Ein Warburger im Bürokratiestreit um 10,20 Euro für Wunschkennzeichen

Warburg. "Mittlerweile habe ich die Hände in den Schoß gelegt, weil es scheinbar niemanden interessiert." Hinter Reinhard Burchhardt liegt ein Kleinkrieg gegen die Windmühlen der Kreis-Bürokratie. Der Grund: Für sein neues Motorrad wollte er gerne das Kennzeichen des Vorgängermodells behalten. Weil das in der Kreisverwaltung aber als "Wunschkennzeichen" gilt, wurde eine Gebühr von 10,20 Euro fällig - ein Betrag, der ihn allzuschnell der Erbsenzählerei verdächtig machen könnte. Dem Warburger geht es aber um's Prinzip. "Ich hätte mir einfach gewünscht, dass man in der Verwaltung mit Freude feststellt: Hier ist endlich mal einer, der nachhaltig denkt". Denn schließlich spare er den Ressourcen- und Arbeitsaufwand für die Prägung eines neuen Nummernschildes. Seitdem ist der 62-Jährige vor allem eins: nachhaltig frustriert. Denn die gewünschte Reaktion blieb aus. Die Antwort seitens der Verwaltung: "Die Prägung eines neuen Kennzeichens kostet unter Umständen ja sogar um die 40 Euro." Eine unbefriedigende Reaktion. "Ich fühle mich bestraft" Seinen Anfang nahm die kuriose Geschichte im Mai 2018. "Meinen Motorradführerschein habe ich erst im Alter von 50 Jahren gemacht und habe bis Mai eine Suzuki 550 gefahren - ein Anfängermodell", blickt Burchhardt zurück. Das Problem: "Auf der Maschine sitzt man sehr gehockt, wodurch auf längeren Fahrten die Beine einschlafen." Ein bekanntes Problem unter Motorradfahrern, die man hier und da deswegen auch stehend fahren sieht. Bei Ausflügen mit dem neuen Modell - einer Kawasaki VH 15 mit 68 PS - könne das nicht so schnell passieren. "Denn bei der Maschine liegen die Fußrasten weiter vorne." Ausgesucht, probegefahren und gekauft - sie sollte es sein und im Sinne der Nachhaltigkeit auch gerne mit dem alten Nummernschild. Dann die Gebühr. Auf die Kauffreude folgte Ernüchterung. Denn auch wenn der Betrag so gering ist, sei es irgendwie ungerecht. "Ich fühle mich bestraft". Denn Burchhardts grundgute Intention, nachhaltig zu handeln, wird mit einer gefühlten Strafe versehen. Keine Antwort von Klaus Töpfer Um ein Zeichen im Sinne der Umwelt zu setzen, wandte sich Burchhardt nacheinander an verschiedene Autoritäten. Sein erster Ansprechpartner: Landrat Friedhlem Spieker. "Er hat aber nur freundlich, aber bestimmt auf die Gebühr verwiesen." Als nächstes wandte sich Burchhardt an CDU-Mann Klaus Töpfer, Ehrenbürger der Stadt Höxter, Staatspreis-Träger des Landes NRW und bundesweit bekannte Ikone in Fragen der Nachhaltigkeit und des Umweltschutzes. "Auf meine Anfrage kam nichts zurück", gibt Burchhardt mit Resignation in der Stimme zu verstehen. Und die letzten im Reigen der angerufenen Autoritäten: Die Partei, die Burchhardts Anliegen quasi im Namen trägt. Die Grünen. "Aber die Grünen haben es nicht geschafft, mein Anliegen auf die Tagesordnung zu setzen." Seitdem hat Burchhardt den Fall ruhen lassen. Bis Ende August eine andere Begebenheit in der Kreisstadt die Gemüter erregte. Denn wie die NW berichtete, musste der Heimat- und Verkehrsverein für einen ehrenamtlich betriebenen Informationsstand auf dem Höxteraner Marktplatz eine Gebühr von 30 Euro bezahlen. Hintergrund war eine Änderung der Sondernutzungssatzung, die die Nutzung des öffentlichen Raumes auch für gemeinnützige Vereine, Volks- sowie Pfarrgemeindefeste und sonstige Veranstaltungen mit einer Gebühr versieht. Auch in diesem Fall prallten im Kern die zwingenden Anforderungen der Bürokratie krachend auf den freiwilligen Einsatz und die gute Tat des Einzelnen. Burchhardt fühlte sich an die Wichtigkeit seines Anliegens erinnert und wandte sich an die Neue Westfälische mit einem Appell: "Ich würde mir wünschen, dass mehr Menschen über Nachhaltigkeit nachdenken. Dafür reichen auch kleine Beiträge, die jeder in seinem Alltag leisten kann." Stichwort "Gebührengerechtigkeit" Dabei herrscht aufseiten der Kreisverwaltung keineswegs Unverständnis für den Gedanken des Warburgers, mehr Nachhaltigkeit zu leben. Vielmehr sei man daran gebunden, die Vorgaben für die "Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr" umzusetzen - und das für alle gleich. "Das Stichwort ist hier Gebührengerechtigkeit", erklärt Kreissprecher Thomas Fuest und verweist auf die bürokratische Logik hinter dem Dilemma des Wunschkennzeichens. "Grundsätzlich gilt, dass ein Kennzeichen sich auf ein Fahrzeug bezieht und nicht auf den Halter." Und das bedeute, dass das Kennzeichen, an dem der Halter womöglich sehr hängt, dem neuen Fahrzeug erst zugeordnet werden müsse. Davon abgesehen engagiere sich der Kreis sehr für Themen der Nachhaltigkeit. "Zum Beispiel wurde die Strom- und Wärmeversorgung in den Gebäuden der Kreisverwaltung fast vollständig auf regenerative Energien umgestellt. Außerdem haben wir drei neue Elektro-Autos für unsere Dienstfahrzeugflotte beschafft", verdeutlicht Fuest. Vom Blümchenpflücker zum Bürokratieschreck Und auch Burchhardt hat sich abseits der Nummernschild-Frage einer nachhaltigen Lebensweise verschrieben. "Jeden Samstag bringe ich drei meiner Nachbarn die Brötchen mit. Wir haben sogar eine WhatsApp-Gruppe mit dem Namen die Brötchenfrage" - anstatt die Gretchenfrage, die auf Johann Wolfgang von Goethe zurückgeht und eine Frage meint, die den Kern einer Sache berührt und dem Gegenüber unangenehm ist. "Und wenn ich dann bei meinen Nachbarn abkassiere, ergeben sich meistens noch nette Gespräche." Außerdem verzichte er seit einiger Zeit beim Haarewaschen auf Shampoo. Stattdessen nutzt er nur Leitungswasser und Kaffeesatz. "Darin ist noch relativ viel Öl. Dadurch werden die Haare schön weich. Und vermutlich stärkt das Koffein auch die Haare", erklärt Burchhardt. Und zuletzt ist der Warburger auch mit Blick auf seinen Motorrad-Fahrstil nachhaltig. "Ich gehöre zu den Blümchenpflückern und nicht zu den Rasierern, die sich in jede Kurve voll reinlegen." Reinhard Burchhardt ist ein Mann der Mäßigung, der im Sinne der Umwelt dann und wann zum Bürokratieschreck wird.

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