Elke D. klagt gegen Kreis Lippe: Streit um Schadenersatz geht weiter

Oerlinghausen. Elke D. kommt nicht zur Ruhe. Im November 2021 berichtete die Neue Westfälische erstmals über die Mutter aus Oerlinghausen. Damals kämpfte sie bereits seit drei Jahren gegen das Jugendamt des Kreises Lippe, das ihr eine – mehrfach widerlegte – psychische Erkrankung andichtete und in den Akten festhielt, weil ein Gutachter den Verdacht auf eine psychische Erkrankung in sein Gutachten schrieb. Dieses Gutachten ist nach Ansicht des renommierten gerichtlichen Sachverständigen Uwe Tewes, emeritierter Leiter der Abteilung für Medizinische Psychologie an der Medizinischen Hochschule Hannover, &bdquo;fachlich kaum verwertbar“. Und Elke D. kämpft immer noch. Gegen den Kindesvater, mit dem sie nie verheiratet war, weil er ihr gegenüber gewalttätig geworden war und weil ein Expertenteam der Paderborner Kinderklinik unter Leitung des Chefarztes Friedrich Ebinger den &bdquo;dringenden Verdacht auf akute Kindeswohlgefährdung durch sexuellen Missbrauch in wahrscheinlich mehreren Fällen“ äußerte. Dieser Verdacht richtete sich gegen den Kindesvater, da das Kind, damals vier Jahre alt, immer nach Umgängen mit dem Kindesvater über Schmerzen im Analbereich klagte. Verdacht auf sexuellen Missbrauch gibt es immer noch Sie kämpft dagegen, dass das Jugendamt des Kreises Lippe ihr das fünf Jahre alte Kind wegnahm, ihr Sorgerecht beschränkte und das Kind dem Kindesvater übergab. Die Ermittlungen gegen den Kindesvater wegen des Verdachts auf sexuellen Missbrauch des eigenen Kindes sind mittlerweile gemäß Paragraf 170 Strafprozessordnung eingestellt worden. Bei solch einer Einstellung kommt die Staatsanwaltschaft nach Prüfung der Beweis- und Rechtslage zu dem Ergebnis, dass kein hinreichender Tatverdacht ermittelt wurde, der eine Verurteilung wahrscheinlich machen. Das Ermittlungsverfahren kann aber jederzeit wieder aufgenommen werden, wenn Anlass dazu besteht. Themenseite: Alle Artikel zum Fall Elke D. im Überblick Als Folge des Verhaltens der Mitarbeiter des Jugendamtes des Kreises Lippe hat Elke D. gesundheitliche Probleme. Im April 2024 klagte sie gegen den Kreis Lippe auf Schadenersatz in Höhe von 556.000 Euro. Gegen die Inobhutnahme am 15. August 2020 hat Elke D. Klage vor dem Verwaltungsgericht in Minden erhoben – und Recht bekommen, obwohl eine Sachbearbeiterin des Kreisjugendamtes Lippe vor Gericht log. Sie hatte behauptet, ein Arzt aus der Paderborner Kinderklinik hätte ihr gegenüber telefonisch den Verdacht auf sexuellen Missbrauch relativiert. Die Neue Westfälische wies nach, dass es ein solches Telefonat nie gegeben hat. Wie sich im Fall Elke D. plötzlich alles zu wenden scheint Trotz dieses Beschlusses ging es mit den Verhandlungen vor dem Familiengericht in Detmold weiter. Die Familienrichterin Koonert entschied im Januar 2022, dass Elke D. ihr Kind dem Kindesvater übergeben musste, obwohl gegen den zu dem Zeitpunkt noch das Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf sexuellen Missbrauch des eigenen Kindes lief. Elke D. nahm die Pflicht einer Mutter, ihr Kind zu schützen, in die eigene Hand – und tauchte für zehn Monate unter. Das gelang unter anderem mit Hilfe eines Mütternetzwerkes. Erst am 23. Juni 2023 deutete sich eine vorsichtige Wende an. An diesem Tag wurde der Autor dieses Artikels für seine bis dato veröffentlichten Berichte über das Schicksal von Elke D. und ihrem Kind mit dem renommierten Wächterpreis der Tagespresse ausgezeichnet. Und während der Preisverleihung berichtete er von einem Telefonat mit Christian Laue, einem Anwalt Elke Ds.. Der hatte ihm an diesem Tage mitgeteilt, dass ein neu mit dem Fall befasster Richter des Familiengerichts Detmold entschieden habe, dass das Kind bis zur Entscheidung in der Hauptsache bei der Mutter bleiben werde. Nach der Klage rückt ein