Demos und Kundgebungen: Wie retten wir die Demokratie im Kreis Höxter?

Kreis Höxter. Da war doch was: Wieder gehen in Deutschland Hunderttausende Menschen auf die Straße, weil sie die Demokratie in Gefahr sehen. Ist es dieses Mal das Abstimmungsverhalten von CDU und FDP, die im Bundestag einen Antrag nur mit Hilfe der AfD durchbrachten, waren es vor einem Jahr die Rechtspopulisten und Rechtsextremisten selbst, die bei geheimen Treffen ihre wahre Demokratie- und Ausländerfeindlichkeit offenbarten. Motivierende Rekordzahlen Gegen zunehmenden Hass und Hetze sowie den Versuch, die Gesellschaft auf Kosten Geflüchteter, aber auch der Umwelt zu spalten, gingen vor einem Jahr auch viele Menschen im Kreis Höxter auf die Straße. Zuerst in Warburg – wo sich unter dem Motto, &bdquo;Warburg ist bunt“ immerhin gut 2.000 Teilnehmer versammelten. Zeitgleich in Bad Driburg. In Marienmünster wurde ein Fest der Demokratie gefeiert – mit immerhin 150 Menschen. &bdquo;Das sind Rekordzahlen, die das ganze Jahr über motivieren“, sagt Helmut Lensdorf. Die Höxteraner demonstrierten zuerst in Holzminden mit, später organisierten sie ihre eigenen Demos. Jüngst gab es eine Mahnwache am jüdischen Friedhof. Zeichen für Demokratie wurden unter anderem auch aus Brakel gesendet. Selten waren so viele Menschen im Kreis Höxter auf die Straße gegangen. Sie wollten ein Zeichen setzen, dass es so nicht weitergehen kann. Mühsame Arbeit In den Monaten danach ist es in der Region deutlich ruhiger geworden. Ist den Menschen, die sich im vergangenen Jahr so vehement für die Demokratie in unserem Land eingesetzt haben, die Puste ausgegangen? Keinesfalls, widersprechen Nora Wieners und Helmut Lensdorf, die mit vielen anderen gemeinsam die Demos und Feste organisiert haben. Lesen Sie auch: Vier Demos an einem Tag: Tausende Teilnehmer gehen im Kreis Höxter auf die Straße Sie räumen aber ein, dass die vielen Aktivitäten, die es von verschiedenen Gruppen im Kreis Höxter gibt, nicht mehr so stark wahrgenommen werden. &bdquo;Vieles passiert unter der Oberfläche“, sagt Lensdorf, der sich aus einer tiefen Überzeugung seit Jahrzehnten für eine demokratische Gesellschaft engagiert. Irgendwie auch verständlich, sagt er. Der Kampf für die Demokratie sei kein Sprint, sondern ein Marathonlauf. Und wenn man erst einmal im Ziel sei, gehe er von vorn los. Mühsam, beschwerlich, kräftezehrend – andererseits motiviere es, wenn, wie in Warburg oder Höxter, die Menschen am Ball bleiben. Städte strahlen gegen Rechts Beispiel Höxter. Hier trifft sich die Gruppe, &bdquo;Höxter ist bunt“, in der sich unter anderem Zonta, die Kirchen, die &bdquo;Omas gegen Rechts“, Wohlfahrtsverbände, Einzelpersonen, die Grünen und die SPD engagieren, einmal im Monat, um neue Aktionen zu planen. &bdquo;Wir strahlen gegen Rechts“ beispielsweise, die Zonta vergangene Woche startete. Dabei sind neben Höxter auch die Städte Nieheim, Warburg, Bad Driburg und Holzminden. Auch interessant: Termin steht: Wann Warburg wieder das beliebte &bdquo;Bunte Fest“ feiert Die Botschaft ist unübersehbar: Hass und Hetze haben hier keinen Platz, Vielfalt und Demokratie hingegen schon. Besonders bemerkenswert: Die Plakate leuchten auch im Dunkeln und setzen so buchstäblich ein Licht gegen Dunkelheit und Ausgrenzung. Viele Institutionen und Geschäftsleute unterstützen das Projekt. Es passiert aber noch viel mehr. In Warburg beispielsweise gibt es die Partnerschaft für Demokratie. Ein riesiges Demokratiefest wurde in der Bördestadt im vergangenen Jahr organisiert, aber auch kleine Gesprächskreise, Graffiti-Aktionen und Konzerte. Ein anderes Angebot der Diakonie beschäftigte sich mit der Frage: Wie gehe ich mit dem AfD-Sprech um? Und erst Anfang Februar trafen sie wieder Engagierte, um Aktionen für dieses Jahr zu planen. Aber reicht das alles aus, um die Demokratie zu retten? Immerhin geben im Umfragen inzwischen rund 20 Prozent der Bundesbürger an, ihr Kreuzchen bei der in Teilen rechtsextremistischen AfD machen zu wollen. Auch sehr viele junge Menschen. &bdquo;Das bedeutet, dass jeder Fünfte die AfD wählen will. Das ist eine politische Meinung und Haltung, die schwierig und demokratiegefährdend ist“, erklärt Nora Wieners. Das passt zum Thema: Aktion im Kreis Höxter soll Demokratie aufleuchten lassen Gejagt fühle sie sich aber nicht, sagt die Warburgerin mit Blick auf den Gauland-Spruch gegenüber etablierten Parteien: &bdquo;Wir werden sie jagen.