Steinheim

App soll in Steinheim vor möglichem Hochwasser warnen

Der Pegelmesser an der Emmer soll aber nur der erste Schritt für ein ganz großes System sein.

Den Heubach gibt’s auch – erst einmal wird aber die Emmer im Fokus eines geplanten Steinheimer Hochwasser-Warnsystems stehen. | © Madita Schellenberg

Madita Schellenberg
17.03.2022 | 17.03.2022, 02:00

Steinheim. Es ist die „richtig analoge Urzeit“, die man spätestens jetzt in Steinheim hinter sich lassen möchte. Eine Netzwerkstruktur soll aufgebaut werden. Und das gemeinsam mit dem Fraunhofer Institut.

Dabei geht es um den Prototypen eines Hochwasser-Infosystems, der alsbald in der Emmerstadt getestet werden soll – „als Basis für eine anschließende Effizienz- und Mehrwertsteigerung“, wie Bürgermeister Carsten Torke betont.

Der Plan: eine App für alle interessierten Bürger. Wobei: „Das System ist nicht aufs ganze Stadtgebiet und alle Eventualitäten ausgelegt“, sagt Jens-Peter Seick vom Fraunhofer Institutsteil für industrielle Automation. Im Fokus steht also erst einmal die Emmer.

Ganz viel Wasser und ordentlich Schlamm

Rund 300 direkt von Hochwasser gefährdete Personen zeigt die Risiko-Karte der Bezirksregierung in der Steinheimer Kernstadt an. Und das Thema Hochwasser ist ja vielen Bürgern in der Emmerstadt auch durchaus schon bekannt.

So steht beispielsweise in den Bereichen Nieheimer Straße/Reithalle sowie auf dem Areal rund um die Annenhofklinik nach größeren Regengüssen immer mal wieder das Wasser auf Straßen und Feldern.

„Dabei ist sogar schon mal ein Fahrzeug auf dem Weg zum Krankenhaus stecken geblieben – so etwas ist extrem bedauerlich“, so Seick. In den Jahren 1993 und 1998 stand das Wasser in Steinheim dabei sogar besonders hoch. Die Emmer überschwemmte ganze Teile der Stadt.

Und jüngst zeigte das Wetter, dass es auch ordentlich Erde in Bewegung setzen kann: Im vergangenen September flossen nach starkem Regen über Nacht große Schlammmassen die Lother Straße sowie die Hagedorner Straße herunter und ließen den Bereich am Piepenbrink/Rolfzener Straße im Matsch versinken.

Was nach dem Matsch-Rutsch geschah

Was also tun, um künftig im Vorfeld stärkerer Regeneregnisse und damit auch eines möglichen Hochwassers gewarnt zu sein? Nach den Matschmassen im vergangenen Herbst hat die Stadt flugs erste Maßnahmen getroffen, um ein solches Szenario künftig möglichst zu verhindern oder wenigstens zu verringern.

So ist die Regenwasserkanalsituation eingehend überprüft worden und am Gebiet Steinwarts Feld gibt’s nun einen Mini-Schutzwall. Zudem sind die Brückenpfeiler am Emmerufer per Baggerschaufel anfänglich von Sedimenten befreit worden, um dem Flusslauf so wieder mehr Platz zu gegeben.

Ganz vollendet ist diese Maßnahme bis jetzt allerdings noch nicht: „Es ging gut los, aber dann hat uns die Witterung ins Knie geschossen“, so Torke. Bald aber soll am Steinheimer Emmerufer weiter ausgebaggert werden.

Lieber Steinheim statt Metropole

Und der Fokus bleibt auch erst einmal auf die Emmer gerichtet. „Ein 1.000-jähriges Ereignis, so wie im Ahrtal, das hatten wir hier noch nicht – ob wir uns jetzt unbedingt auf ein solches Ereignis einstellen müssen, ist die große Frage.

Aber: Es macht auf jeden Fall Sinn, den wachsenden Extremwetter-Ereignissen etwas entgegenzusetzen“, so Seick. Und: „Wir haben als Forschungsinstitut die notwendige Infrastruktur, um Steinheim sehr schnell und effizient unterstützen zu können“, so Seick.

Denn man spezialisiere sich mit den eigenen Smart-City-Projekten vornehmlich auf kleinere Städte, keine Metropolen. Das Fraunhofer IOSB-INA suche digitale Lösungen für die Alltagsprobleme in der Stadt, fokussiert eben auf den Bedarf von Mittelstädten.

Wie funktioniert das neue System?

Jens-Peter Seick vom Fraunhofer Institutsteil für industrielle Automation referiert im Steinheimer Stadtrat. - © Madita Schellenberg
Jens-Peter Seick vom Fraunhofer Institutsteil für industrielle Automation referiert im Steinheimer Stadtrat. | © Madita Schellenberg

Durch Technologie soll nun ein Infosystem aufgebaut werden, das dann in der Folge zu einem Warnsystem ausgebaut werden kann. Geplant ist, Batterie-betriebene Sensoren zu installieren – und zwar etwas von Steinheim entfernt, flussaufwärts gelegen. „Um eine gewisse Vorwarnzeit gewähren zu können“, so Seick.

Ein derartiger Sensor sendet Ultraschallwellen aus und misst über die Reflexion der Ultraschallwellen auf der Oberfläche des Wassers sowie der Zeit, die die Wellen brauchen, um zurückzukommen, den Abstand, den der Sensor zur Wasseroberfläche hat. So einen Pegel zu errechnen, sei auch bei unruhigem Wasser möglich.

„Daraus können dann tatsächliche Hochwasserwellen sensorisch erfasst werden“, so Seick, „was mit der Höhe des Wassers und der Geschwindigkeit der Wellen Aufschluss darüber gibt, was dann zeitnah in Steinheim passieren wird“.

Auch für andere Städte

Ein entsprechendes Kommunikationsnetz soll aufgebaut werden, an das auch die Pegelsensoren angebunden werden. Alle Daten werden an die bereits bestehende Datenplattform des Fraunhofer IOSB-INA übermittelt.

„Wir werden diese Plattform verwenden, um diese Daten entgegen zu nehmen, über Anwendungen werden wir Auswertungen durchführen und auf einem Dashboard werden wir diese Daten entsprechend anzeigen“, erklärt Seick.

Das Dashboard soll sowohl per PC, Tablet als auch mit dem Smartphone nutzbar sein. So lassen sich die Daten beispielsweise auch gut mit Wetterdaten des Deutschen Wetterdienstes zusammenbringen und „mit allem, was gemessen werden und möglicherweise zu einem hohen Pegelstand beitragen kann“, so Seick.

Die Vorgehensweise beim Projekt soll interaktiv gestaltet werden: „Wir wollen mit der Stadtverwaltung, betroffenen und interessierten Anwohnern sowie der Feuerwehr besprechen, welche Daten relevant sind und wie sie dargestellt werden sollen“, sagt Seick.

Das alles sei nur ein erster Schritt – anschließend wolle das Forschungsinstitut Erweiterungen des Systems konzipieren. Dabei ist dann nicht unbedingt nur die Stadt Steinheim gefragt.

Denn: „Auch andere Kommunen an der Emmer sollten Interesse haben, miteinzusteigen“, so Torke. Und: „Wir haben dann ein System, das sich nicht nur auf die Emmer anwenden lässt“, so Seick. Ein erster Entwurf soll im Sommer fertig sein.