
Leopoldshöhe. Es klingt etwas ungelenk, aber erst einmal beruhigend. Leopoldshöhe habe „durch die Lage am Randbereich der Werre keine Betroffenheit bei Hochwasserereignissen“. So heißt es im Kommunensteckbrief für die Gemeinde bei der Hochwasserrisikomanagementplanung des Landes NRW. Stand März dieses Jahres. Für Ewald Thies aber sind die jüngsten Überschwemmungen ganzer Landstriche in NRW, Rheinland-Pfalz und Bayern Grund genug, sich noch einmal intensiver mit dem Bachumfeld von Windwehe & Co. zu beschäftigen. Wegen eines vorausschauenden Hochwasserschutzes.
"Ähnliche Topographie wie hier"
Das fügt sich mit einer Beobachtung von Lars Koppmann von der Freiwilligen Feuerwehr Leopoldshöhe. Nach den Hilfseinsätzen nach der Unwetterkatastrophe hat er davon erzählt, dass die Region, wo er mit den Kameraden beim Aufräumen geholfen hatte, „eine ähnliche Topographie hatte wie hier“. Keine großen Flüsse wie Rhein oder Elbe, eher kleine Bäche. Wie Windwehe oder Fettpottbach. Das habe ihm zu denken gegeben. Wie schnell nach dem Starkregen aus vermeintlich harmlosen Bächen reißende, zerstörerische Ströme werden konnten.
Da knüpft der Hinweis von Ewald Thies von der Leopoldshöher Ortsgruppe des Naturschutzbundes (NABU) an. Weil es immer häufiger zu Unwettern kommen könne, sei nun „entschlossenes Handeln an unseren Fließgewässern“ dringend nötig. Zu den Zielen eines nachhaltigen Hochwasserschutzes gehöre die Erhaltung und Zurückgewinnung von Rückhalteräumen, sogenannten Retentionsräumen im weiten Verlauf des Bachumfeldes. Und dabei sieht er im Gemeindegebiet durchaus Handlungsbedarf.
Karten aus den 50er Jahren zeigen ursprünglichen Verlauf
Im Juni hatte der NABU Leopoldshöhe das noch in einer Stellungnahme formuliert, die er anlässlich des dritten Bewirtschaftungsplans der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) abgegeben hatte. Demnach bestehe an der Windwehe Handlungsbedarf, und der Fettpottbach müsse wieder in „einen mäandrierenden Zustand“ gebracht werden, wieder in den dort ursprünglich vorhandenen Feuchtwiesenbereich schlangenlinienartig verlaufen können. Karten aus den 1950er Jahren zeigten diesen ursprünglichen Verlauf. Seine Empfehlung betrifft zudem das Anlegen von Ufer- und Gewässerrandstreifen in bestimmten Bereichen.
Auch für die Verwaltung ist Leopoldshöhe kein „klassisches Hochwassergebiet“. Das sagen sowohl Fachbereichsleiter Dirk Puchert-Blöbaum wie auch sein Kollege Frank Sommer und Bürgermeister Martin Hoffmann. Die Unwetterkatastrophe habe aber verdeutlicht, dass Starkregen auch in eher nicht gefährdeten Gebieten Schaden anrichten, Menschenleben fordern kann. Deshalb wolle die Verwaltung nun ermitteln und kartieren, wo es im Gemeindegebiet Hoch- und Tiefpunkte gibt – und wie weit eine Bebauung von diesen Bereichen entfernt ist. Um dort nachzubessern oder Nachbesserungen anzuregen.
Schlammlawine am Sägewerk
Starkregen mit Folgen gab es auch schon im Gemeindegebiet, „aber das war nicht vergleichbar mit dem, was jetzt passiert ist“, sagt Dirk Puchert-Blöbaum. Eine Schlammlawine ist vor etwa sechs Jahren nach starkem Regen mal beim Sägewerk Sielemann über das Gelände geflossen – von einem landwirtschaftlich genutzten Feld nebenan.
Das hätte vermutlich verhindert oder abgemildert werden können, wenn es am Rand eine sogenannte Abflussfurche gegeben hätte, die dort zuvor wohl immer gezogen worden war. Ein entsprechender Hinweis an den neuen Pächter war seinerzeit die Folge. Für einen Katastrophenfall sei die Gemeinde indes gut vorbereitet – auch im kreisweiten Vergleich.
Es gibt einen sogenannten Stab für außergewöhnliche Ereignisse (SAE), einen entsprechenden Raum in der Feuerwache und vier mobile Generatoren, die mit Diesel betrieben Strom erzeugen können. Im B-vier beispielsweise könne einer angeschlossen werden, und Bürger finden hier und in der angrenzenden Sporthalle, falls nötig, eine Zuflucht.
Auslöser war Orkantief Friederike
Der Auslöser, seinerzeit in Zusammenarbeit mit dem Kreis das SAE-Konzept noch einmal zu aktualisieren und neu aufzustellen, war Orkantief Friederike, das 2018 auch in Leopoldshöhe wütete, erklärt Puchert-Blöbaum. Damals stürzten auf dem Parkplatz am Friedhof Dahlhausen Bäume um. Während einer Beerdigung. „Nicht auszudenken, was passiert wäre, hätten die Menschen zu dem Zeitpunkt noch in ihren Autos gesessen.“