SPD-Chef im Kreis Höxter steckt hohe Ziele

Herr Lensdorf, bundesweit schlechte Umfragewerte für die Sozialdemokratie, irrlichternde SPD-Altvorsitzende, öffentlich ausgetragener Streit bei der Kandidatenaufstellung im Kreis. Warum tun Sie sich die ehrenamtliche Aufgabe des SPD-Kreisvorsitzes immer noch an?Helmut Lensdorf: Weil wir ein gutes, generationenübergreifendes Team haben, das im Kreis Höxter eine Menge bewegen kann und will. Die sozialdemokratische Idee ist heute wichtiger den je. Wir sind hoch motiviert und die politische Arbeit macht auch Spaß. Und ganz persönlich?Lensdorf: Ich bin ein durch und durch politischer Mensch. Mein Elternhaus war sehr politisch. Mein Vater hat jeden Tag mit uns über Politik gesprochen, da kam man gar nicht dran vorbei. Inzwischen engagieren sich auch zwei meiner Kinder politisch im Kreis Höxter. Fehlt diese Diskussion heute in den Elternhäusern?Lensdorf: Unsere Jusos vermitteln uns das Bild, dass durchaus noch über Politik gesprochen wird. Ich glaube aber anders als früher. Es wird nicht mehr so parteiorientiert diskutiert. Aber das Thema Klimawandel hat eine junge Generation auf die Straße getrieben. Sie äußern sich anders. Neue politische Strukturen Wozu brauchen wird dann die SPD noch? Lensdorf: Politik wird sich verändern, das ist in vielen Ländern zu beobachten. Die Parteizugehörigkeit spielt eine geringere Rolle. Die Strukturen werden sich verändern. Politik wird projektbezogener werden. Unsere Aufgabe ist es, sich dafür zu öffnen. Zunächst ein kurzer Blick über den Tellerrand. Wie bewerten Sie die aktuelle Situation der Sozialdemokratie im Bund?Lensdorf: Die gute Arbeit, die die SPD in der Großen Koalition leistet und die vielfältigen Bemühungen um eine Neuausrichtung werden derzeit von den Wählern nicht honoriert. Woran das liegt, ist mir nicht ganz klar. Das Überthema im vergangenen Jahr war der Klimawandel, wovon die Grünen stark profitiert haben. Aber auch dieser Trend flacht schon wieder ab. In der Corona-Krise hat die Kanzlerin noch mal ihr Schwergewicht reingeworfen, was der CDU zugerechnet wird. Aber die SPD regiert doch mit...Lensdorf: Richtig. Aber es ist immer wieder zu beobachten, dass der kleinere Partner in Koalitionen nicht profitieren kann. Wir dürfen aber nicht vergessen, wie schwierig die Regierungsbildung damals war. Die Sozialdemokraten sind vor der Verantwortung nicht weggelaufen. Man muss immer mal wieder daran erinnern, wer damals geflohen ist: die FDP. SPD will lebendige Politik machen Im Kreis Höxter sind Sie an verantwortlicher Position. Sie haben vor gut anderthalb Jahren im Gespräch zum Amtsantritt als SPD-Kreisvorsitzender ihrer Partei eine gute Zukunft vorausgesagt. Glauben Sie immer noch daran? Lensdorf: Auf jeden Fall. Wir haben das erreicht, was wir uns vorgenommen haben. Wir haben ein Mehrgenerationen-Team, in dem sich auch junge Leute an verantwortlichen Stellen engagieren und das jetzt gemeinsam den Kommunalwahlkampf gestaltet. Es macht Spaß mit jungen Leuten zusammenzuarbeiten. Sie bringen die Dynamik und viele gute Ideen mit. Die Älteren ergänzen und bringen ihre Erfahrungen ein, um die Ideen gemeinsam umzusetzen. Darauf können sich die Bürgerinnen und Bürger im Kreis Höxter in den nächsten Jahren freuen. Wir stehen für eine schöne, lebendige Politik im positiven Sinne. Der Erneuerungsprozess hat in den vergangenen Wochen allerdings auch zu großen innerparteilichen Reibungen bis hin einem zu öffentlichkeitswirksam dargestellten Parteiaustritt geführt. Sie haben schon Ende 2018 angekündigt, das Platzhirschmentalität in der SPD im Kreis Höxter keinen Platz mehr hat und den aktuellen Streit schon im Voraus geahnt...Lensdorf: