
Leopoldshöhe. Drittklässlerin Lara schiebt die Abbildung eines 20-Euro-Scheins auf einen symbolischen Kassentresen, der auf dem Touchscreen in ihrer Klasse zu sehen ist. Dann noch ein paar Euroscheine- und Münzenabbildungen, bis die Summe erreicht ist, die Lehrer Johannes Driediger ihr und ihren Mitschülern Tyler und Mateo vorgegeben hat. Es ist ein Beispiel, was Lehrer und Schüler im Unterricht so alles an diesen neuen Geräten machen können. Und ob sie die richtige Summe zusammengezählt hat, kann Lara mit einer Berührung auf eine symbolische Kasse auf dem Tresen sofort überprüfen. Passt.
Johannes Driediger ist der Medienbeauftragte der Grundschule Nord. Zusammen mit seiner Kollegin Lena Burmeister hat er sich in die neue Technik und ihre Möglichkeiten eingefuchst. Zwei Touchscreens gab es bereits an der Schule, jetzt sind alle 16 Klassenräume damit ausgestattet. Auch die Grundschule Asemissen habe nun zwölf Touchscreens, ebenfalls einen für jeden Klassenraum. Der IT-Beauftragte der Gemeindeverwaltung, Torben Klassen, sowie zwei Kollegen (davon ein Azubi) unterstützen die Schulen in Leopoldshöhe bei der Einrichtung und dem Support.
"Mehr als nur ein digitaler Tafelersatz"
Es gebe verschiedene Anbieter dieser Touchscreens. Die Gemeinde habe sich zusammen mit den Schulen – wie in Oerlinghausen – für das System der niederländischen Firma Prowise entschieden. Eine gute Entscheidung, wie Johannes Driediger meint. Denn es sei weitaus mehr als nur ein digitaler Tafelersatz.
Er beschreibt die Funktionen als „drei Säulen“. Die erste Säule sei eine Art Tablet-Funktion. „Man kann sich Apps herunterladen, Google Maps für den Sachkundeunterricht, Spotify, die ZDF Mediathek für Filme, YouTube und so weiter.“ Die zweite Säule seien Tafelersatz und Projektionsfläche, das Pro Note. Hier lassen sich verschiedene Untergründe einspielen, Linien, Karos, auch ein digitales Millimeterpapier. Eine Beschränkung auf eine (analoge) Tafelhälfte gibt es nicht mehr.
Die dritte Säule sei der Hauptgrund gewesen, „warum wir uns für Prowise entschieden haben“. Mit dem sogenannten Prowise Presenter werde der Unterricht geplant, zusammengestellt, auf- und vorbereitet. Ähnlich wie bei einer Texterfassungssoftware sind verschiedene Werkzeuge verfügbar, Schriften, Stifte, Textmarkierungen und mehr. An der Grundschule Nord wird beispielsweise das Prinzip „Silbenschwingen“ beim Lesen- und Schreibenlernen angewandt.
Jeder Vokal bekommt eine Krone aufgesetzt
Jedes Wort bestehe aus Silben, so lernen es die Kinder, und so wird es auch dargestellt. Beispiel „Schaukel“, gesprochen dann „Schau“ und „kel“ – zwei Silben, die jede für sich einen Silbenkönig (Vokal) hat. Und der Vokal trägt selbstverständlich eine Krone, die sich Johannes Driediger und seine Kollegen aus einem Vorlagentool herausziehen und von den Kindern über den jeweiligen Vokal oder Doppellaut positionieren lassen können. Die Unterrichtsunterlagen können gespeichert, mehrfach wiederverwendet und auch – landesweit – geteilt werden. Zu bestimmten Themengebieten können die Lehrer so über eine Cloud auch auf Konzepte zurückgreifen, die ihre Kolleginnen und Kollegen aus anderen Städten zusammengestellt haben. Oder die sie eben zu Hause selbst erarbeitet haben.
„So lassen sich auch Ressourcen sparen“, sagt Schulleiterin Cornelia Schmidt, die seit 1991 an der Grundschule lehrt. Zwischendurch war sie drei Jahre lang als Konrektorin in Bad Salzuflen tätig, seit fast 12 Jahren ist sie in Leopoldshöhe Schulleiterin. Sie kennt noch Matrizendrucker, mit denen früher Arbeitsbögen für den Unterricht vervielfältigt worden sind. Mit der digitalen Technik gebe es aber weitaus mehr Möglichkeiten.
Schreiben mit dem Stift oder dem Finger
Auch klassisch an der Tafel schreiben oder rechnen können die Kinder noch. Mit entsprechenden Stiften „oder auch mit dem Finger“, sagt Cornelia Schmidt. Papierbögen gibt es weiterhin. Und dann geht Johannes Driediger auch schon mal mit dem Handy zum Platz eines Schülers, fotografiert dessen Aufgabenzettel und spielt ihn auf die digitale Tafel. So können alle die Arbeit ihres Mitschülers sehen, eventuell gemeinsam korrigieren oder besprechen.
Vor drei Jahren sei die Technik im Kommunalen Rechenzentrum Minden-Ravensberg/Lippe (KRZ) erstmals vorgestellt worden – es war Neuland, ein Systemwechsel in den Schulen. „Und da ging es auch um die digitalen Endgeräte, Laptop oder Tablet“, sagt Johannes Driediger. „Wir haben uns jetzt für Tablets entschieden.“ 200 soll es bald an der Schule geben. 360 Kinder sind derzeit an der Schule.
Neue Abläufe, neue Systeme

Damals hatte er zusammen mit Lena Burmeister im KRZ an der Schulung und später an weiteren Workshops teilgenommen, sie ist derzeit im Mutterschutz. „Ich bin ja medienaffin“, sagt der heute 36-Jährige, der vor fünf Jahren als Referendar an der Schule eingestiegen und geblieben ist. Die Vorbehalte gegenüber der neuen Technik kennt er aber auch. Neue Abläufe, neue Systeme, das muss alles gelernt werden und sicher anzuwenden sein. Das Kollegium helfe sich gegenseitig, und auch die Schüler gehen schon sehr selbstverständlich mit der Technik um – und können Hinweise geben.
Auch die Sache mit der ausrangierten Magnettafel zum Beispiel, an die Stundenpläne oder auch liebevoll von den Lehrern selbstgebastelte Informationen gepinnt werden und dauerhaft dort bleiben sollen, hat etwas irritiert. Wohin damit, wenn alles nur noch digital läuft? „Wir haben jetzt Touchscreens mit Boards an der Seite“, sagt Driediger. Eine Kombination, die sehr gut ankomme. Und wenn dann mal der Strom ausfällt oder der Server Probleme macht, geht es auch weiter. Wenn auch mittlerweile komplett ohne Matrizendrucker.