
Oerlinghausen. Eben noch stand er bei der Jux-Show der MSKK als Ballerina und Abba-Sängerin völlig verwandelt auf der Bühne, nur eine halbe Stunde später reckte Sebastian Boer die Hände in die Höhe. Der 31-Jährige holte nach einem äußerst spannenden Wettkampf den hölzernen Adler aus seinen Fängen und brauchte ein paar Sekunden, um zu realisieren, was da gerade geschehen war.
„Versuch mal über die Schraube zu schießen“, das hatte ihm Schießoffizier Frank Unterkötter empfohlen, und es klappte. Mit dem 194. Schuss. Um exakt 11 Uhr bejubelte das Volk den neuen Regenten der Oerlinghauser Schützengesellschaft.
Mitglied ein Leben lang
Zur Königin wählte Sebastian Boer, der als Außendienstler bei einer bekannten Brauerei arbeitet, Christiane Hoffmann (40). Sie ist von Geburt an Mitglied in der Schützengesellschaft, war morgens auf dem Rathausplatz bei den Montagmorgen-Wibbelweibern dabei und außerdem im Spielmannszug St. Johannes aus Stukenbrock.

Bereits vor der Schießpause hatte der hölzerne Vogel seinen linken Flügel eingebüßt. „Das wird wohl nicht mehr lange dauern“, vermuteten einige Schützen. Dennoch erwies sich der Adler „als zäher Hund“. Aber einfach runterfallen, „das kann ja jeder“, befand Bernd Oberschelp. Er gehörte neben Markus Höhne, André Scherlich und Sebastian Boer zu den ernsthaften Aspiranten, die den Königsschuss am Ende unter sich ausmachten.
Holzsplitter fliegen

Immer wieder ging ein Raunen durch die Reihen der Beobachter, wenn sich der Vogel drehte oder Holzsplitter durch die Lüfte flogen. „Hol ihn runter“, diese Rufe begleiteten die sicheren Schützen.
Um 10.32 Uhr wackelte der Vogel bereits verdächtig. Um 10.38 Uhr segelte der rechte Flügel hinunter, und Markus Höhne ahnte: „Jetzt geht das Rumgenagel wieder los.“ Denn die Treffer nun passend um die Schraube herumzusetzen, das erwies sich als die eigentliche Kunst.
TSV-Stürmer
Dass er treffsicher ist, das hatte der neue Schützenkönig bereits als Fußballer des TSV unzählige Male unter Beweis gestellt. Lange lehrte Sebastian Boer die gegnerischen Torwarte als Stürmer das Fürchten, ehe er anschließend etliche Jahre die Senioren trainierte.
„Jetzt habe ich Zeit hierfür“, begründete Boer, der der Schützengesellschaft seit neun Jahren angehört und dort aktiv im Unteroffizierscorps ist, warum er zu den Anwärtern auf die Königswürde gehörte.
Konkret sei der Gedanke beim Familienfest der Schützen am 1. Mai geworden, erzählt Großhandelskauffrau Christiane Hoffmann. Da sei es allerdings noch um einen Vier-Jahres-Plan gegangen. Der wurde jetzt ohne Umschweife erfüllt. Dass er nun König ist, „das habe ich erst geglaubt, als alle auf mich zugekommen sind, um mir zu gratulieren“, beschreibt Sebastian Boer seine ersten Emotionen.
Parade in New York
Ihr Schützenjahr möchten das Königspaar und der Thron „ganz frei gestalten“, denn Sebastian Boer weiß, dass „die spontanen Dinge meistens die Besten sind“. Eines aber ist jetzt schon gewiss. Sebastian Boer wird im September gemeinsam mit rund 30 weiteren Oerlinghauser Schützen bei der großen „German-American Steuben-Parade“ in New York dabei sein. „Ein sehr netter Aspekt“, stapelt Boer tief.
Ob er mit seiner schweren Königskette durch die Sicherheitskontrolle kommt, das, scherzt der neue Regent, bleibe allerdings noch abzuwarten. Mit Friedrich Diekhof ist am Montag auch ein neuer Bierkönig ermittelt worden. Bierkönigin ist seine Frau Gisela Diekhof.