Heinrichsflut 1965: Als die Warburger Altstadt unterging

Warburg. &bdquo;Das Ordnungsamt des Landkreises Warburg – Kreisinspektor Pohl – teilt dem Leiter des Ordnungsamtes der Stadt Warburg um 9.30 Uhr mit, daß die Verwaltung der Diemeltalsperre davon Kenntnis gegeben habe, daß der Wasserstand des Diemelsees 1,55 m über Pegel liege und ständig steige. Bei weiteren Regenfällen sei mit Hochwasser zu rechen": Zwei Sätze in den Akten des Jahres 1965, die heute im Stadtarchiv Warburg liegen. Der Anfang des siebenseitigen Situationsberichtes &bdquo;über die Alarmierung und den Einsatz der Freiw. Feuerwehr Warburg und anderen Hilfsorganisationen anläßlich des Hochwassers am 16.7.1965" gibt noch nichts von der Dramatik wieder, die die Einwohner der Warburger Altstadt, die Menschen entlang von Diemel und Twiste in den nächsten Stunden ereilen wird. Landunter bei der Heinrichsflut. Bilder, wie sie auch in diesem Juli – fast auf den Tag genau 56 Jahre später – aus dem Westen von NRW und Rheinland Pfalz wieder zu sehen sind. Eine dicke Akte hat Stadtarchivar Alexander Schwerdtfeger-Klaus vor sich auf dem Tisch. Er kennt viele Berichte – auch aus der eigenen Familie aus der Waldecker Region am Twistesee – von den dramatischen Stunden und Tagen im Juli 1965. Berichte und Sorgen, die sich auch heute wiederholen. Denn es ist nicht nur die unmittelbare Zerstörung durch das Wasser. Es sind auch die Folgen, die die Menschen noch lange nach dem Abfließen des Wassers bewegen. Das Futter, das auf den Wiesen zerstört wurde. Die Infrastruktur, die plötzlich weg ist. Die Versorgungseinrichtungen des Alltags. So sind seitenweise Dokumente über Untersuchungen des Trinkwassers in den viele privaten Brunnen der Altstadt durch das Hygienisch-Bakteriologische Institut Bielefeld abgeheftet – noch Wochen später gab es sie. Dazu Informationen über die Entseuchung: Denn mit dem Wasser kam auch das Ungeziefer von Ratten bis Mücken. Auch Soldaten sind für die Aufräumarbeiten im Einsatz Es gab – in den Akten vermerkt – die Ansage, das Leitungswasser nur in abgekochtem Zustand zu nutzen und auf keinen Fall für die Autowäsche oder für den Garten zu verschwenden. Dazu die Anfrage des Bademeisters vier, fünf Tage nach dem Hochwasser, ob denn das Waldbad wieder öffnen dürfe. Und die vielen Berichte über Einsatzzeiten und Einsätze, mit denen die Freiwilligen Feuerwehren aus dem Stadtgebiet und drumherum bei ihren Arbeitgebern ihren Lohn bekommen beziehungsweise die Arbeitgeber entschädigt werden sollten. Zum Beispiel bei der Brauerei Kohlschein oder bei Elektro Schäfers. Auch Soldaten waren damals in Warburg im Einsatz, ist der Akte zu entnehmen: 999 vom Schweren Pionierbataillon 716 waren sechs Tage lang bei Aufräumarbeiten in Warburg. Zwei Mark pro Tag für jeden von ihnen sind dafür abgerechnet worden, das weisen die Dokumente aus. Selbst der Spiegel berichtete damals über die Flutkatastrophe in der Region – und nannte sie auch &bdquo;Katastrophe". Und schließlich finden sich am Ende der Akten auch noch Gerichtsdokumente aus den folgenden Monaten, in denen es um die Alarmierung und Warnung oder zu späte Alarmierung und Warnung oder den richtigen Zeitpunkt der Alarmierung und Warnung vor den Fluten ging: Eine Diskussion, die auch im Jahr 2021 einsetzte. So war damals beispielsweise an einer Mühle an der Twiste ein Heizöltank auf eine Weide geschwemmt worden – das hatte Folgen. Genau wie das Überdenken der Warn-Infrastruktur entlang des Flusses, die daraufhin ausgebaut werden sollte. Stichwort: Hochwassermeldeordnung.

Meistgelesen