Auffangstation für Vögel: Generationswechsel in der Essenthoer Mühle

Essentho. 15 Kilometer westlich von Scherfede: In einem abgelegenen Tal zwischen Marsberg und Westheim im Hochsauerland liegt die Essenthoer Mühle. Seit 41 Jahren betreibt der Natur- und Vogelkundler Wilfried Limpinsel (80) dort die für ganz NRW, Nordhessen und Südniedersachsen wichtigste Vogelauffangstation. Allein im vergangenen Jahr wurden dort 300 verletzte Greifvögel und Eulen wieder aufgepäppelt und in die Natur zurückgebracht. Zählt man Sing- und sonstige Vögel, Igel und andere Säuger mit, ist es noch einmal mehr als das Doppelte. Sogar eine echte Wildkatze wurde in der Auffangstation gepflegt und erfolgreich im Schwarzbachtal bei Scherfede in die Freiheit entlassen. &bdquo;Im Durchschnitt bleiben die Tiere drei Wochen bei uns und können dann wieder ausgewildert werden", sagt Anna Reichel (25). Die junge Frau mit dem langen Pferdeschwanz und dem zupackenden Wesen ist die Enkelin von Vogeldoktor Wilfried Limpinsel. Ein Kind, das ganz nach dem Geschmack des Großvaters zu geraten sein scheint. &bdquo;Natürlich bin ich sehr stolz und glücklich, dass meine Enkelin sich für diesen Weg entschieden hat, dazu gedrängt hat sie aber niemand", betont Wilfried Limpinsel. Anna Reichel studiert in Göttingen Forstwissenschaft und Ökologie. Ihren Bachelor hat sie schon in der Tasche. Nächstes Jahr macht sie ihren Master-Abschluss. In Göttingen ist sie aber nie länger als unbedingt notwendig. Jede freie Minute ihres Lebens verbringt sie in der Essenthoer Mühle. &bdquo;Hier bin ich aufgewachsen, hier bin ich verwurzelt, hier kriegt mich niemand weg", sagt Anna Reichel. Man merkt, wie ernst es ihr damit ist. Schon seit drei Jahren ist Anna Reichel die Vorsitzende des fast 100 Mitglieder großen Trägervereins der Auffangstation. Mehr als ein Krankenhaus für wilde Tiere Die Essenthoer Mühle ist mehr als ein Krankenhaus für wilde Tiere. Die Essenthoer Mühle ist Vogelpflegestation und Umweltbildungsstätte. &bdquo;Zu normalen Zeiten hätten wir hier vor allem im Sommer Dutzende von Besuchergruppen und Schulklassen, mit denen wir über ein besseres Miteinander von Mensch und Natur diskutieren würden", erzählt Anna Reichel. Vor sechs Jahren wurde dazu bereits ein eigenes Schulungshaus angebaut. 2020 konnte endlich mit der seit 2018 geplanten Modernisierung des Volierenhauses begonnen werden. &bdquo;Der Aus- und Umbau ist jetzt fast abgeschlossen und dann werden wir in der Lage sein, hier in 14 Volieren bis zu 100 Tiere gleichzeitig aufnehmen zu können", sagt Wilfried Limpinsel und betont, dass das aber nur eine sehr theoretische Modellbetrachtung sei. Es brauche ja nur ein Habicht dazwischen zu sein, der sich nicht mit anderen Arten verträgt und darum einzeln gehalten werden muss und schon stimme die Rechnung nicht mehr. Und auch an den Arbeitsaufwand ist zu denken. &bdquo;Wenn in einer solchen Grenzsituation Anna in Göttingen wäre, dann würde ich das allein mit meiner Frau Mathilde nicht mehr bewältigen können", sagt Wilfried Limpinsel. Einzige Auswilderungsstelle in einem großen Einzugsgebiet Als einzige Auswilderungsstelle in einem großen Einzugsgebiet bleibt die Vogelstation in Essentho auch künftig eine Einrichtung von höchster naturschutzfachlicher Bedeutung. Dennoch wird die Auffangstation nicht ohne private Mittel, Spenden und ehrenamtlichem Engagement existieren können. Anna Reichel: &bdquo;Ich weiß, dass dies immer ein schwieriger Spagat sein wird, aber ich bin entschlossen, diese Herausforderung anzunehmen." Die Essenthoer Mühle lässt sich bis ins 15. Jahrhundert zurückverfolgen. Sie umfasst ein zehn Hektar großes Gebiet. Den Kern bildet ein etwa ein Hektar großes Fischteichareal entlang des Flüsschens Rummecke. Es ist nur 300 Meter lang, aber sehr wasserreich. Allerdings hat die Wasserqualität durch Gülleeintrag stark nachgelassen. Eine lukrative Teichwirtschaft ist dort nicht mehr möglich. Wilfried Limpinsel ist auf der Mühle aufgewachsen und hat das Areal von einem Großonkel geerbt. Limpinsel ist gelernter Landwirt, hat später zum Elektriker umgeschult und 30 Jahre lang die sogenannten Raketenstationen der Nato im Kreis Höxter betreut. Im Nebenerwerb hat er Land- und Teichwirtschaft an der Mühle betrieben. Sein Wissen über die Natur ist vor allem autodidaktisch. Wilfried Limpinsel: &bdquo;Dass ich bei Tieren und vor allem bei Greifvögeln gut helfen konnte, sprach sich rum – mit der Zeiten meldeten sich immer mehr Menschen und irgendwann stand das Telefon kaum noch still, was schließlich 1980 zur offiziellen Gründung der Auffangstation geführt hat."

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