Tierrettung

Alleinerziehender Papa: Warum Lippes Tierfilmer Robin Jähne vier Waschbären aufzieht

Robin Jähne hat ungewöhnliche Mitbewohner: Der Tierfilmer aus dem Kreis Lippe zieht Waschbären auf. Was ihn dabei umtreibt.

Hungriger kleiner Räuber: Tierfilmer Robin Jähne zieht derzeit vier kleine Waschbären mit der Flasche auf. Hinterher finden sie Platz in einem Tierpark. | © Robin Jähne

15.05.2025 | 15.05.2025, 13:43

Kreis Lippe. Das Schnäuzchen ist weit aufgerissen, die für Waschbären typische Banditenmaske fast davon verdeckt. Die Gier scheint größer als das ganze Tier, und Tierfilmer Robin Jähne kommt kaum hinterher mit dem Fläschchen. Dabei ist das nicht mal die halbe Miete, denn da sind noch drei weitere genauso hungrige Mäuler zu stopfen. Aber Moment mal: Waschbären, sind das nicht Schädlinge?

Sicher ist: Waschbären sind unbeliebt. Wer heutzutage auf seinem Grundstück oder gar auf dem Dachboden, an der Mülltonne oder am Vogelhäuschen einen der maskierten Vierbeiner entdeckt, ist alles andere als begeistert. „Aber ich lasse keine Tierkinder sterben“, Biologe und Tierfilmer Robin Jähne ist da sehr klar. Eine Familie aus Lippe hat die fünf Waschbärbabys im Wald bei Berlebeck gefunden und sie ihm gebracht, er hat sie aufgenommen.

„Die waren vielleicht eineinhalb Wochen alt, und es war vollkommen klar, dass die ausgesetzt worden sind. Ich vermute mal, dass ein Hausbesitzer die bei sich gefunden und ausgesetzt hat.“ Sie waren in einem bedauernswerten Zustand, noch blind und in akuter Lebensgefahr.

Waschbären wurden aus Nordamerika eingeschleppt

Natürlich weiß Robin Jähne, dass Waschbären eine invasive Art sind. „Die gehen den Menschen auf die Nerven, sie richten Schaden an und machen Dreck, wenn sie sich irgendwo in der Nähe des Menschen eingenistet haben. Aber andererseits sind wir Menschen daran schuld, dass sie sich überhaupt hier ausgebreitet haben. Denn wir haben die eingeschleppt, die Tiere können nichts dafür.“

Ursprünglich haben Waschbären ihre Heimat in Nordamerika. „Jemand hat sie nach Deutschland in die Nähe von Kassel gebracht, um sie auf einer Pelztierfarm zu züchten. In den Kriegswirren sind dann wohl ein paar ausgebüxt, und prompt haben die sich hier verbreitet. Wir müssen also schon seit 80 Jahren mit ihnen hier in Deutschland leben.“

Mit dem Fläschchen werden die Tiere gefüttert. - © Robin Jähne
Mit dem Fläschchen werden die Tiere gefüttert. | © Robin Jähne

Für ein harmonisches Zusammenleben stehen sich die Waschbären sozusagen selbst im Weg: „Sie sind unglaublich intelligent und anpassungsfähig. Das heißt, sie finden sehr schnell überall Futter, und sie sind so geschickt mit ihren Vorderpfoten, dass sie auch sehr passable Einbrecher sind.“

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Den Vorderpfoten verdanken die eigentlich possierlichen schwarz-weißen Räuber ihren Namen: „Sie ernähren sich auch von Amphibien und anderem Wassergetier und fischen sozusagen im Trüben. An den Pfoten haben sie Sensoren, sodass sie ihre Beute sofort aufspüren können. Dieses Verhalten sieht aus, als ob sie sich waschen, daher der Name.“

Waschbären mussten alle drei Stunden gefüttert werden

Einer seiner fünf Kleinen hat es nicht geschafft, aber die anderen sind unter Robin Jähnes Pflege mittlerweile gut gediehen: Er hat sie in einen Käfig mit einer Wärmeplatte gepackt, alle drei Stunden musste er sie anfangs füttern, auch nachts. Mit spezieller Aufzuchtmilch für Katzenwelpen. Mittlerweile sind es nur noch alle sechs Stunden, was ihm wieder ein bisschen Freiraum verschafft.

