Schüsse am Neujahrsmorgen in Höxter: „Das hätte richtig gefährlich werden können“

Höxter. &bdquo;Wir haben die Leute wirklich nicht gesehen, es war eine unbeleuchtete Straße und am 2. Januar war Neumond, es war wirklich dunk-“ – &bdquo;Das mache ich so nicht mit“, fährt die Staatsanwältin dem Angeklagten in die Parade und holt, da sie sich offenbar nicht auf die Beweiskraft von Himmelskörpern verlassen möchte, zum Rundumschlag aus, &bdquo;das glaube ich nicht“. Sie blättert in ihrer Akte und zitiert aus Aussagen, die die Polizei aufgenommen hat. &bdquo;Wenn wir euch erkannt hätten, hätten wir nicht geschossen“, gibt sie wieder, was die Angeklagten zu den Zeugen im Nachgang der angeklagten Tat gesagt haben sollen. &bdquo;Dann muss ich die Zeugen hören“, fährt die Staatsanwältin fort, &bdquo;wenn sich das dann so ergibt, mag es so sein. Aber so geht es nicht“, sagt sie, wieder in Richtung Anklagebank. Rechtsanwalt Franz Stemmer nutzt ihre Atempause und fragt: &bdquo;Können wir unterbrechen vielleicht?“ Sie können – und dürfen. Was Gelegenheit gibt, darauf zu blicken, was sich bisher in Saal 1 des Amtsgerichts Höxter ereignet hat. Angeklagter feuert mit Schreckschusswaffe aus dem geöffneten Beifahrerfenster Auf der Anklagebank sitzen Malte B. und Leon S. (alle Namen geändert). Malte B. ist 22 Jahre alt, studiert, verdient sich seit geraumer Zeit 300 bis 400 Euro mit einem Minijob dazu und wird ansonsten von seinen Eltern finanziell unterstützt. Leon S. ist ebenfalls 22 Jahre alt und arbeitet in einem Fitnessstudio. Die beiden jungen Männer verbringen den Silvesterabend 2023 gemeinsam, ein Kumpel ist auch noch dabei. Als 2024 dann etwa eine halbe Stunde alt ist, fährt das Trio in einem weißen Mercedes durch Höxter, &bdquo;sehen, was los ist“, wie Rechtsanwalt Stemmer es nennt. Leon S. sitzt hinterm Steuer, Malte B. ist Beifahrer, der Kumpel hat auf der Rückbank Platz gefunden. Die jungen Männer sind auf einer relativ einsamen Straße unterwegs. Laut Malte B. ist es, wie gesagt, sehr dunkel. Neumond und so. Als das Auto wegen einer Kurve langsamer wird, zieht Malte B. – zur völligen Überraschung seiner Kompagnons – eine Schreckschusswaffe und feuert aus dem geöffneten Beifahrerfenster in die Luft. &bdquo;Machen Sie’s mal vor“, sagt Rechtsanwalt Stemmer zu seinem Mandanten. &bdquo;Halt so in den Himmel“, unterlegt Malte B. seine Geste, bei der die rechte Hand senkrecht nach oben gestreckt ist, Zeigefinger und Daumen ahmen eine Waffe nach. Zeugen denken, dass auf sie wird geschossen Das Problem – abgesehen davon, dass Malte B. natürlich nicht mit einer Schreckschusswaffe herumfuchteln darf: Nur wenige Meter von dem Mercedes befindet sich eine Handvoll Menschen, die wohl das Silvesterfeuerwerk betrachtet. Das sind besagte Zeugen. Und die hatten offenbar den Eindruck, die Schüsse galten ihnen. Gleichwohl niemand verletzt wurde. Selbst zu Protokoll geben können ihre Gefühlslage zwei von drei Zeugen nicht, weil sie im Urlaub sind. Laut Richterin Christina Brüning sei der &bdquo;schon ganz lange gebucht“ gewesen. Seit Februar oder so. Angesetzt wurde die Verhandlung trotzdem, die Aussagen bei der Polizei lägen ja vor. Und möglicherweise gingen Staatsanwaltschaft und Gericht auch davon aus, dass sich die beiden bisher unbescholtenen Angeklagten etwas anders vor Gericht verhalten würden. Zunächst behaupten sie jedoch, niemanden gesehen zu haben. Die Lichtverhältnisse... Gericht glaubt Ausflüchten des Angeklagten nicht Nach der kurzen Unterbrechung klingt das dann schon etwas anders. &bdquo;Wir haben diesen berechtigten Einwand der Staatsanwaltschaft noch mal erörtert“, sagt Stemmer nickend, als alle wieder reinkommen. &bdquo;Spätestens beim Wegfahren“ hätte sein Mandant die Menschen gesehen, sie aber nicht erkannt. Malte B. habe aber &bdquo;in die Luft“ und &bdquo;nicht ebenerdig“ geschossen. &bdquo;Das passt eher“, entgegnet die Anklägerin, &bdquo;denn aus zwei Metern hätte man getroffen, wenn man es gewollt hätte“. Da das geklärt ist, spricht sie den nächsten Punkt an, den sie den Angeklagten nicht abkauft. &bdquo;Es ist ja sehr löblich für Sie“, sagt die Staatsanwältin zu Malte B., &bdquo;dass Sie Herrn S. da raus lassen wollen, aber das glaube ich nicht“. Sie meint die Schilderung, dass Leon S. am Steuer nichts von der Waffe im Auto gewusst haben will. &bdquo;Ich habe den Koffer kurz vorher von Zuhause geholt, von außen war das nicht ersichtlich“, versucht Malte B. zu erklären. Da wird es auch der Richterin zu bunt - oder zu dunkel? &bdquo;Was soll denn in dem Koffer sonst drin gewesen sein, an Silvester?“, fragt sie, &bdquo;müssen wir uns da ernsthaft drüber unterhalten?“ So geht die Geschichte aus Dann redet, wer eine Robe trägt. Ein &bdquo;Darf ich auch mal was sagen?“ von Leon S. verhallt und es kommt auch niemand mehr darauf zurück. Am Ende sagt die Staatsanwältin – zwar immer noch streng, aber etwas versöhnlicher: &bdquo;An jedem anderen Tag des Jahres würde ich das durchverhandeln.“ Sie bezieht sich auf den Tattag, Neujahr um 0.35 Uhr, nicht auf den Verhandlungstag. So sei es jedoch nur eine &bdquo;richtig misslungene“ Aktion gewesen. Die Verteidigung pflichtet bei: &bdquo;Ein unglücklicher Silvesterakt“. Richterin Christina Brüning mahnt: &bdquo;Das hätte auch für Sie und die anderem im Auto richtig gefährlich werden können.“ Hätte in der Nacht noch jemand die Polizei gerufen und die Beamten hätten die Waffe für scharf gehalten. &bdquo;Die Polizei macht mittlerweile auch schneller von der Schusswaffe Gebrauch.“ Malte B. nickt reuig und versichert, dass ihm das inzwischen alles klar sei. Das Gericht stellt das Verfahren dann vorläufig gegen eine Geldzahlung ein. Wenn Malte B. und Leon S. der Staatskasse jeweils 600 Euro überweisen, ist die Sache erledigt.

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