“ Aber die Demokratie müsse verteidigt werden. Und das gehe am besten, wenn man ihre Vorteile gegenüber Diktaturen herausstellt und immer mehr Menschen aktiviert, für die Demokratie auch einzustehen. &bdquo;Das Wichtigste ist, dass wir Begegnungsräume schaffen, dass sich Bürger, die Demokratinnen und Demokraten sind, nicht allein fühlen, sondern sehen, hier sind viele Leute, die für dasselbe einstehen.“ Die Demokratie zukunftsfähig zu machen, sei unbequem und stelle sie auf die Probe. &bdquo;Aber im besten Fall halten wir durch und gehen gestärkt da raus.“ Denn Lensdorf räumt ein, dass bei den Treffen, die er eingangs erwähnt hat, auch mal Dampf abgelassen wird. &bdquo;Weil es auch Tage gibt, die frustrierend sind.“ Zum Beispiel, wenn es wieder Landtagswahl-Ergebnisse gibt, bei denen Rechtsextremisten und Rechtspopulisten wieder zugelegt haben. Oder wenn weniger Menschen zu Veranstaltungen kommen als erhofft. Reale Gefahr für Menschen Dabei sei die Gefahr sehr real, sagt Wieners. Denn der grundgesetzlich festgeschriebene Konsens, &bdquo;dass wir niemanden aufgrund seiner Herkunft, seines Geschlechts oder seiner Religion diskriminieren, ein Konsens auf den wir stolz waren“ werde immer mehr infrage gestellt. &bdquo;Und nun gibt es Parteien, die partout dagegen wirken, die Unterschiede aufzeigen wollen, wo es keine gibt. Nur, damit man gegeneinander hetzen und ausgrenzen kann. Damit wir wieder eine Mentalität haben – die einen über die anderen.“ Dabei, so sagt sie, sollten wir doch aus unserer Geschichte gelernt haben. Wirklich entmutigen lassen sich die Engagierten davon aber nicht. &bdquo;Das sind Etappen. Und es wird immer wieder Rückschläge geben. Aber über den langen Weg sind wir im vergangenen Jahr riesige Schritte vorangekommen“, versucht der Kollerbecker eine optimistische Sichtweise hereinzubringen. Denn Treffen vieler Bürger, die außerhalb der städtischen Gremien parteiübergreifend oder parteilos für die Demokratie aktiv eintreten, habe es vorher im Kreis Höxter nicht gegeben. Herausfordernd für Parteien Die SPD, dessen Vorsitzende Lensdorf und Wieners im Kreis Höxter sind, – wie auch andere demokratische Parteien – unterstützen das Engagement, aber: Es gehe hier nicht um Parteipolitik und keinesfalls sollen die Aktionen parteipolitisch vereinnahmt werden. &bdquo;Da tritt die SPD gern ein Stück zurück.“ Gleichwohl weist Lensdorf darauf hin, dass auch die Arbeit der demokratischen Parteien ein wichtiger Teil der Demokratie sei. Sie müssten es den Menschen aber einfacher machen – durch gute Politik (Wieners) und einfachere Sprache (Lensdorf) –, womit er ausdrücklich keine hohlen Parolen meint. &bdquo;Wenn man in die Räte geht, verselbstständigt sich die Sprache manchmal und wirkt ritualisiert. Das ist nicht wirklich eine Willkommenskultur, die da ausgestrahlt wird. Und da ist es egal, welchen Rat ich nehme.“ Daran könnten alle demokratischen Parteien noch mehr arbeiten. Ein Punkt, an dem Nora Wieners einhakt. Denn die Demokratie zu bewahren, heiße nicht nur, auf Demonstrationen für sie Gesicht zu zeigen, sondern auch, sie in den Orts- und Bezirksausschüssen, Stadträten und auf höherer Ebene zu gestalten. Dafür wolle sie werben. Gleichwohl müssten auch die Strukturen der Sitzungen – wie Zeitpunkt, Länge und Anzahl – hinterfragt werden. Und die Nachwuchsarbeit der Parteien. Geben sie Menschen mit frischen Ideen eine Chance, oder setzen sie zu sehr auf den Ratsherrn, der seinen Sitz seit 30 Jahren gepachtet zu haben scheint? Wenn die Bundespolitik nervt Und dann brauche es natürlich eine gute Politik, die die Menschen erreicht. Veränderungen müssten ankommen und gut kommuniziert werden, sagt die SPD-Politikerin. Dass da die aktuelle Bundesregierung keine perfekte Performance abgeliefert hat, räumt Helmut Lensdorf ein. &bdquo;Selbst bei guten Inhalten war sie in der Darstellung oft total sch. . . Und das nervt auch.“ Viel Organisationszwang, der völlig überdecke, dass viele fortschrittliche Gesetze verabschiedet worden sind. Er will aber gar nicht nach Berlin schauen oder in die USA, nach Österreich oder Italien, wo Autokraten und Rechtspopulisten an der Macht sind oder sie ergreifen wollen. &bdquo;Wenn ich jeden Abend mit den Gedanken daran ins Bett gehen würde, würde ich schlecht schlafen“, sagt Lensdorf. Für ihn gilt, sich auf den Kreis Höxter zu konzentrieren und hier zusammen mitanderen demokratischen Kräften und gesellschaftlich bunten Gruppen die Region voranzubringen: &bdquo;Wir bestellen unseren Garten – gesellschaftlich, politisch, kulturell, vielfältig.“ Und dabei werben sie für Ausdauer und einen langen Atem. Eben wie beim Marathon.

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