Nationalpark-Votum durch Bürgerentscheid: Was macht Kleve anders als Höxter?

Kreis Höxter. Vor beinahe auf den Tag genau vier Monaten stand das Ergebnis fest: Der Kreis Höxter sagt Nein zum geplanten Nationalpark Egge. Mit einem Votum von 66,3 Prozent der Bürgerinnen und Bürger nach einem Bürgerentscheid. Der steht nun im Kreis Kleve am Niederrhein an. Fast auf den Tag genau ein halbes Jahr nach dem Kreis Höxter (12. Juni) ist dort Abgabeschluss für die Stimmzettel: 11. Dezember, 12 Uhr mittags. Das Ergebnis wird also noch vor Weihnachten feststehen. Die &bdquo;letzten Mohikaner“ (O-Ton Kreis Kleve) auf der Liste des Landes, was Flächen für die Einrichtung eines zweiten Nationalparks in NRW angeht. Viele Parallelen sind auf dem Weg dorthin zu erkennen, inklusive der zwei Lager, die intensiv diskutieren. Mitarbeiter des Kreises am Niederrhein haben sich bei den Kollegen in Höxter und Paderborn über den Ablauf informiert, berichtete die dortige Kreissprecherin der &bdquo;NW“ Höxter. Dennoch ist eines anders. Wie blickt man aus dem Kreis Höxter auf das Geschehen nahe der niederländischen Grenze? Alles egal? Ein Vergleich. Das Verfahren &bdquo;Ja zum Nationalpark Reichswald“ ist der Bürgerentscheid in Kleve überschrieben. Zweimal hatte – wie auch im Kreis Höxter – der Kreistag dort mit CDU-Mehrheit mit Nein gestimmt, zuletzt Ende September. Eine Initiative hatte für ein Bürgerbegehren zuvor – wie auch im Hochstift – dort insgesamt 15.518 gültige Stimmen gesammelt und damit nach dem zweiten Nein des Kreistags den Bürgerentscheid auf den Weg gebracht. Notwendig gewesen wären 10.601. Auch dort also deutlich mehr Stimmen – wie auch im Kreis Höxter. Lesen Sie auch: Eine Chronologie des Nationalparks Egge im Kreis Höxter Nun sollen ab Mitte November dort die Bürger schriftlich per Briefwahl abstimmen. Bis zum 11. Dezember 12 Uhr haben sie Zeit, erklärt Kreissprecherin Ruth Keuken. So weit man sich erinnern könne, ist es auch im Kreis Kleve der erste Bürgerentscheid auf dieser übergeordneten Ebene. Derzeit läuft die Organisation im Hintergrund. Druckereien stellen die Stimmzettel her, die ab November zugestellt werden, das Auszählteam im Kreishaus wird für Mitte Dezember für die öffentliche Auszählung zusammengestellt. Die Blaupause &bdquo;Wir rechnen mit vier bis fünf Tagen Auszählung, brauchen pro Schicht 70 Personen und arbeiten in neun Schichten. Alles aus dem eigenen Haus“, sagt die Sprecherin. Das Organisationsbüro habe sich daher auch im Hochstift umgehört, wie lange man für das Prozedere gebraucht habe, welche Klippen es zu umschiffen gilt. &bdquo;Das ist unsere Blaupause. Eine wertvolle Planungshilfe“, sagt die Sprecherin. Zumal man einen ähnlich großen Abstimmungsprozess wie im Hochstift organisieren müsse. 15 Prozent der abstimmungsberechtigten Bürger müssen mitmachen, damit er gültig ist. Die einfache Mehrheit der gültigen Stimmen gibt den Ausschlag in die eine oder andere Richtung. Die Stimmen Zur Erinnerung: Allein im Kreis Höxter waren im Frühjahr 115.000 Bürgerinnen und Bürger stimmberechtigt, 67.269 Briefe (58,6 Prozent) gingen daraufhin beim Kreis Höxter ein. 63.472 waren gültig, 42.061 (66,3 Prozent) stimmten mit Nein. Dazu kamen 117.307 eingegangene Stimmen in Paderborn mit einem Votum von 55,1 Prozent (60.827 Menschen) fürs Nein. Dort waren 246.000 Menschen stimmberechtigt gewesen. Im Kreis Kleve geht man von einer Anzahl von 265.000 Menschen aus. Der Flächenkreis Ähnlich ist auch die große Fläche des Kreises (Höxter: 1.201 Quadratkilometer; Kleve 1.230 Quadratkilometer): Und die Tatsache, dass ein möglicher Nationalpark Reichswald nur einen Teil der Menschen direkt berührt: Im Norden des Kreises, sagt die Kreissprecherin. Dort, wo die potenziellen Flächen liegen. Deshalb sei eine Prognose, ob und wie viele Menschen weiter südlich mobilisiert werden könne, auch so gut wie unmöglich. Ebenfalls genau wie im Kreis Höxter, wo es eine Ost-West-Richtung der direkten Betroffenheit gab. Aber: &bdquo;Dort oben liegen die einwohnerstarken Städte wie Kleve und Goch“, sagt Ruth Keuken. Auch deshalb gehe man davon aus, das notwendige Quorum zu erreichen. 