Hexenprozess in Warburg: Wie ein Tagelöhner zum Opfer wurde

Warburg. Die meisten Scheiterhaufen, auf denen Menschen starben, brannten nicht im finsteren Mittelalter. Da waren Prozesse wegen angeblicher schädlicher Zauberei Einzelfälle, die kirchliche Strafpraxis moderat. Erst später setzte sich mit dem Teufelsglauben ein neuer Hexenbegriff durch, der die Gesellschaft herausforderte. Im Paderborner Hochstift fand dann 1675 einer der letzten Hexenprozesse statt. Angeklagt: ein Mann aus der Warburger Altstadt. Ossenjohann genannt. &bdquo;Die Prozessunterlagen sind bis heute erhalten geblieben und im Stadtarchiv sicher verwahrt“, hält Stadtarchivar und Museumsleiter Alexander Schwerdtfeger-Klaus fest. Der Historiker hat sich mit den Ereignissen aus der ersten Hälfte der 1670er-Jahre eingehender beschäftigt und einiges an Interessantem zutage gebracht. Johann Engelbracht hieß der Delinquent mit bürgerlichem Namen. Ein diffuser Glaube vor dem Hintergrund von Krieg, Hunger und unerklärbaren Krankheiten wird dem Tagelöhner zum Verhängnis. Auch in Warburger bleibt der Kampf gegen den Hexenwahn aus Eine tief sitzende Furcht vor dem Teufel war im Mittelalter, oftmals als ein &bdquo;düsteres Zeitalter“ ausgemacht, noch kaum bekannt. Auch wenn neben dem christlichen Glauben manch Dämon das Leben beherrschte. Erst mit Beginn des 15. Jahrhunderts werden am Übergang zur Neuzeit alte Zaubereivorstellungen und Elemente der hochmittelalterlichen Ketzerverfolgung miteinander verbunden. Hexen werden mehr und mehr als Ketzerinnen und Anhängerinnen des Teufels angesehen, werden als Urheberinnen von Seuchen wie der Pest, von Missernten und anderen Katastrophen, die über den Alltag der Menschen hereinbrechen, ausgemacht. Der Kampf gegen den Hexenwahn blieb zunächst aus: Aufgeklärtere Bürger wagten es nicht, gegen diesen Unglauben vorzugehen. Sie fürchteten, selbst als vom Höllendämon besessen zu gelten. Auch derart schließt sich ein Teufelskreis. Ein alter Mann und Tagelöhner Johann Engelbracht, in Calenberg geboren, war in den Wirren des Dreißigjährigen Kriegs (1618-1648) verarmt. Nach dem Tod seiner Frau zog er vermutlich 1665 nach Warburg und heiratete erneut. Ein Sohn aus erster Ehe betrieb als Leineweber in der Stadt ein Geschäft. Den Vater, ehemals ein kleiner Bauer, der vor seinen Karren keine Pferde, nur Ochsen spannen konnte, nannten alle nur den Ossenjohann. Ein alter Mann und Tagelöhner. &bdquo;Ein feinfühliger, verständiger und durchaus begabter Mensch“, schreibt Walter Strümper in den &bdquo;Heimatbriefen des Calenberger Ortsvorstehers“. Ossenjohann sei als Quacksalber und Arzneikundiger bekannt gewesen, habe Mensch und Tier im Krankheitsfall zu helfen gewusst. Allerdings spricht der Ossenjohann Zauber- und Segenssprüche bei seinen Behandlungen auf. Sonderbare Heilmethoden, von denen der Altstadt-Pfarrer erfuhr. Einem Bäckergesellen soll Engelbracht gar mit einer geweihten Hostie versucht haben zu helfen. Der Warburger Priester verständigt seinen geistlichen Vorgesetzten und gibt zu Protokoll, Engelbracht habe erzählt, dass ihm auf dem Weg nach Menne drei weise Frauen begegnet seien. Er solle dem Pastor mitteilen, drei Freitage hintereinander ein strenges Fastenopfer zu geben und inbrünstige Bettage einzuhalten. Damit begann die Tragödie. Die Haft wird strenger, die Folter verschärft Engelbracht wird zum Bürgermeister zitiert, bestätigt die Begegnung, will aber von geweihten Hostien als Heilmittel nicht wissen. Für den Pfarrer, der dabei ist, immer noch zu viel. Engelbracht kommt in Haft, der Landesherr in Paderborn wird verständigt. Der Bischof beauftragt den Warburger Frei- und Gografen mit der weiteren Untersuchung. Freunde und Nachbarn und die vom Ossenjohann vermeintlich geheilten Personen werden befragt. Das Verhör findet im März 1674 statt. Er sei fleißig, gehe regelmäßig in die Kirche, sei zu allen freundlich und hilfsbereit. Er könne Vögel aus den Kornfeldern vertreiben und Kohlpflanzen von Schädlingen befreien. Niemand wusste allerdings wie. Teuflische Quacksalberei? Die peinliche Befragung begann. Peinliche Befragung, abgeleitet von Pein, Schmerz, hieß foltern. Die Zeugen bekamen es mit der Angst und belasteten den Delinquenten. Sie glaubten jetzt fest, &bdquo;dass der Teufel die Hand im Spiel habe“, schreibt Strümper. Lesen Sie auch: Beim Warburger Kälkenfest wird die Geschichte lebendig Grausame Verhöre, gruselige Haftbedingungen: Engelbracht versucht mehrfach, sich umzubringen. Doch missglücken alle Selbstmordversuche. Man bringt den mittlerweile geistig Verwirrten in den Sackturm. Die Haft wird strenger, die Folter verschärft. Die Daumenschrauben, der Spanische Stiefel, das Strecken und mit glühenden Eisenzangen zwicken bricht seinen Widerstand. Engelbracht gibt zu, was gewünscht wird. Das erzwungene Geständnis wird protokolliert und von ihm &bdquo;anerkannt“. Doch sind die unter Folter erpressten Aussagen, die am selben Tage vom Delinquenten anerkannt werden, nach der kaiserlichen Gerichtsordnung ungültig, und werden höheren Ortes moniert. Die Verhöre gehen weiter, Ossenjohann widerspricht sich. Lesen Sie auch: Digitale Warburger Stadtführung &bdquo;Lauschangriff“ für Tourismuspreis nominiert Engelbracht bekennt und nennt bekannte Warburger Namen 99 Fragen werden ihm vorgelegt, 61 beantwortet er. Zu wenig, um Daumen- und Beinschrauben zu entgehen. Unerträgliche Schmerzen. Engelbracht &bdquo;bekennt“. Der Teufel hole ihn an Donnerstagen persönlich ab und bringe ihn zu einem der sechs Hexenplätze der Stadt. Er nennt Namen von armen Schluckern, aber auch von führenden Warburgern. Der Schwiegervater des Bürgermeisters ist dabei und ein Ratsherr. Die Folter wird beendet, um die hoch angesehenen Familien nicht zu gefährden. Das Urteil steht eh schon fest. Am Gerichtstag auf dem Neustädter Marktplatz wird es offiziell gesprochen. Wenige Stunden darauf wird der Ossenjohann auf dem Rotheimer Feld zwischen Warburg und Ossendorf auf den Scheiterhaufen gebunden. Man schreibt den 8. Juli 1675. Auch interessant: Hexenverfolgungen im Hochstift: Von Teufelskindern und Folter

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