Bürgermeister erteilt Luftfiltern an Nieheimer Schulen eine Absage

Nieheim. Finanziell sind es in Nieheim - freundlich ausgedrückt - düster aus. Das zeigte nicht nur bereits der städtische Haushalt (Nieheim kalkuliert mit Rekord-Aufwendungen von mehr als 15 Millionen Euro, einem Minus von knapp einer Million Euro, wobei die Rücklage bereits seit 2017 aufgebraucht ist). Und das wird auch jetzt in einem Elternbrief deutlich, in dem Bürgermeister Johannes Schlütz wortreich erklärt, warum die Stadt keine Luftfilter für die beiden Schulen anschaffen kann. In Marienmünster atmen die Grundschulkinder im Unterricht seit August durch. Im Gegensatz zu den mobilen Lüftern versorgen die weißen Blechkästen, die in den Klassenzimmern unter der Decke hängen, permanent mit Frischluft. Das kostet. In Marienmünsters Fall 98.000 Euro für sieben Anlagen. 20 Prozent Förderung gab es dazu. Das war Mitte August. Nordwestlich davon, in Steinheim, fiel Ende August im Bau- und Planungsausschuss die Entscheidung, erst einmal Fördermittel beantragen zu wollen. "Das ist eine tolle Botschaft an die Kinder und Jugendlichen", sagte Bürgermeister Carsten Torke damals. Auch in Willebadessen hat die Stadt auf Antrag der CDU-Fraktion beschlossen, Geld für die Raumluftreinigung in die Hand zu nehmen. 120.000 Euro hat es sich die Stadt kosten lassen, um die St.-Nikolaus-Grundschule in Peckelsheim und die Grundschule an den Sieben Quellen in Willebadessen auszustatten, sagt der stellvertretende Bürgermeister Hubert Gockeln. Stückpreis der Geräte: rund 3.000 Euro. "Der Schutz der Kinder hat für uns Vorrang. Er darf nicht am fehlenden Geld scheitern." Nach Schulinvestitionen ist kein Geld mehr da Und jetzt Nieheim. "In der Stadtverwaltung haben wir uns bereits seit November 2020 eingehend mit dem Thema auseinandergesetzt", schreibt Rathauschef Schlütz. Und er als Dreifachvater habe "vollstes Verständnis" für die Sorgen der Eltern. Allerdings darf die Ackerbürgerstadt in Sachen mobilen Luftfiltern nicht auf Zuschüsse vom Land Nordrhein-Westfalen hoffen. Denn gefördert werden nur Klassenzimmer einer bestimmten Kategorie. "Das sind Räume mit eingeschränkter Lüftungsmöglichkeit, die keine raumlufttechnische Anlage besitzen oder in denen die Fenster nur kippbar sind oder es nur Lüftungsklappen mit minimalem Querschnitt gibt." So sieht es in den Nieheimer Schulen jedoch nicht aus. "Die Stadt Nieheim hat in einem finanziellen Kraftakt in den Jahren 2016 und 2017 die Katholische Grundschule sowie 2019 und 2020 die Peter-Hille-Schule für jeweils circa fünf Millionen Euro vollständig saniert und so ein modernes Bildungszentrum geschaffen", skizziert Johannes Schlütz. In allen Räumen sei auf eine ausreichende natürliche Belüftungsfunktion während des Unterrichtes geachtet worden. Ohne Förderung würden Lüftungsanlagen die Stadt Nieheim 175.000 Euro kosten. Laut Umweltbundesamt kostet ein Gerät zwischen 1.000 und 3.000 Euro. Aber ums Geld geht es der Stadt Nieheim an der Stelle eigentlich nicht, schreibt Schlütz: "Noch schwerer wiegt jedoch, dass eine solche Investition mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht nachhaltig ist, da sie das eigentliche Problem nicht löst und bessere Alternativen immer sichtbarer werden." Vorgeschriebenes Lüften Mobile Luftfilter sollen Aerosole aus der Raumluft entfernen. Für einen generellen Luftaustausch sorgen sie allerdings nicht. Das heißt: Gelüftet werden muss trotzdem. Und zwar in den "vom Land vorgegebenen Intervallen", schreibt Schlütz. Das Land in der CoronaBetrVO (Corona-Betreuungsverordnung) dazu: "Soweit ergänzend eine Luftfilteranlage eingesetzt wird, die eine Reduzierung der Virenlast unter Berücksichtigung der Raumgröße und Personenzahl sicherstellt, kann dies bei der Bemessung von Lüftungsintervallen berücksichtigt werden." Vorgegeben werden Intervalle dort nicht. "Um sich vor infektiösen Partikeln zu schützen, sollte pro Stunde ein dreifacher Luftwechsel erfolgen", schreibt das Bundesumweltamt. "Das bedeutet, dass die Raumluft dreimal pro Stunde komplett gegen Frischluft von außen ausgetauscht wird. Dies wird idealerweise wie folgt erreicht: Während des Unterrichts wird alle 20 Minuten mit weit geöffneten Fenstern gelüftet. Alle Fenster müssen weit geöffnet werden (Stoßlüften). Je größer die Temperaturdifferenz zwischen innen und außen ist, desto effektiver ist das Lüften. Daher ist bei kalten Außentemperaturen im Winter ein Lüften von circa drei bis fünf Minuten ausreichend." Wer sich daran hält, den könnte es im Winter durchaus frösteln. Schlütz zweifelt jedoch auch den Nutzen der Anlagen an und beruft sich dabei unter anderem auf ein Interview, das der Hochschuldozent mit Schwerpunkt unter anderem auf Emissionen verschiedenster Art, Thomas Steffen, der taz gegeben hat. Einen Ausschnitt davon schickt Schlütz mit. "Mein Kollege (...) und ich haben (...) herausgefunden, dass ein leistungsstarker Luftreiniger sogar kontraproduktiv sein kann", sagt Steffen in diesem Rahmen. Zusammengefasst liegt das daran, dass die Geräte laut sind. Lehrkraft und Kinder somit gegen den Lüfter anreden müssen und dabei mehr Aerosole ausatmen. Zumindest argumentiert Steffen so. Etwas wurde dann doch angeschafft Hubert Gockeln hingegen sieht die Wirksamkeit der Geräte als erwiesen an. In der Zeit, als Willebadessen mit auffallend hohen Inzidenzen von sich reden machte, habe es in den Schulen der Stadt nur sehr wenige Infektionsfälle gegeben. Und wenn, hätten sich die Kinder im häuslichen Umfeld angesteckt, nicht in den Schulen. "Das kommt ja auch nicht von ungefähr." Die Stadt Nieheim hat sich gegen mobile Luftfilter entschieden. "Wenn Sie die Geschehnisse im Detail betrachten, werden Sie auch feststellen, dass wir als Schulträger mit dieser Entscheidung nicht allein dastehen, sondern zur überwiegenden Mehrheit der Gemeinden auch im Kreis Höxter gehören, die in diesem Punkt bisher gleichgerichtet gehandelt haben", schreibt Schlütz den Eltern. Und etwas angeschafft hat die Stadt Nieheim dann doch: CO2-Messgeräte, die Anhalt geben, wann gelüftet werden muss.

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