Geplante Flüchtlingsunterkunft mit 300 Betten im Kreis Lippe versetzt Anwohner in Aufruhr

Lage-Hörste. Angst, Sorge, Hetze - in Hörste gibt es derzeit vor allem ein Gesprächsthema und Raum für die wildesten Gerüchte: 300 Flüchtlinge sollen im Heinrich-Hansen-Haus untergebracht werden. Es soll eine Notunterkunft sein. Die Stadt Lage ist zwar nicht Herrin des Verfahrens, aber auch dort gehen die Beschwerden ein. Bürgermeister Matthias Kalkreuter versichert, dass er "die Bedenken ernst nimmt". Diese Redaktion hat die Bezirksregierung bereits vor fast zwei Wochen auf die sich anbahnende Eskalation im Ort aufmerksam gemacht - und nach einigem Hin und Her auch Antworten bekommen. Auf Nachfrage teilt Bürgermeister Matthias Kalkreuter mit, dass vor den Herbstferien ein &bdquo;Behördentermin“ mit Bezirksregierung, Kreispolizei und Stadt stattfinden soll. Da sollen die konkreten Planungen vorgestellt werden, dabei gehe es auch um Sicherheitsbedenken und flankierende Maßnahmen. Für Donnerstag hat der Bürgermeister kurzfristig ein Gespräch mit Lokalpolitikern, Heimat- und Verkehrsverein sowie Kirche anberaumt. Auch die Bezirksregierung will zu einer Infoveranstaltung laden, wenn die Ausschreibung der Leistungen gelaufen ist. Einen Termin dafür gibt es noch nicht. Bürger fühlen sich übergangen Dass nicht vorher das Gespräch mit den Bürgern gesucht wird, stößt vielen im Ort sauer auf: "Wir haben überhaupt keinen Einfluss, was da passiert und fühlen uns schlicht übergangen. Sie hören uns an, aber wissen wollen sie eigentlich nichts von unseren Befürchtungen." Nicht besser machte es, dass der Heimat- und Verkehrsverein, der einige Fragen an die Bezirksregierung gestellt hat, ebenfalls nur sehr sparsame Informationen bekommen hatte. Das machte schnell die Runde. Die Gegenfrage aus dem Dezernat, was denn genau die Bevölkerung beunruhigt, zeige, wie wenig Problembewusstsein es in der Behörde in Detmold gebe. Die Diskussion schaukelt sich so im Ort seit Tagen hoch, zuletzt wird im sozialen Netzwerk für eine Bürgerversammlung geworben - ohne Verwaltung oder Bezirksregierung. Es gehe darum, die Bedenken zu formulieren und Ideen zu sammeln - wofür konkret, bleibt offen. Die Bezirksregierung will eigentlich erst informieren, wenn alles im Detail geklärt ist. Die Flüchtlingsunterkunft in Hörste ist als Notunterkunft für 300 Menschen geplant. Hintergrund ist, dass die Landeseinrichtungen in NRW voll sind und neue Unterkünfte dringend gebraucht werden. "Die Bezirksregierung plant, auch auf dem Areal der ehemaligen Kaserne Princess Royal Barrack in Gütersloh eine Unterkunft für Geflüchtete einzurichten", so Pressesprecher Jörg Westphal. Startzeitpunkt: Im vierten Quartal sollen die Asylsuchenden im ehemaligen Heinrich-Hansen-Haus einziehen, das die Bezirksregierung von der Tönnies-Immobilien-Tochter anmietet. Wie lange die Unterkunft gebraucht werde, lasse sich zurzeit nicht vorhersagen. Herkunftsländer: Die Zusammensetzung der Bewohner in der Unterkunft in Lage lasse sich noch nicht konkret benennen. "Gegenwärtig kommen die Schutzsuchenden in Deutschland größtenteils aus Syrien, Afghanistan und Irak. Auch ukrainische Kriegsflüchtlinge kommen weiter nach Deutschland. Die Belegung spiegelt die Haupt-Herkunftsländer wider", stellt Westphal fest. Zusammensetzung: Es kommen nicht nur alleinreisende Männer. Die konkrete Zusammensetzung der Bewohnerschaft und das Verhältnis von Familien zu Alleinreisenden ändere sich aber regelmäßig. Denn die Flüchtlinge bleiben nicht dauerhaft in Hörste, sondern werden aus den Landesunterkünften, also auch von Hörste aus, auf die Kommunen verteilt. Wenn kein Bleiberecht besteht, werden sie abgeschoben. Es kommen regelmäßig neue Bewohner aus der Erstaufnahmeeinrichtung in die Landeseinrichtung. Betreuung: In Lage soll es Freizeitangebote und eine intensive Sozialbetreuung für die Bewohner geben. "Wie das genau auf die Einrichtung zugeschnittene Betreuungskonzept gestaltet ist, entscheidet sich, wenn ein Dienstleister gefunden wurde." In allen Landesunterkünften kümmere sich ein Betreuungsdienst um die Bewohner. "Die Mitarbeiter verfügen in der Regel über eine mehrjährige Erfahrung in der