Oerlinghausen

Richter müssen Richter beurteilen

Die Anwälte von Elke D. stellen Befangenheitsanträge, die alle abgelehnt werden.

totschlag16 - 1 | © Wolfgang Rudolf

Gunter Held
06.04.2022 | 06.04.2022, 17:47

Oerlinghausen / Detmold. Wenn jemand in Deutschland mit einem Gerichtsurteil nicht einverstanden ist, kann er oder sie sich an die nächste Instanz wenden. Es gibt Amtsgerichte, Landgerichte, Oberlandesgericht und den Bundesgerichtshof, mithin vier Instanzen. Bei Familienrechtssachen ist das anders. Da gibt es das Familiengericht, bei dem die Verhandlungen grundsätzlich nichtöffentlich sind, und es gibt das Oberlandesgericht als nächste und in der Regel letzte Instanz. Theoretisch könnte eine Sache auch noch vor den Bundesgerichtshof kommen, doch die Zulassung vor dieses Gericht sei extrem selten, sagt die Familienrechtlerin Marita Korn-Bergmann.

Diese Erfahrung machte auch Elke D. (Name geändert), als sie vor Gericht die Rückgabe ihres Kindes erstreiten will. Dieses Kind ist von einer Detmolder Familienrichterin dem Vater zugesprochen worden, obwohl der unter dem Verdacht des sexuellen Missbrauchs seines Kindes steht.

Doch in einem von der Familienrichterin in Auftrag gegebenen Gutachten wird über Elke D. gesagt, dass sie möglicherweise an einer schweren psychischen Erkrankung leidet – was mittlerweile widerlegt ist. Dieser Verdacht wurde vom Jugendamt des Kreises Lippe als Fakt angesehen und wohl entsprechend an die Familienrichterin weitergegeben, die das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf den Vater übertrug.

Rechtsanwältin Phyllis Kauke vertritt Elke D. in Familienrechtssachen. Sie kritisierte wiederholt das Verhalten der zuständigen Richterin, die, so Kauke, das Urteil des Verwaltungsgerichts Minden, das die Inobhutnahme des Kindes im Jahr 2019 für widerrechtlich befand, nicht zur Kenntnis nahm und nicht handelte. Andernfalls hätte die Familienrichterin sofort die Rückführung des Kindes an die Mutter verfügen müssen, sagt Kauke. Die Rechtsanwältin stellte einen Befangenheitsantrag. Wird so etwas gemacht, erhält die kritisierte Person zunächst die Möglichkeit einer Stellungnahme. Erst danach entscheidet irgendein Richter des betroffenen Amtsgerichts Detmold, ob dem Antrag auf Befangenheit stattgegeben wird. Der Antrag wird nicht an eine unabhängige Stelle, zum Beispiel ein anderes Gericht, weitergeleitet. Erst nach einer erfolglosen weiteren Beschwerde landet das Ganze beim Familiensenat des Oberlandesgerichts, der schon über die Beschwerde zum Sorgerecht entschieden hatte. Phyllis Kauke hat alles durchgezogen. Kein Richter wollte ihrer Argumentation folgen. Auch ein Befangenheitsantrag des Juraprofessors Christian Laue hatte letztlich keinen Erfolg.

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