Für das Wort &bdquo;Platzhirschmentalität" habe ich sehr viel Kritik einstecken müssen. Das habe ich auch zurückgenommen. Aber es geht darum, dass wir auch junge, engagierten Leute einbinden wollen und auch auf die Frauenquote achten. Deshalb haben wir eben nicht die Kreistagsmitglieder gefragt, ob sie noch mal wollen. Das ist eine beliebte, aber undemokratische Frage. Wir haben es diesmal anders gemacht. Wir haben die Stadtverbände und Ortsvereine gefragt, wer sie im Kreistag vertreten soll. Unvermeidbare Konfrontation Warum ließ sich die Konfrontation mit altgedienten Genossen nicht vermeiden? Lensdorf: Der Prozess der Einbindung von mehr jungen Leuten und Frauen wurde von einzelnen nicht unterstützt, andere haben sich schwer getan. Dennoch haben wir fast alle Vorschläge aus den Stadtverbänden und Ortsvereinen umgesetzt. Manchmal waren auch schwierige Kompromisse notwendig, wie beispielsweise in Borgentreich: Hier kandidiert der langjährige SPD-Fraktionsvorsitzende im Kreistag Andreas Suermann zugunsten von Marcel Franzmann nicht mehr. Wir möchten aber auf die Erfahrung und Expertise von Andreas Suermann nicht verzichten, weshalb der die SPD im Kreis Höxter im LWL-Landschaftsverband vertreten soll. Im Fall von Steinheim kam es zum öffentlichen Streit... Lensdorf: Wir haben auch in Steinheim zwei der drei Vorschläge aus den dortigen Ortsvereinen umgesetzt. Mit dem öffentlichen Streit musste ich rechnen und es hat in der Form auch wehgetan. Es tut mir auch leid, dass es so passiert ist und natürlich ärgere ich mich über diese Schlagzeilen. Allerdings haben wir in diesem Moment von vielen Seiten auch außerhalb der Partei viel Zustimmung erfahren mit der Bitte, sich nicht beirren zu lassen. Übrigens sind solche Entwicklungen kein Politik-spezifisches Phänomen. Es kommt auch in Unternehmen vor, dass Konflikte mit Heftigkeit ausgetragen werden. Woran arbeitet die SPD aktuell?Lensdorf: Wir wollen die SPD-Stadtverbände und Ortsvereine noch näher zusammenführen. Das ist im digitalen Zeitalter heute leichter den je. Von der engeren Zusammenarbeit sollen alle profitieren. Auf diesem Weg sind wir schon ein Stück vorangekommen, aber noch längst nicht am Ziel. Da wächst etwas zusammen. Damit bin ich sehr zufrieden. Und thematisch? Lensdorf: Wir haben uns auf den Kommunalwahlkampf inhaltlich sehr gut vorbereitet und verfolgen einen völlig neuen Ansatz. Wir setzen nicht einfach auf nur Wirtschaftsförderung oder Programme für Familien, sondern entwickeln politische Ideen aus der Lebenssituation der Menschen heraus, speziell der Familien. Modell 3-B-Haus Das heißt konkret? Lensdorf: Wir haben uns gefragt: Vor welchen Herausforderungen stehen die Familien im Kreis Höxter aktuell? Mit welchen Situationen müssen sie klarkommen. Daraus haben wir bereits im vergangenen Jahr das 3-B-Haus entwickelt: Bildung, Beruf und Betreuung – das müssen die Familien heute leisten. Oftmals zeitgleich. In diesen Bereichen sollten wir die Familien viel deutlicher als bisher unterstützen und Hilfestellung leisten. Wie kann diese aussehen?Lensdorf: Wir haben in den Städten eine Menge Projekte entwickelt, wie sich das praktisch umsetzen lässt. Dies wollen die Stadtverbände in den kommenden Wochen vorstellen, dem möchte ich nicht vorgreifen. Dabei geht es beispielsweise um Co-Working und Homeoffice. Damit lassen sich Arbeitsplätze wieder zurück in den Kreis Höxter holen, die in früheren Jahrzehnten abgewandert sind. Wir haben hier im Kreis Höxter nicht viele große Unternehmen als Arbeitgeber. Aber wir hoffen, mit diesem Konzept werden wir auch für große Arbeitgeber interessant – dass sie hier im Kreis Höxter ihre guten Mitarbeiter