
Oerlinghausen. Langweilig war sein Leben wohl nie, und alltäglich kann man den Werdegang von Claus Champion ebenfalls nicht nennen. Der früher bekannte Motorradrennfahrer kam 1944 als 11-Jähriger mit Mutter und Bruder Knut nach Oerlinghausen. Nach der Flucht aus Ostpreußen fanden die Drei bei Verwandten, der Familie Roolf, an der Hermannstraße eine Unterkunft. Bald stand auch Oerlinghausen im Mittelpunkt von Gefechten, und die Alliierten eroberten in dramatischen Kämpfen den Ort.
Im Heimatverein berichtete Werner Höltke über den Werdegang seines Freundes Claus Champion. Vor allem die letzten Kriegstage in der Bergstadt beschrieb Höltke. Doch Claus Champion, dessen Eltern später eine kleine Gaststätte und einen Kiosk am Oerlinghauser Freibad betrieben, startete eigentlich erst nach dem Krieg zu einer höchst abwechslungsreichen Karriere.
Schon kurz nach Kriegsende machte er Deals mit den amerikanischen Besatzungssoldaten. „Ein dunkelhäutiger Soldat fragte mich, ob meine Mutter seine Wäsche waschen wolle“, schrieb er in seinen Lebenserinnerungen. Da seine Mutter dem Geschäft zustimmte, lieferte Claus dank seiner Englischkenntnisse bald regelmäßig frische Wäsche nicht nur an einen, sondern an die meisten US-Soldaten, die im Stadthotel untergekommen waren.
Zigaretten, Kaffee und Schokolade als Lohn
Der Lohn bestand aus Zigaretten, Kaffee oder Schokolade. Auch begann er, die halb gerauchten Zigaretten der Amerikaner zu sammeln und den guten Tabak an die Landwirte der Gegend zu veräußern. „Für eine Dose Tabak bekam ich einen halben Zentner Kartoffeln. Den Sack klemmte ich unten ins Fahrrad, das ich mir von meinem Vetter August Roolf geliehen hatte.“ Die Ernährung der Familie Champion verbesserte sich deutlich.
Als der Vater aus der Kriegsgefangenschaft entlassen wurde, bekam er als Konditor eine Anstellung bei Bäckermeister Büker an der damaligen Bahnhofstraße. Der versorgte die Besatzungstruppen mit Brot und Backwaren. Schnell war auch Claus bei den Auslieferungen oder Backblechreinigungen dabei. Da fielen natürlich viele Lebensmittel für die Familie ab.
Allmählich lief das Leben in der Nachkriegszeit wieder in geordneten Bahnen. „Der Betrieb eines Pavillons mit Gaststätte am Freibad wurde meinen Eltern genehmigt. Die Eröffnung fand am 1. Mai 1950 statt“, berichtet Claus Champion. Er selbst begann nach der Schule eine Schlosserlehre bei den Bielefelder Stadtwerken, später wechselte er in die Baubranche, wurde sogar Bauleiter bei der Preussag, die seinerzeit in den Aufbau der Sennestadt eingebunden war.
Die Erfolge im Motorsport kommen schnell
Ganz allmählich wuchs seine Leidenschaft für den Motorsport. Im Jahre 1952 kaufte er von seinem gesparten Lehrlingslohn und einem Totogewinn von 750 Mark sein erstes Motorrad. „Eine 175er Bastert, doch dann bald danach eine 125er Triumph mit Doppelkolbenmotor“, erinnert er sich. „Mit diesen Motorrädern begann auch meine Sportlerlaufbahn im Geländesport“ beschreibt er die ersten Rennen.
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Doch Claus Champion muss wohl von Anfang an Vollgas gegeben haben, denn bereits bei den ersten Veranstaltungen errang er Gold- und Silbermedaillen. Champion: „Schon zwei Jahre später wurde ich Ostwestfalen-Gaumeister“. Der Motorsport an den Wochenenden hatte ihn voll im Griff, berichtet er. „Bei Geländefahrten in ganz Deutschland errang ich um die 25 Gold- und Silbermedaillen und wurde dreimal Landesmeister in Ostwestfalen-Lippe.“
Das Trial kam als neue Sportart hinzu, auch hier wurde er im zweiten Jahr bereits Ostwestfalenmeister. Anfang der 1960er Jahre wechselte er dann vollständig zum Rennsport. „Ich fuhr bei Gras-, Sand- und Speedway-Rennen in ganz Deutschland mit“, sagt er. Und er entwickelte sich zum Spitzenfahrer in internationalen Motorradrennen. „Ab 1965 hatte ich Verträge für Holland, Belgien und den Süden von Frankreich, bekam Einladungen nach England, Dänemark und Polen.“ Überall gehörte er zu den Spitzenfahrern und landete meist auf den vorderen Plätzen.
Viele Liebesbriefe zwischen Leipzig und Ostwestfalen
Im Sommer 1965 entwickelt er die Idee zum ersten Senner Grasbahnrennen auf einem unbebauten Grundstück an der B 68. Auch das geriet zu einem vollen Erfolg. „Mein Leben verlief nicht eintönig“, beschreibt Claus Champion seinen Werdegang. Auch im privaten Bereich gab es immer wieder Abwechslung. Häufig lernte er bei Tanzveranstaltungen, bei seinen Rennen oder vielen Reisen durch Deutschland neue Frauen kennen. Er heiratete mehrfach, schien insgesamt dem weiblichen Geschlecht wenig abgeneigt zu sein. Auf seine große Liebe jedoch musste er fast 40 Jahre warten

Die spannende Love-Story begann im Jahre 1965 als Claus mit einem Arbeitskollegen in Leipzig zu Zeiten der ehemaligen DDR beruflich im Einsatz war. Bei einem Abendbummel durch die Stadt lernte er Brigitte, eine Frau aus der Nähe von Leipzig kennen. Man tanzte miteinander die ganze Nacht hindurch.
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Doch Claus und sein Kollege mussten am nächsten Tag wieder zurück nach Westdeutschland. Aber zwischen Leipzig und Ostwestfalen flogen seitdem die Liebesbriefe nur so hin und her. Allmählich jedoch kehrte wieder der Alltag ein. Es gab noch einige Versuche zur Kontaktaufnahme, doch irgendwie klappte es nicht.
Claus Champion findet Brigitte und heiratet sie
Nach der Wende 1990 allerdings siedelte Claus Champion in die DDR über und baute ein eigenes Geschäft in Leipzig auf. Nun begann er systematisch, nach seiner Brigitte zu suchen. Er fragte beim Einwohnermeldeamt nach, durchforstete die Telefonbücher. Sie hat sicherlich längst geheiratet und trägt einen anderen Namen, dachte er. Erst als er im Leipziger Telefonregister alle Frauen mit dem Vornamen Brigitte abtelefonierte, hatte er Erfolg. Die richtige Brigitte hob ab, und beide konnten ihr Glück kaum fassen.
Im Frühjahr 2003 stand er mit einem Strauß langstieliger Rosen vor ihrer Wohnungstür in Leipzig-Paunsdorf. Und im Mai 2003 am 70. Geburtstag von Claus Champion heirateten die beiden. Doch leider währte das späte Eheglück nicht lange, denn im Jahre 2011 starb Claus Champion.