Ist in einem Beverunger Supermarkt das Wort „Arschloch“ gefallen?

Beverungen. Holger B. (Name geändert) hat einen schmalen, königsblauen Aktenordner dabei, er liegt aufgeschlagen vor ihm. Ob er den Zeugen noch etwas fragen wolle, fragt die Richterin den Angeklagten, der ohne Anwalt erschienen ist. &bdquo;Ich habe ein paar Fragen aufgeschrieben, aber ich finde die jetzt nicht mehr“, murmelt Holger B. und blättert durch den Ordner, &bdquo;ich bin auch ein bisschen nervös“. In dem Strafbefehlsverfahren vor dem Amtsgericht Höxter geht es eigentlich nur um eine Kleinigkeit. Beleidigung. Und das auch noch &bdquo;ganz am unteren Rand“, wie die Staatsanwältin erklärt. &bdquo;Verschwinde, du Arschloch“ soll B. an einer Supermarktkasse zu einem ehemaligen Nachbarn gesagt haben. Der 57-Jährige beteuert seine Unschuld. Am Ende taucht der Zettel mit den Fragen doch noch auf. &bdquo;Habe ich vor Ihnen oder hinter Ihnen gestanden? Was haben Sie an der Kasse gesagt“, liest er vor, &bdquo;die wurden alle schon beantwortet“. Klaus U. hatte gegenüber der Polizei erklärt, und wiederholt dies nun auch im Zeugenstand, dass er Anfang Oktober im Netto in Beverungen einkaufen war. &bdquo;Ich stand an der Kasse, habe meine Sachen aufs Band gelegt, da dreht er sich um und sagt: Verschwinde, du Arschloch.“ Der 73-Jährige habe &bdquo;keinen Konflikt auslösen“ wollen, wie er sagt, und deshalb nicht reagiert. &bdquo;Er hat sich dann wieder umgedreht, bezahlt und ist gegangen?“, fragt die Staatsanwältin. Angeklagter erinnert sich an Begegnung im Beverunger Discounter So ungefähr soll es gewesen sein. Zwischen dem Vorfall, der sich laut Klaus U. am Vormittag ereignet haben soll, und der Online-Anzeige vergehen einige Stunden, in denen sich der Beverunger die ganze Geschichte durch den Kopf gehen lässt. &bdquo;Ich war erst so aufgeregt, als ich mich dann beruhigt hatte, dachte ich: Das lässt du nicht auf dir sitzen.“ Lesen Sie auch: Die größten und spektakulärsten Kriminalfälle 2024 im Kreis Höxter Als Holger B. über die Anzeige informiert wird, sei er direkt in die Discounter-Filiale gegangen – ohnehin sei er fast jeden Tag da, wegen des Brotes – und habe Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen angesprochen. Niemand, sagt B., habe etwas von einem solchen Vorfall mitbekommen. Der Grund für den schwelenden Nachbarschaftsstreit Nachdem er, Holger B., etwas nachgedacht habe, sei ihm eingefallen, dass er Klaus U. an einem Tag beim Einkaufen gesehen habe. Vom Zeitraum her komme das hin. &bdquo;Ich bin in den Netto-Markt gegangen und habe Herrn U. im Augenwinkel gesehen, er hat Riesenaugen gemacht, als wäre ihm gerade etwas eingefallen.“ U. habe an der Kasse angestanden, er selbst sei an den Kassen und am Gemüse vorbei hin zur Backwarenabteilung. Es habe keinerlei verbalen Kontakt gegeben. Lesen Sie auch: Hat Höxter das schönste Amtsgericht in Nordrhein-Westfalen? Die Frage, die sich dem Gericht nun stellt, ist: Warum sollte sich Klaus U. das alles ausdenken. &bdquo;Ich hatte mal einen Garten, da gab es von Anfang an Stress“, schildert Holger B. Das grüne Kleinod sei &bdquo;schwer naturnah“ und &bdquo;insektenfreundlich“ gestaltet gewesen und den Nachbarn ein Dorn im Auge. &bdquo;Für die Nachbarn habe ich zu wenig gemacht.“ Die Gartengestaltung oder -nichtgestaltung führte laut B. immer wieder zu Ärger. Eine Nachbarin sei ihm dreimal in sein Auto gefahren, &bdquo;einmal mit Fahrerflucht“. Ein anderer Nachbar habe ihn in den Schwitzkasten genommen. Mit dem Einkaufswagen in die Hacken gefahren B. habe immer versucht, den Nachbarn und den Konflikten aus dem Weg zu gehen: &bdquo;Ich bin auch ein bisschen schüchtern“, erläutert er dem Gericht, &bdquo;und verstecke mich dann gern“. Klaus U. wohne auch in der Straße. Und auch wenn es mit ihm persönlich keinen Streit gegeben habe, wie Holger B. zugibt, sei U. doch gut mit den anderen Nachbarn bekannt. Holger B. schildert dem Gericht außerdem eine Begebenheit im Edeka-Markt in Beverungen. Er habe an der Kasse gestanden, hinter ihm eine Kundin, die ihm zweimal mit dem Wagen in die Hacken gefahren sei. &bdquo;Die habe ich ein bisschen blöd angemacht“, räumt B. ein, &bdquo;da sah ich Herrn U. drei Einkaufswagen hinter mir“. Beverunger beteuert seine Unschuld &bdquo;Wenn Aussage gegen Aussage steht“, wendet sich Richterin Christina Brüning an Holger B., &bdquo;dann hat man so Kriterien, an denen man festmacht, was man glaubt und was man nicht glaubt.“ Sei zum Beispiel ein Zeuge sehr echauffiert, mache das keinen guten Eindruck. &bdquo;Es ist aber schwierig, einen Grund zu finden, warum wir Herrn U. nicht glauben sollten“, gibt sie B. mit auf dem Weg. Der 57-Jährige erklärt sich schließlich unter mildem Protest (&bdquo;Ich habe es wirklich nicht gemacht“) bereit, 200 Euro an eine gemeinnützige Organisation zu zahlen. &bdquo;Tiere wären mir am liebsten.“ Geht das Geld dort ein, wird das Strafbefehlsverfahren eingestellt. &bdquo;Gehen Sie den Menschen aus dem Weg, mit denen Sie nichts zu tun haben wollen“, rät die Richterin.

Meistgelesen