suchen und finden, ohne dass diese wegen des Berufs hier wegziehen müssen. Wir müssen es schaffen, dass die Menschen gute Jobs haben und gleichzeitig dort leben können, wo sie gerne leben. Nämlich hier im Kreis Höxter. Ist das realistisch? Lensdorf: Das ist vor allem eine wichtige Perspektive gerade für junge Leute. Solche Ideen, aus der Mitte der Gesellschaft kommen zustande, wenn wir mit jungen Leuten ins Gespräch kommen und sie ernst nehmen. Wir müssen davon wegkommen, irgendwelche abstrakten Konzepte zu entwickeln, die sich nach Förderprogrammen richten. Wir müssen in Zukunft mehr danach schauen, was wir im Kreis Höxter wirklich brauchen und nicht zuerst, wofür es möglicherweise Fördergelder gibt. Welche weiteren Schwerpunkte setzen die Sozialdemokraten vor Ort? Lensdorf: Eine weitere Initiative ist das Vorhaben &bdquo;für jedes Kind ein Instrument". Dabei wollen wir im Kreis Höxter mit den Vereinen zusammenarbeiten. Wir möchten, dass jedes Kind, das möchte, auch ein Instrument lernen kann, unabhängig davon, ob sich die Eltern das leisten können. So ist es auch im Bereich Sport. Hier gilt entsprechend das Motto: jedem Kind seine Sportart. Das hilft nicht nur den Kindern im Sinne der Integration, Inklusion und Lernfähigkeit, sondern ist auch eine Unterstützung für unsere Vereine. Was erwarten Sie für die SPD bei der Kommunalwahl Mitte September?Lensdorf: Die SPD im Kreis Höxter ist auf einem guten Weg, wir sind gut vorbereitet. Die Zukunft hält sich allerdings nicht immer an Wahltermine. Die Ergebnisse hängen auch immer von externen Bedingungen ab. Ich glaube, wir haben gute Chancen, weil wir gute Arbeit geleistet haben. Das müssen die anderen Parteien erst noch leisten. Frauenquote Was meinen Sie damit?Lensdorf: Ein Beispiel. Die CDU hat erst kürzlich einen Vorstandsbeschluss zu einer Frauenquote getroffen, den sie dann vielleicht bis 2025 umsetzen wollen. Und dann Blicken wir auf Marienmünster. Hier sind zehn der zehn Kandidaten für den Rat männlich. Wir haben uns im Kreis Höxter für den Aufbruch entschieden und sind hier viel weiter. Schaffen Sie die 50-Prozent-Quote für Kreistagsmitglieder der SPD, die sie sich bei ihrem Antritt als SPD-Kreisvorsitzender selbst gesetzt haben?Lensdorf: Das Ziel ist da, aber vielleicht bekommen wir es diesmal nicht ganz hin. Je mehr Wählerstimmen wir erhalten, desto näher kommen wir der 50-Prozent-Marke. 40 Prozent Frauenanteil werden wir diesmal aber schaffen. Wir haben auf den Listen-Plätzen 1 bis 8 immerhin 50 Prozent Frauenanteil. Welche Rolle spielt die Corona-Krise im aktuellen Kommunalwahlkampf?Lensdorf: Die Corona-Krise hat die ganzen Planungen für die Kommunalwahl erheblich durcheinandergeworfen. Das gilt sicherlich für alle Parteien und Wählergemeinschaften. Gerade in dieser wichtigen Zeit im März und April, wo man sich sortiert und Kandidatinnen und Kandidaten aufstellen und die notwendigen förmlichen Versammlungen abhalten will, ist der innerparteiliche Prozess völlig in Schieflage geraten. Man kann nicht vom einen auf den anderen Moment auf Videokonferenzen umschalten, sondern musste sich erst einmal neu sortieren. Es wurde zwischenzeitlich ja auch ein neuer Wahltermin diskutiert. Das hat enorm an Schwung genommen und den mussten wir uns mühsam neu erarbeiten. Birgt das aber nicht auch Chancen für eine neue Art von Wahlkampf?Lensdorf: Ja natürlich. Wir sind im Social-Media-Bereich inzwischen sehr aktiv und haben dafür ein gutes Beraterteam. Bei der Kommunalwahl im Kreis Höxter erreichte die SPD 2014 25,3 Prozent. Welches Ziel haben Sie für den kommenden September?Lensdorf: Wir wollen zulegen.

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