eine Organspende einfach dokumentieren. - © picture alliance/dpa
Mit einem Organspendeausweis kann jeder seine Entscheidung für oder gegen eine Organspende einfach dokumentieren. | © picture alliance/dpa

Das würde sich für die Bevölkerung ändern

Sollte sich der Gesetzentwurf nach dem Bundesrat auch im Bundestag durchsetzen, kämen folgende Änderungen auf die Bevölkerung zu:

  • Jeder Mensch ist grundsätzlich Organspender, es sei denn, es liegt ein erklärter Widerspruch vor. Der Widerspruch kann im Organspende-Register, im Organspendeausweis, einer Patientenverfügung oder anderweitig schriftlich dokumentiert werden oder auch mündlich gegenüber Angehörigen geäußert werden. Eine Begründung ist nicht nötig.
  • Besteht die Möglichkeit zur Organspende, fragen die Ärzte zunächst beim Organspende-Register an, ob ein Widerspruch vorliegt. Ist das nicht der Fall, holen sie bei den Angehörigen Informationen darüber ein. Die Angehörigen sind verpflichtet, sich an den Willen des Verstorbenen zu halten.
  • Liegt bei Minderjährigen kein geäußerter Wille vor und ist auch den Angehörigen dieser nicht bekannt, steht ihnen ein eigenes Entscheidungsrecht unter Beachtung des mutmaßlichen Willens des Verstorbenen zu.
  • Bei Verstorbenen, die nicht in der Lage waren, die Tragweite einer Organspende zu erkennen und deshalb keinen Willen abgegeben haben, ist eine Organspende unzulässig.

INFORMATION


Organspende: Wille dokumentieren

Seinen Willen für oder gegen eine Organspende nach dem Tod kann im Organspendeausweis, dem Organspende-Register oder in einer Patientenverfügung dokumentiert werden. Tipps für das Ausfüllen einer Patientenverfügung gibt es bei der Verbraucherzentrale NRW.