15 Prozent – das wären 39.750 Stimmen (Kreis Höxter: 20 Prozent, etwa 23.000 Stimmen). Lesen Sie auch: Bürgerentscheide zum Nationalpark Egge: Was passiert beim Ja und was beim Nein? Der Kreis Kleve geht von Kosten in Höhe von 550.000 Euro für den Bürgerentscheid aus. Zum Vergleich: Im Kreis Paderborn mit einer ähnlichen Anzahl an Stimmberechtigten lagen die Kosten schließlich bei 605.000 Euro (gestiegen von anvisierten 500.000 Euro aufgrund von erhöhten Druckkosten und Porto für Postversand der Antwortbriefe). Im Kreis Höxter lag die Summe bei 300.000 Euro. Die Diskussion Und was machen sie dort anders? Es gibt keine vom Kreis organisierten Informationsveranstaltungen wie die drei im Kreis Höxter in Warburg, Steinheim und Beverungen, wo es teilweise hoch herging und aggressiv diskutiert wurde. &bdquo;Wir informieren nur auf der Homepage über den Ablauf, geben keine Beschlussempfehlung, haben keine Synopse gemacht. Nur allgemeine Infos für alle.“ Klar, auch dort werde diskutiert, hätten sich zwei Seiten positioniert. Auch deutlich positioniert. &bdquo;Das sind wir hier am Niederrhein gewohnt.“ Beide Seiten hätten bei der letzten und entscheidenden Kreistagssitzung vor dem Kreishaus gestanden, erzählt die Sprecherin. &bdquo;Aber nicht im Saal. Nicht mal ein T-Shirt mit einer der Positionen.“ Landrat Christoph Gerwers (CDU) handhabe das sehr stringent gehandhabt. Gespannt ist man deshalb auf die nächsten Wochen – und darauf, wie sich die Diskussionen in der heißen Phase entwickeln. Wie die Region Richtung Niederrhein schaut Das sagen die Befürworter Natürlich, sagt Marion Wessels vom Förderverein, der das Bündnis &bdquo;Wildschön“ für ein Ja zum Nationalpark Egge zusammengetrommelt hatte. &bdquo;Wir wünschen unseren Nachbarn viel Erfolg – doch es ist schwierig, wenn Landesregierung und Ministerium sich wegducken und uns in der Verantwortung vor Ort allein lassen.“ &bdquo;Extrem frustrierend“, wie sie ergänzt. Viele hätten das nun schon zum dritten Mal erlebt. &bdquo;Und wir waren noch nie so nahe dran“, sagt die Frau aus Altenbeken, die seit 30 Jahren in Sachen Naturschutz auf die Straße geht. Und zwar im wahrsten Sinne dicht an die Bürger, wie sie erzählt. Was sie gelernt haben aus dem jüngsten Nein? &bdquo;Einen Bürgerentscheid nie an Wahltermine oder an Parteien zu knüpfen, sondern das Prozedere komplett unabhängig durchzuziehen“, sagt sie. &bdquo;Da müssen wir zukünftig aufpassen.“ Politik und Wahlkampf könnten das Ganze &bdquo;so entscheidend schmutzig“ machen. Das Votum werde akzeptiert – &bdquo;Demokratie ist so“ –, aber dennoch werde irgendwann wieder eine Gelegenheit kommen, ist Wessels zuversichtlich. Bis dahin wolle man für die Ausweisung von Wildnisgebieten kämpfen – Potenzialflächen dafür gebe es in Egge und Teutoburger Wald. Nur dann eben ohne das Nationalpark-Geld vom Land. 350 Mitglieder hat der Förderverein in OWL, der vor Kurzem erst zu seiner jüngsten Versammlung zusammengekommen war. Mit dem klaren Votum: &bdquo;Wir machen weiter!“ Das sagen die Gegner &bdquo;Die Argumente hier und dort sind fast deckungsgleich“, sagt Hubertus Fehring, einer der Sprecher bei den Gegnern eines Nationalparks im Kreis Höxter. &bdquo;In Kleve kommt noch das Thema Wasserversorgung hinzu, das mit den Brunnen auf dem möglichen Areal stärker im Fokus liegt.“ Er verfolge das Geschehen regelmäßig, sei auch über die ehemaligen Landtagskollegen informiert. Und man habe auch um Rat angefragt. So gibt es den Verein &bdquo;Unsere Egge“ mit dem Slogan &bdquo;Ja zur Natur – Nein zum Nationalpark“ als Zusammenschluss. Fehring ist sicher: &bdquo;Wir alle werden weiterhin arbeiten, um den Naturschutz zu stärken.“ Auch er spricht von den Wildnisgebieten als möglichen Kompromiss für ein Schutz von Arealen. &bdquo;Alles so zu lassen, das ist nicht klug“: Das habe die Diskussion um den Nationalpark auf beiden Seiten gezeigt. Und die Menschen stärker für das Thema Natur und ihren Schutz sensibilisiert. Alle Menschen. &bdquo;Wo die Natur stärker Natur sein darf“, diesen Gedanken wolle man deutlich stärker in den Fokus nehmen. Das erwarte auch die Gesellschaft, das zeigten auch schon die Veränderungen und das Umdenken beispielsweise in der Landwirtschaft, denen man sich nicht verschließen werde. Ob der Nationalpark Gräben aufgeworfen hat, die nicht mehr zu schließen sind? &bdquo;Nein“, antwortet Fehring. &bdquo;Die gibt es nicht. Ich habe sachlich und auch ein bisschen hart diskutiert, aber niemanden persönlich angefeindet, sondern kann immer noch ein Bier mit jedem trinken. Die Zeit heilt alle Wunden.“

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