750 Jahre Steinheim: Das sind die ungelösten Rätsel der Stadtgeschichte

Steinheim. Wenn dort heute Brautpaare mit ihren Gästen mit Sekt anstoßen oder Steinheims Frauen den Bürgermeister an Weiberfastnacht in Handschellen legen, dann wirkt der Platz zwischen Rathaus und Kirche einfach wie ein passender Ort zum Geselligsein. Idyllisch gelegen und etwas abgeschirmt von der Marktstraße. Stehen dort im Grünen auch noch zwei markante Grabsteine, so mögen sich wohl dennoch nur die wenigsten Passanten bewusst machen, dass genau dort früher Steinheims Friedhof lag. Und zwar ein Friedhof, der die Toten ganz anders fasste als die Ruhestätten heute. Die Emmerstadt steckt voller Geschichte. Schlendert man durch die Innenstadt, kann man sie allerdings gleichermaßen sehen oder übersehen – denn da kommt’s auf den Betrachter und den Blick für Details an. Steinheims Archivare Heike Sternberg-El Hotabi und Norbert Bräkling gehen stets mit historischem Interesse durch die Stadt – und werben dafür, genau hinzuschauen. Sei es beim Sonntagsspaziergang oder bei einer ihrer geführten Touren. In Steinheim kommt es auf die Details an Mal ein Beispiel für derlei historische Details: Steinheims Kump. Klar, als Wahrzeichen der Emmerstadt ist er weithin bekannt und wird in so manch jeckem Lied besungen. Doch wer genau hinschaut, kann auch die einst eigentliche Funktion des Marktbrunnens erkennen: 1855 erbaut, diente der 2,9 Meter tiefe Kump als Löschwasserreservoire, zum Tränken von Tieren und zur Versorgung der Einwohner mit Trinkwasser. &bdquo;Die Einlasslöcher für die Wasserhähne zur Entnahme des Trinkwassers sind heute noch sichtbar“, so Sternberg-El Hotabi. Und wer ganz genau hinschaut, kann an einer anderen Stelle des Kumps auch noch ein verwittertes Stadtwappen erkennen. Lesen Sie auch: Steinheims neue Archivarin hebt Schätze aus der Stadtgeschichte Nur wenige Meter entfernt befindet sich mit dem Kirchhof der ehemalige Friedhof. Stehen dort auch noch zwei alte Grabsteine, so ist es wohl dennoch nicht jedem klar, dass dort bis 1831 die Toten bestattet wurden. Einige Bestattungen fanden auch mit Grabplatten im Inneren der Kirche statt, aber aus hygienischen Gründen wurde das verboten, als die Preußen Einzug hielten. Tote in Steinheim auf sieben Ebenen begraben Der Friedhof draußen war einst eigentlich noch höher gelegen als der heutige Hof: &bdquo;1848 ist er auf die heutige Ebene abgetragen worden“, so Sternberg-El Hotabi. Der Friedhof war einst so hoch gelegen, weil er auch so weit in die Tiefe ging: &bdquo;Die Begräbnisse reichten hier einst fünf bis sieben Ebenen tief bis auf das Niveau der Emmerstraße hinter der Kirche“, weiß Steinheims Chronistin. Der alte Grabstein, der inmitten des Kirchhofes steht und optisch an eine antike Urne erinnert, gedenkt übrigens einer Frau Reese und darüber hinaus auch der hohen Mutter-Kind-Sterblichkeit, die es einst gab: Die Frau des einstigen Pächters von Schloss Thienhausen verstarb zu Beginn des 19. Jahrhunderts im Alter von 39 Jahren. Zwölf Kinder hatte sie im Laufe ihrer Ehe bekommen – acht dieser Kinder waren schon vor ihr gestorben. Zeichen einer harten Zeit mit niedriger Lebenserwartung. Passend dazu: Als eine Steinheimer Familie zu arm für die Beerdigung eines Sohnes war Kleines Wunder im Steinheimer Stadtarchiv Von der Stadtmauer, die einst nach der Verleihung der Stadtrechte 1275 erbaut werden musste und sich in Abschnitten von der Detmolder Straße noch heut entlang der Straße &bdquo;Hinter der Mauer“ zieht, bis hin zu Erinnerungstafeln am früheren Standort der Steinheimer Synagoge lässt sich bei einem Gang durch die Emmerstadt einiges Historisches entdecken. Und wahre Schätze gibt es auch im Archiv der Stadt zu sehen. &bdquo;Wir sind hier die Keller-Kinder“, scherzen Sternberg-El Hotabi und Bräkling mit Blick auf die Lage &bdquo;ihres“ Archivs in der untersten Etage des Friedrich-Wilhelm-Weber-Forums. Doch dieser Standort habe auch Vorteile: &bdquo;Wir haben hier wirklich viel Platz für all die Dokumente“, sagt Bräkling. Von den Bauplänen alter Gebäude über Infos zu Familiengeschichten bis hin zu Zeugnissen der NS-Zeit kämen die Leute aus ganz verschiedenen Gründen dorthin, um zu forschen. Lesen Sie auch: Als Kirchengänger in Steinheim fürs Fluchen und Lästern ins Gefängnis mussten Unter den Dokumenten sind auch Papiere, deren &bdquo;Überleben“ fast gar nicht möglich gewesen ist: &bdquo;Dass der Bauplan der alten Synagoge von 1884 trotz all der Zerstörung im Jahr 1938 gerettet werden konnte, ist ein kleines Wunder“, sagt Bräkling. Auf eigene Spurensuche beim Rundgang Wer die Geschichte Steinheims draußen erleben möchte, hat im Jubiläumsjahr gleich mehrfach die Chance, an einem extra Rundgang durch den Stadtkern teilzunehmen: am 18. Mai, am 15. Juni und am 20. Juli. Dabei gibt es natürlich auch Erinnerungen an eine ganz bittere Zeit zu sehen: Denn 1618 wütete in Steinheim die Pest und riss die Hälfte der Einwohner mit sich. &bdquo;Die Frage bis heute ist, wo man damals eigentlich die ganzen Pest-Toten bestattet hat“, so Sternberg-El Hotabi. Eigentlich begrub man die Toten der Pandemie nämlich nicht auf dem &bdquo;normalen“ Friedhof. Doch wo Steinheims an der Pest Verstorbene bestattet worden sind, ist laut den beiden Historikern bis heute nicht geklärt. Zwar ist in Steinheim von einer &bdquo;Pest-Linde“ die Rede – doch einen klaren Nachweis, dass die Verstorbenen dort wirklich lagen, gibt es nicht. Feier zu 750 Jahren Stadtrechte in Steinheim Pandemien, Brände, aber auch große Festlichkeiten und Errungenschaften hat Steinheim im Laufe der Geschichte erlebt – ein Meilenstein war sicher auch die Verleihung der Stadtrechte durch den Bischof im Jahr 1275. Ganz genau am 2. Februar, also an diesem Sonntag vor 750 Jahren. Mit einem Gottesdienst sowie einem Festakt mit geladenen Gästen wird das am Jubiläumstag groß gefeiert. Später im Jahr soll es dann ein Event für alle Steinheimer Bürger geben: Am 6. und 7. September ist ein Stadtfest mit den Rochus-Feierlichkeiten, dem Tag der Vereine sowie Livemusik geplant. Infos gibt es dazu auch auf der Homepage der Stadt.

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