Es bleibt nicht beim Fläschchen: „Milchschnäuzchen sauber wischen, das Bäuchlein, das langsam rund und dick wird, massieren, damit sie ihr Häufchen machen und auch den Popo sauberwischen - alles, was die Mutter auch machen würde.“ Er freut sich schon auf die Zeit, wenn die Waschis, wie er sie liebevoll nennt, endlich selbst fressen können. Dann bekommen sie Katzen- oder Hundefutter aus der Dose.

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Übrigens: Gekuschelt wird nur so viel, wie es die Tiere für eine natürliche Entwicklung brauchen. „Ich trage die nicht mit mir rum oder dergleichen. Es sind Wildtiere, und das sollen sie auch bleiben. Das ist ein schmaler Grat, aber so mache ich es mit allen Tieren, die ich aufziehe.“ Er sorgt auch dafür, dass die keine Würmer oder andere Parasiten haben, „schon aus Eigenschutz“.

Waschbären haben ziemlich spitze Zähnchen

Die Wildheit hat ihren Preis: Denn mittlerweile haben die Waschbärchen ziemlich spitze Zähne, die sie auch einsetzen, wenn ihnen was nicht passt. „Ein paar Macken habe ich schon abbekommen“, erzählt Jähne lachend.

Ganz schön viel Arbeit für einen alleinerziehenden Vater, zumal der Tierfilmer sich gerade auf den zweiten Teil seines preisgekrönten Dokumentarfilms „Der Sturm“ vorbereitet, Gewittern nachreist und die Kinderstube seiner Schwanzmeisen im Garten filmdokumentarisch begleitet.

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Aber so niedlich junge Waschbären auch sein mögen: Die werden ja auch mal groß. Was macht er dann? „Also, es ist streng verboten, Waschbären auszuwildern, und das würde ich auch niemals tun. Aber ich habe bereits Plätze für sie in Tierparks, mit denen ich manchmal zusammenarbeite.“ Im Sommer, wahrscheinlich im August, müssen die Pflegekinder umziehen. Sie werden dann auch sterilisiert, denn niemand hat ein Interesse, die Population mutwillig zu vergrößern.

Arbeit vor der Kamera

Tierische Pflegekinder hatte Robin Jähne schon sehr viele: Eichhörnchen, sogar mal einen Frischling, der sich zu einer stattlichen Bache entwickelt hat, ein Rehkitz, Siebenschläfer und diverse Vögel. Eines haben alle gemeinsam: Sie mussten einen Teil ihres Futters wieder abarbeiten: mit natürlichem Verhalten vor der Kamera. Denn das bietet dem Tierfilmer die Gelegenheit, bestimmte Aufnahmen aus nächster Nähe zu machen, wie es in der freien Wildbahn kaum je möglich wäre.

Robin Jähne weiß, dass nicht jeder Verständnis für seine Haltung zu den Waschbären hat. Seiner Ansicht nach reduziert sich ihr Bestand in freier Wildbahn einerseits durch die Staupe, unter der auch Füchse leiden, andererseits durch die Jagd. Was rät er denn Leuten, die unter diesen ungebetenen Hausgästen zu leiden haben? - Da macht sich dann auch ein gewisser Pragmatismus breit: „Wenn es Überhand mit den Schäden nimmt, muss man sich an einen professionellen Kammerjäger wenden.“

Seine Findelkinder aber beispielsweise als Futter für andere Wildtiere zu missbrauchen, statt sie aufzuziehen, wäre ihm selbst nicht in den Sinn gekommen. „Das hätte sich mit meiner Ethik nicht vertragen.“ Hand drauf - oder Pfote.