neues Thema in den Fokus Im April 2024 reichte Elke D. über die Anwältin Marita Korn-Bergmann beim Landgericht Detmold eine Klage gegen den Kreis Lippe auf Schadenersatz und Schmerzensgeld ein. Das Gericht hielt nach dem ersten – und bisher einzigen – Verhandlungstag am 18. April 2024 die Sache für schadenersatzfähig. Zur Feststellung des Schadens, der Elke D. entstanden war, beauftragte das Gericht einen Sachverständigen, ein Gutachten zu erstellen. Die Frage, die sich Elke D. stellte, war: Muss ein Sachverständiger sämtliche Unterlagen dem Gericht überlassen, wie es der Sachverständige nach gerichtlichem Hinweis ihr gegenüber angab? Auch interessant: Jugendamt reißt Familie aus Lage auseinander – Fall landet vor Gericht Korn-Bergmann hält diese Rechtsfrage für offen, da ihrer Ansicht nach der Datenschutz und die Grundrechte nicht hinreichend berücksichtigt werden. Die Neue Westfälische hat über diese Thematik mit Ralf Dohrenbusch gesprochen. Er ist Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychologische Begutachtung und sagt: &bdquo;Das Gutachten wird zunächst nur an den Auftraggeber gegeben, nicht an den Probanden. Der Gutachter ist der Gehilfe des Gerichts. Das Gericht wiederum kann weitreichend vorgeben, was und wie untersucht werden soll. Es gibt Richter, die keine Frage zulassen, die nicht vorher von ihnen vorformuliert wurde.“ Wo die Grenzen der Sachverständigen wirklich liegen Als Laie stellt man sich die Arbeit eines Gutachters so vor: Er sammelt Informationen aus Gesprächen mit dem Probanden und aus ärztlichen Dokumentationen und verfasst aus diesen Informationen eine gutachterliche Stellungnahme mit Begründungen, allgemeinverständlich formuliert. Er ist nicht gehalten, alle seine Informationen, woher er sie auch immer hat, ans Gericht weiterzugeben. Dohrenbusch sagt dazu: &bdquo;Normalerweise ist das Vorgehen so, obwohl das Gericht die Akten alle verlangen darf.“ Problematisch für Gutachter sei die Frage, wie eng sich das Gutachten an der richterlichen Denkweise ausrichten soll. Lesen Sie auch: Befangen oder nicht? Wenn Richter selbst über ihre Kollegen urteilen müssen Gutachter sollten sich nicht auf juristisches Terrain begeben und im Zweifel immer Rücksprache halten. Der Jurist ist maßgeblich. Der Sachverständige ist gehalten, deutlich zu machen, wo seine Grenzen sind. Juristische Erkenntnisse sollten nicht formuliert werden. Da schließt sich die Frage nach der Kompetenzbeschneidung von Gutachtern durch Gerichte an. &bdquo;Ein Gutachter geht nicht vor Gericht auf die Knie. Wir haben die Hoheit für die Wissenschaft. Der Gutachter erhebt wissenschaftliche Informationen aus Fragestellungen, die das Gericht größtenteils vorgeben kann“, sagt Ralf Dohrenbusch. Voraussetzung für ein Gutachten ist eine Vertrauensbasis Zwar ist es beim aktuellen Gutachten nicht der Fall gewesen, aber beim ersten Gutachten, das laut Uwe Tewes &bdquo;fachlich kaum verwertbar“ war, fehlte, was laut Dohrenbusch Voraussetzung für ein Gutachten ist: das Vertrauensverhältnis zwischen Gutachter und Proband. &bdquo;Kommt das nicht zustande, kann der Proband abbrechen. Dieser Abbruch darf ihm nicht zum Nachteil gereichen. Davor kann sich auch ein Richter nicht verschließen. Allerdings ist das oft eine Ermessenssache. Aber der Richter muss tätig werden oder selbst die Begutachtung vornehmen, wenn er dazu kompetent ist“, sagt Dohrenbusch. Jetzt gibt es einen Termin für den zweiten Verhandlungstag im Schadenersatzprozess. Dabei wird es auch um das Gutachten gehen. Ohne auf die Inhalte einzugehen fallen Formulierungen in der Stellungnahme der Anwältin des Kreises Lippe zum Gutachten auf, wie: &bdquo;Der Gutachter differenziert fehlerhaft . . .“ &bdquo;Er hätte erkennen müssen . . .“ und &bdquo;Der Gutachter hat nicht bedacht, . . .“

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