TH-Präsident im Interview: „Neue Pläne für Höxter entwickeln“

Höxter. Eine Indiskretion aus einer hochschulinternen Sitzung am Standort Höxter hat den Stein ins Rollen gebracht, bevor die Technische Hochschule OWL mit ihren Umstrukturierungsplänen überhaupt an die Öffentlichkeit gehen konnte. Es folgte ein Aufschrei des Protestes gegen eine mögliche Schließung an der Weser, Politik und Verwaltung im Kreis und in der Stadt Höxter meldeten sich zu Wort. Dann ein klares Signal aus Düsseldorf: Dieser Hochschulstandort Höxter steht nicht zur Disposition, teilt das Ministerium mit. Hochschulpräsident Prof. Jürgen Krahl sah sich unvermittelt im Mittelpunkt der Kritik. Doch was sagt er selbst dazu? Prof. Krahl, die Hochschule hat für kommendes Jahr den Beginn eines Umstrukturierungsprozesses ausgerufen. Wie hat das alles eigentlich angefangen? Prof. Jürgen Krahl: Kurz nachdem ich mein Amt in Lemgo angetreten habe, stand die Hochschule vor einem finanziellen Problem: Damals hatten wir zum Ende dieser Dekade ein prognostiziertes Defizit von circa 39 Millionen Euro. Von dem sind wir jetzt runter, aber es gibt immer noch ein Defizit von jährlich ca. 1,5 Millionen zum Ende 2025. Und man muss kein Prophet sein, um zu wissen: Das wird nicht einfacher. Der demografische Wandel wird durchschlagen. Darum haben wir 2022 begonnen, über eine Umstrukturierung nachzudenken. Wie funktioniert das? Der Präsident sagt, wo es lang geht? Schön wäre es (lacht). Nein, wir sind eine Räterepublik und nicht das Kaiserreich. Die Hochschule ist partizipatorisch strukturiert. Es hat immer wieder Sitzungen der Dekanate und der Dezernenten gegeben, also alle Führungspersonen waren beteiligt. Das waren jeweils Klausurtagungen, ein- beziehungsweise zweitägig. Also konnten sich alle einbringen? Ganz genau, das muss auch so sein. Die Fachbereichskonferenz berät dann den Senat und den Hochschulrat. Im Mai dieses Jahres war klar, dass es einen erheblichen Handlungsdruck gibt, vor allem mit Blick auf die Prognosen. Denn wir wissen: Die Ressourcen müssen den Köpfen folgen, wir sind gehalten, wirtschaftlich klug zu handeln, denn wir gehen mit öffentlichem Geld um. Woran haben Sie den Handlungsdruck festgemacht? Na ja. Zunächst mal ist ziemlich klar, was passiert, wenn man sich die Entwicklung der Grundschülerzahlen anschaut. Da wird deutlich, dass in den nächsten zehn Jahren alle Hochschulen im ganzen Land Probleme mit ihren Anmeldungszahlen bekommen werden. Und was haben Sie in Bezug auf Höxter festgestellt? Aktuell stehen rund 600 Studentinnen und Studenten 31,5 Professorinnen und Professoren gegenüber. Wobei, wir haben davon neun Professuren zurzeit gar nicht besetzt, und, so viel wissen wir auch schon, die Anmeldezahlen werden weiter rückläufig sein. Das heißt, für 19 Studierende steht etwa ein Professor zur Verfügung. Ist das bei den anderen Standorten auch so? Da haben wir ein ganz anderes Zahlenverhältnis, eher um die 32 zu 1. Aber vergessen Sie nicht: Ob ich eine Vorlesung für zwei oder für 30 Zuhörer vorbereite, ändert am Aufwand grundsätzlich nichts. Das heißt, die Kolleginnen und Kollegen am Standort Höxter rackern sich wirklich ab, aber sie werden einfach nicht durch steigende Anmeldezahlen belohnt. Das ist doch eigentlich verwunderlich, wir dachten, die Einführung so innovativer Studiengänge wie Precision Farming würde die jungen Leute anziehen. Das hatten wir ja auch gehofft, aber es hatte nicht die erwünschte Wirkung. Darum hoffen wir jetzt, dass wir mit einer standortübergreifenden Umstrukturierung etwas erreichen, die Studiengänge noch attraktiver machen. Wie ging es weiter, nachdem der Handlungsbedarf im Mai deutlich formuliert war? Im Sommer hat sich der Hochschulrat mit einem ersten Strukturänderungsvorschlag befasst und erhebliche Änderungswünsche geäußert. Dann haben wir im November einen weiterentwickelten Vorschlag vorgelegt, der einstimmig angenommen wurde. Der Senat hat ihn ebenfalls einstimmig bei zwei Enthaltungen nicht nur wohlwollend zur Kenntnis genommen, sondern gesagt: Das ist unser Weg als TH OWL. Das alles also hochschulintern ohne das Ministerium, wenn ich das richtig verstehe. Wobei die Ministerin ja auch deutlich gemacht hat, dass genau das so vorgesehen ist: Erst mal intern alles klären, dann Düsseldorf ins Boot holen. Haben Sie tatsächlich keinerlei Infos nach Düsseldorf gegeben? Die ganze Zeit war auch ein Vertreter des Ministeriums eingebunden. Er hat im Hochschulrat zwar kein Stimmrecht, aber er hat die Entwicklung direkt mitverfolgt. Nun wird Ihnen ja vorgeworfen, dass Sie diesen Strukturprozess begonnen haben, während eigentlich ja noch die