Betreuung von Geflüchteten und sprechen mehrere Sprachen. Mitarbeiter des Betreuungsdienstes sind rund um die Uhr vor Ort – auch nachts und am Wochenende", so Westphal. Versorgung: Die Bewohner in Landesunterkünften erhalten eine Vollverpflegung. In allen Landesunterkünften gebe es eine Sanitätsstation. Um Integration gehe es nicht in erster Linie, denn die Asylsuchenden seien in Landesunterkünften für einen begrenzten Zeitraum untergebracht. "Die Integration kann beginnen, wenn die Menschen einer Kommune zugewiesen worden sind und in einer kommunalen Unterkunft wohnen. Die Bewohner in Lage werden bei einer kommunalen Zuweisung in ganz NRW verteilt." Schule und Kita: Die in Landesunterkünften, also auch in Hörste, untergebrachten Kinder und Jugendlichen besuchen nicht die Schulen vor Ort. Kinder im schulpflichtigen Alter unterliegen während der Unterbringung in Landesunterkünften nicht der Schulpflicht. Die Schulpflicht gilt erst, wenn Geflüchtete durch die Bezirksregierung Arnsberg auf die Kommunen verteilt worden sind. Sicherheit: Ein ganz entscheidender Punkt für die Hörster ist die Sicherheit, es wird von den Kritikern auf die Probleme in Oerlinghausen verwiesen, auf die Zunahme der Kriminalität. "Es wird in der Unterkunft in Lage einen Sicherheitsdienst geben, der jeden Tag rund um die Uhr vor Ort ist. Es gibt bereits Absprachen mit der Polizei – das ist ein übliches Verfahren bei landeseigenen Flüchtlingsunterkünften", stellt Westphal fest. Wie das genaue Sicherheitskonzept aussehe, entscheide sich, wenn ein Dienstleister gefunden worden ist, die Ausschreibung sei noch nicht abgeschlossen. Zudem gebe es immer einen engen Austausch mit Polizei und Ordnungsamt. "Sofern erforderlich, werden Sicherheitskonzepte und Maßnahmen angepasst." Ansprechpartner für Anwohner: Dass damit längst nicht alle Befürchtungen aus der Welt sind, weiß auch die Bezirksregierung. "Man kann Ängste nicht wegreden und einfach auf ein Konzept verweisen, sondern muss sie ernst nehmen und offen darüber reden." Es soll in Lage einen Umfeldmanager als Ansprechpartner für Nachbarn geben. Darüber hinaus seien auch die Leitung des Betreuungsdienstes und der Bezirksregierung vor Ort für Fragen, Anregungen und Beschwerden ansprechbar. Wo nötig und möglich, werde die Bezirksregierung Abläufe anpassen und Lösungen finden. Es sei geplant, für die unmittelbaren Anwohner der Unterkunft nach der Inbetriebnahme einen &bdquo;Runden Tisch“ einzurichten. Ehrenamtliches Engagement in der Einrichtung sei möglich. Es werde eine Bürgerinformation geben, das Datum stehe aber noch nicht fest. Asylanträge: Ein Sprecher des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge kennt das Projekt in Hörste nicht, das BAMF befasst sich mit den Asylverfahren selbst, nicht mit der Unterbringung. Die sei Ländersache. Zum Ablauf kann er aber Informationen geben. In der Regel finde die zentrale Registrierung der Asylsuchenden in Bochum statt, aber es gebe auch dezentrale Stellen, in OWL in Bielefeld. Danach würden die Asylsuchenden in größere Unterkünfte gebracht und von dort aus auf die Kommunen verteilt. Die Anzahl richte sich nach dem Königssteiner-Schlüssel. Zur Dauer eines Asylverfahrens sagt der Pressesprecher des Bundesamtes: "Derzeit liegt der Schnitt bei vier Monaten. Aber wenn wir erst Identitäten feststellen müssen, weil es keine Papiere gibt, dann dauert die Überprüfung auch deutlich länger." Vorteil für die Stadt: Die Stadt Lage hat nach Angaben der Bezirksregierung Arnsberg vom 3. September 701 Asylsuchende aufgenommen, die Erfüllungsquote liegt bei mehr als 160 Prozent. Angekündigt war für den Herbst, dass alle Kommunen weitere Kapazitäten schaffen müssen - die Quote also aufgeweitet wird. Die Asylsuchenden, die im Heinrich-Hansen-Haus untergebracht werden sollen, würden für Lage aber angerechnet. Das ist für sie insgesamt ein Vorteil, denn die Kosten für die Notunterkunft samt Versorgung trägt das Land komplett. Allerdings, so sagt die Stadt Lage auf Nachfrage dieser Redaktion, ließen sich die Folgen für den Tourismus in Hörste und die Übernachtungszahlen derzeit nicht abschätzen.

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