Vinsebecker Weihnachtslieder für daheim statt für die Kirche

Steinheim-Vinsebeck. Florian Timm hat sie – lang, lang ist’s her – ganz hinten in seinem Gesangbuch gefunden. Eingeklebt. Die vier Vinsebecker Weihnachtslieder. In der Kirche werden die Lieder schon länger nicht mehr gesungen. Damit sie aber nicht in Vergessenheit geraten, hat der Schlagersänger mit Vinsebecker Wurzeln eine CD aufgenommen, auf der alle vier Stücke jeweils als Instrumentalversion und gesungen zu hören sind. Die CDs gibt es beim Dorfbäcker, im Booklet können Interessierte nachlesen, wie die besonderen Lieder entstanden sind. Der 24-Jährige, der außerdem als Pädagoge an der Von-Galen-Schule in Brakel-Frohnhausen arbeitet, ist eigentlich für den &bdquo;Sommer unseres Lebens" bekannt. Jetzt schlägt er besinnlichere, winterliche Töne an. &bdquo;Schönstes Kindlein", &bdquo;Zur Krippe will ich treten", &bdquo;Göttlich Kindlein in der Krippe" und &bdquo;O, wie ruhst du hold und warm" heißen die vier Vinsebecker Weihnachtslieder. Das Problem: &bdquo;Im Gesangbuch gibt es nur den Text, keine Melodien", berichtet Timm. Die Noten, handgeschrieben, fanden sich schließlich in einem Archiv. Trotzdem brauchte der gebürtige Vinsebecker professionelle Hilfe. &bdquo;Als ich im Studio war, hatte ich meine Oma am Telefon, die kennt die Lieder alle auswendig. Wenn wir mal nicht sicher waren, ob die eine oder die andere Note gemeint ist, haben wir ihr beides vorgespielt und sie wusste dann, welche die richtige ist." Komplettiert wird die Musik-CD durch den Weihnachts-Klassiker &bdquo;Stille Nacht, Heilige Nacht". Viel ist zu der Geschichte der Vinsebecker Weihnachtslieder gar nicht bekannt. Die Küsterin Alexandra Kleine hat für das CD-Projekt einiges recherchiert, wie Timm berichtet. All diese Informationen finden sich in dem Büchlein, das der CD beiliegt. &bdquo;Nach vielen Gesprächen mit älteren Gemeindemitgliedern soll ein Lehrer Mertens, der in Vinsebeck früher Küster, Organist und Sparkassen-Rendant war, zusammen mit Pastor Jungmann (1904 bis 1936) die Noten festgehalten und später noch Pastor Molitor (1941 bis 1950) nach mündlicher Überlieferungen die Texte aufgeschrieben haben." Ursprungsjahr oder gar Urheber der Lieder konnte sie den Informationen zufolge jedoch nicht ausfindig machen. Ausnahme: Das Lied &bdquo;O, wie ruhst du hold und schön": &bdquo;Alle Spuren führen nach Nieder-Ohmen als Ursprungsort. Hier war von 1873 bis 1887 Friedrich Gedeckter Kaplan und Pfarrverwalter. Er soll das Lied aus Mainz mitgebracht beziehungsweise selbst verfasst haben, wie der Nieder-Ohmer Orgelbauer und Heimatkenner Erich Breitmann weiß." Nieder-Ohmen ist ein 2.400-Seelen-Dorf, das zu der Gemeinde Mücke (Vogelsbergkreis, Nordhessen) gehört. "Ein historisches Gut" Timms Lieblingslied wäre eigentlich, zumindest von der Melodie her &bdquo;Zur Krippe will ich treten", weil aber seine Mutter &bdquo;Schönstes Kindlein" so gerne habe, entscheidet er sich dafür. &bdquo;Eigene Weihnachtslieder in der Gemeinde zu haben ist ein historisches Gut, welches meiner Meinung nach nicht in Vergessenheit geraten darf." In der Kirche würden die Lieder nicht mehr gesungen, sagt Timm. &bdquo;Die Pastöre sind heute in so vielen Gemeinden unterwegs, erst in Sandebeck, dann in Vinsebeck, da haben die das, glaube ich, nicht mehr so auf dem Schirm wie die alteingesessenen Pastöre es früher vielleicht hatten", vermutet Timm. &bdquo;Als Vinsebecker Junge war es für mich persönlich eine Herzensangelegenheit, dieses Projekt in die Hand zu nehmen und es zu verwirklichen." Das Coronavirus hat die Entscheidung bestärkt. Da es mit Auftritten und Umherreisen ohnehin schwierig war, habe er sich für ein &bdquo;heimatverbundenes Projekt" entschieden. Gemeinsam mit dem Heimatverein Vinsebeck und durch die Unterstützung vieler Vereine und der Vereinigten Volksbank, mit Produzent Benjamin Brümmern (Atlaswerk Studios Paderborn) sind so 500 CDs entstanden, die in der Bäckerei Seidensticker und bei der Familie Stratmann für je 12 Euro zum Verkauf stehen. &bdquo;Einfach eine tolle Story, von der ich Anfang des Jahres nicht gedacht hätte, dass wir sie heute so erzählen können." Die Frage, ob die CD auch von der Stadt unterstützt wird, wurde Ende vergangener Woche von der Tagesordnung des Bezirksausschusses genommen: Der Heimatverein als Antragsteller hatte den Antrag zurückgezogen, weil das Projekt bereits von genug Spendern unterstützt worden war und weiteres Geld von der Gemeinde daher nicht gebraucht wurde.

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