Corvey-Studie auf dem Weg war, um den Standort attraktiver zu machen. Haben Sie ein doppeltes Spiel gespielt? Überhaupt nicht. Ich persönlich hätte mir Corvey sehr gut vorstellen können. Wir wollten ja gern das Thünen-Institut dort ansiedeln und in Kooperation die Hochschule weiterentwickeln. Bis klar war, dass unser aktueller Landwirtschaftsminister einen anderen Kurs einschlägt als seine Vorgängerin und das Thünen-Institut nicht kommen würde. Wir hatten dann gehofft, dass wir mit Bundesmitteln aus dem Denkmalschutz Corvey das Ganze auf die Beine stellen könnten. Doch auch das hat sich zerschlagen. Ja, als sich herausgestellt hat, dass wir über 250 Millionen Euro und zehn Jahre brauchen würden, um das zu verwirklichen. Das hätte dann in keinem Verhältnis zu einem möglichen Nutzen gestanden. Der Abschlussbericht der Corvey-Studie steht noch aus. Was wissen Sie bereits? Wie wird sich die Auslastung in Höxter entwickeln? Leider erwarten wir danach einstellige Studierendenzahlen, auch für neue, innovative Studiengänge. Das ist genau der Grund, warum wir an der Neustrukturierung festhalten. Die Standortfrage steht auf einem anderen Blatt. In dieser Frage wirft man Ihnen schlechte Kommunikation vor, die Höxteraner fühlen sich anscheinend hinters Licht geführt. Was sagen Sie dazu? Ich konnte definitiv nicht an die Öffentlichkeit gehen, bevor ich das Einvernehmen von Hochschulrat und Senat hatte. Denn die hätten mir das zu Recht um die Ohren gehauen. Ich habe mich an den Dienstweg gehalten. und wir sind als TH OWL übrigens auch nicht von uns aus an die Öffentlichkeit getreten. Gerade habe ich mich mit Ministerin Ina Brandes getroffen. Was sie beziehungsweise die Landesregierung über den Standort Höxter sagt, ist bereits kommuniziert: &bdquo;Wir spielen bei einer Schließung des Standortes nicht mit“, was bleibt dann für den Standort Höxter? Wir nehmen uns jetzt ein Jahr Zeit, um die Neustrukturierung auf den Weg zu bringen, dazu gehört auch die Raumfrage. Möglicherweise müssen wir in diesem Jahr ganz andere Pläne für Höxter dafür entwickeln, wie wir den Standort mit Leben füllen. Denn das ist eine Entscheidung, die allein bei der Hochschule liegt, das hat die Ministerin noch einmal bekräftigt. Was wären denn die Möglichkeiten? Julia Eisentraut, wissenschaftspolitische Sprecherin der Grünen, sagte im Pressegespräch, Sie könnten ja auch andere Fachbereiche nach Höxter verlegen, um die Auslastung dort zu verbessern. Wäre so etwas überhaupt eine Option? Nein, das klingt nur auf den ersten Blick gut. Aber: Studierende sind absolut keine Verschiebemasse. Sie orientieren sich am Gesamtangebot eines Standorts, der Wirtschaftsnähe und auch an der Erreichbarkeit. Das Beispiel Informatik – ein absoluter Zukunftsstudiengang – zeigt 2024 eine mehr als fünffach höhere Nachfrage in Lemgo als in Höxter! Auch die Strahlkraft des Innovation Campus Lemgo e.V., der enge Verbund von Wirtschaft, Handwerk und Bildung trägt dazu bei. Analoges gilt für den Kreativ Campus Detmold e.V.. Diesen engen Campus-Verbund gibt es in Höxter ja noch nicht. Warum nicht? Ich habe in Höxter eindringlich für die Entwicklung eines Sustainable Campus Höxter e.V. nach den Blaupausen aus Lemgo und Detmold geworben, aber die Resonanz war, gelinde gesagt, sehr verhalten. Das habe ich in Detmold und Lemgo anders erlebt. Was ist denn eigentlich mit der heimischen Wirtschaft im Kreis Höxter? Das ist in der Corvey-Studie abgefragt worden. Der Abschlussbericht ist noch nicht veröffentlicht. Vorab sind aber schon einige Ergebnisse in nichtöffentlicher Sitzung in den politischen Gremien vorgestellt worden. Ich kann nur sagen: Die Ergebnisse zeigen noch keine ausgeprägte Tendenz, sich am Campus engagieren zu wollen. Also was könnten Sie sich denn nun nach all dem für die Zukunft des Standortes Höxter vorstellen? Nun, beispielsweise könnten wir versuchen, hier ein Forschungsinstitut zu etablieren. Auch eine stärkere Kooperation mit den Berufskollegs wäre denkbar, vielleicht auch ein Sprachenzentrum für Studentinnen und Studenten aus ganz NRW oder ein Bereich für die akademische Weiterbildung. Das müssen wir im kommenden Jahr ausloten und entwickeln. Und im Januar wollen wir ein Gespräch mit der Höxteraner Politik vor Ort, da stimmen wir gerade einen passenden Termin ab. Nun haben wir immer noch kein deutliches Bekenntnis zum Standort Höxter aus Ihrem Mund gehört. Warum nicht? Weil das nicht notwendig ist. Wir halten uns selbstverständlich an die rechtlichen Vorgaben, und es ist unstrittig, dass die TH OWL drei im Hochschulgesetz genannte Standorte hat.

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