Der Tunnel – das Mega-Bauwerk in Oerlinghausen

Oerlinghausen. Es ist 5 Uhr morgens in der Oerlinghauser Innenstadt – in den 50er Jahren. Dort, an der engsten Durchfahrt auf der Hauptstraße kurz vor dem Simonsplatz dröhnen zwei Lastwagen aufeinander zu. Einer kommt aus dem Süden vom Kalkwerk Foerth – hoch beladen mit Säcken voll Kalk. Der andere hat Kies geladen und ihn bereits früh von der Weser geholt. Doch die Straße dort vor dem Malergeschäft Ritterbusch ist zu eng für zwei Lkw. Es wird laut gehupt, gedroht aber niemand gibt nach. Alle Nachbarn sitzen längst senkrecht im Bett, doch es dauert fast eine halbe Stunde, bis einer der beiden Fahrer endlich zurücksetzt und man aneinander vorbeifahren kann. &bdquo;Die Anwohner waren natürlich total genervt“, erzählt Horst Steinkühler vor zahlreichen Zuhörern des Heimatvereins im Jägerhaus, &bdquo;doch in der Nachkriegszeit, als durch die zunehmende Bautätigkeit immer mehr Lkw-Verkehr auf der Hauptstraße lief, gab es täglich solche Situationen.“ Staus in der Innenstadt ab dem frühen Morgen. &bdquo;Eine Ampel hat später den Verkehr geregelt – es war nur eine Notlösung“ Horst Steinkühler, ehemaliger Bürgermeister und früherer SPD-Landtagsabgeordneter, hat die Entwicklung des Straßenverkehrs in Oerlinghausen von frühester Jugend an miterlebt. &bdquo;Eine Ampel hat später den Verkehr geregelt“, sagt er, &bdquo;eine Notlösung, doch bei immer mehr Autos bildeten sich ebenfalls lange Schlangen.“ Endlich tauchte ein Plan gegen das Verkehrsdilemma auf. Der Ausbau der Robert-Koch-Straße und die Anbindung an die Zeppelinstraße. Auf diese Weise würden die Autos in großem Bogen um die Kernstadt geführt. &bdquo;Die Robert-Koch-Straße war aber eine gemütliche Wohnstraße“, erläuterte Horst Steinkühler, &bdquo;eine Sackgasse, die am Steinbült endete.“ Man konnte sich vorstellen, welcher Verkehrsstrom dann entlang der ruhigen Wohngegend laufen würde. Die Straße wurde tatsächlich gebaut und 1973 in Betrieb genommen. Und es kam, wie es kommen musste. Die Zahl der Fahrzeuge, die am Kiffestift und am Mariannenstift vorbei rollten, schnellte sprunghaft in die Höhe und wuchs im Laufe der Jahre immer mehr. Nun gab es schon seit Anfang der 60er Jahre Diskussionen über eine äußere Entlastungsstraße für die Bergstadt. Die Fraktion der CDU brachte zum Beispiel eine Trasse durch die Schopke ins Spiel. Doch die Landschaftsbehörden und auch die Stadt Bielefeld winkten sogleich ab. &bdquo;Während einer SPD-Tagung im Haus Neuland im Jahre 1975 entstand der Gedanke, einen Tunnel durch den Berg zu bohren“, erinnert sich Steinkühler. Das war die umweltschonendste Variante, doch die Kosten für eine geplante 470 Meter lange Tunneldurchfahrt für die &bdquo;L 751“ waren astronomisch – um die 40 Millionen Mark. Aber dann kam der 11. Mai 1980, Landtagswahl in NRW. Horst Steinkühler wurde in den Landtag gewählt. Jetzt galt es, die richtigen Fördertöpfe für das Tunnelprojekt anzuzapfen. Aber auch hier stand Oerlinghausen in Konkurrenz zu Nachbarstädten aus Steinkühlers Wahlbezirk: Lage, Bad Salzuflen oder die Gemeinde Leopoldshöhe versuchten ebenfalls Landesgeld in ihre Kommunen lenken. Doch Steinkühler, der seinerzeit auch noch Oerlinghauser Bürgermeister war, kämpfte für den Tunnel. &bdquo;Es muss etwas passieren“, warnte er in einem Interview, eine Verkehrszählung hatte 20.000 Fahrzeuge täglich auf der Robert-Koch-Straße ermittelt. Immer wieder gelang es ihm, NRW-Minister nach Oerlinghausen zu holen, um sie auf die katastrophale Verkehrslage in der Bergstadt hinzuweisen. Bauminister Christoph Zöpel zum Beispiel oder auch Umweltminister Klaus Matthiesen. Anfang der 90er Jahre erhöhten die Anwohner der betroffenen Straßen den Druck. Bürgerinitiativen wie &bdquo;Ruhiges Oerlinghausen“ oder &bdquo;Umgehungsstraße Jetzt“ wurden gegründet. Mit Fahrrad-Demos protestierten die Bewohner mehrfach und blockierten auf diese Weise den Autoverkehr. Ein Riesentheater herrschte in Oerlinghausen. Im Gegenzug fuhren nämlich Umweltaktivisten als Gegner der Tunnelstraße schweres Geschütz auf. Sie malten Totenkreuze auf die Bäume, Grundstückseigentümer klagten gegen den Bau. Doch letztlich gelang es Horst Steinkühler, die nötigen Landesmittel für den Bau des Tunnels nach Oerlinghausen zu holen. Nach dreieinhalb Jahren waren der Bau abgeschlossen und die Technik komplett installiert Die Bagger rollten im Frühjahr 1994 an, gewaltige Erdmassen mussten bewegt werden. Ein Tunnelbauunternehmen aus Österreich bohrte mit einer Riesenfräse den Stollen in den Menkhauser Berg. Im Mai 1995 erfolgte der Tunneldurchstich. Von Norden und von Süden hatten sich die Bergbauteams durch das Gestein gefräst und trafen exakt aufeinander. Noch dreieinhalb Jahre aber dauerte es, bis die Baumaßnahme abgeschlossen und die Tunneltechnik komplett installiert war. Am 14. November 1998 kam der große Tag: Der 492 Meter lange Tunnel wurde für die Besucher freigegeben. Hunderte von Oerlinghausern waren an diesem Samstagnachmittag unterwegs, um erstmals &bdquo;in die Röhre zu gucken“. Die Laufgemeinschaft Oerlinghausen veranstaltete zur Eröffnung einen Tunnellauf, die Bergwacht der Schützen schenkte &bdquo;Tunnelschnaps“ der Melmschen Apotheke aus. Diverse Imbiss- und Getränkestände gaben der Eröffnung einen echten Volksfestcharakter. Und ein paar Tage später rollte ein großer Teil des Durchgangsverkehrs erstmals durch den Tunnel. &bdquo;Danke Horst“, war noch monatelang auf einem Transparent an der Robert-Koch-Straße zu lesen. Anwohner hatten es aufgehängt, um Horst Steinkühler für seinen Einsatz zu danken.

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