Polizistin aus dem Kreis Höxter warnt: „Das Handy ist eine Waffe“

Kreis Höxter. Laut einer Studie des Branchenverbands Bitkom besitzen 95 Prozent der Jugendlichen im Alter von 13 bis 15 Jahren bereits ein eigenes Smartphone. Die ständige Verfügbarkeit von Kommunikation, Fotos und Videos macht etwas mit den Jugendlichen. Dass der Einfluss keineswegs nur positiv ist, weiß Annemarie Berghoff, Kontaktperson von der Kriminalpolizei im Kreis Höxter und für den Jugendschutz zuständig. &bdquo;Das Handy ist eine Waffe“, sagt sie – und klärt an Schulen über die Gefahren im Netz auf. Sie sieht dabei allerdings auch die Eltern in der Pflicht. Ein Mann mittleren Alters, nennen wir ihn Josef, gibt sich als Jugendliche aus, nennt sich Julia. 11 Jahre sei Julia, deren Foto er von einem öffentlichen Instagramprofil geklaut hat. Beim Online-Spiel Fortnite nutzt er mit diesem Profilbild vermehrt die Chatfunktion, kommt mit Jugendlichen in Kontakt. Das Multiplayer-Spiel ist bei Jugendlichen besonders beliebt, es läuft auf PCs, Spielekonsolen – und eben auch auf Mobiltelefonen. Kriminelle wechseln zum Chatten auf Whatsapp und die Smartphones werden zu Umschlagplätzen für Bilder mit kinderpornografischen Inhalten. Diese und andere Plattformen machten &bdquo;sexuellen Missbrauch bei vielen Kindern zum Alltag, auch im Kreis Höxter“, weiß Berghoff. Wie nehmen die Täter Kontakt auf Josef bietet einem Jugendlichen an, ihm V-Bucks zu überweisen, so heißt die Spielewährung, von denen sich die Spieler neue Ausrüstung, Waffen und Co. kaufen können. Dazu müsse er ihm nur ein Foto zusenden, auf dem er nackt zu sehen ist. Der Junge willigt ein, glaubt er doch, mit diesem süßen gleichaltrigen Mädchen im Gespräch zu sein. Dass Live-Videochats noch ganz andere Formen des Missbrauchs bieten, liegt nahe. &bdquo;Schon der Versuch ist strafbar“, ordnet Berghoff die Folgen solchen Handelns ein. Mit &bdquo;großer Sorge“ blickt sie auf diese Entwicklung – und darauf, dass sich Eltern der Gefahren nach wie vor oft nicht bewusst seien. &bdquo;Das Handy ist eine Waffe für Kinder“, betont sie. Fährt fort: &bdquo;Das ist Gewalt drin, da sind Drogen drin, da ist Pornografie drin, da sind rechtsextreme Inhalte drin.“ Zusätzliche Risiken berge Software, die als Künstliche Intelligenz bezeichnet wird – tatsächlich handelt es sich um maschinelles Lernen. So komme es vor, dass Kinder oder Jugendliche Schaden nehmen, weil sie sich in einen Avatar, der Künstliche Intelligenz ist, verlieben. Ein Smartphone öffne &bdquo;Tür und Tor für Kriminelle“, die Polizei im Kreis Höxter erlebe das tagtäglich beim Auswerten der Chats. Was ist Cybergrooming? Berghoff hat den Eindruck, dass nahezu jeder und jede Jugendliche, der oder die ein Handy hat, etwa schon mindestens einmal von Cybergrooming betroffen worden sei. Der Begriff beschreibt das, was die falsche Julia im Fortnite-Chat versucht: Es ist die gezielte Anbahnung sexueller Kontakte mit Minderjährigen über das Internet. Aber auch Cybermobbing, Pornokonsum oder Erpressung wegen verschickter Nacktbilder stellen ein weiter wachsendes Problem dar, so die Expertin. Dabei würden längst nicht alle Fälle der Polizei gemeldet: &bdquo;Das Dunkelfeld ist unglaublich hoch“, betont Berghoff. Laut einer aktuellen Studie des Instituts Sinus waren im Jahr 2023 bereits rund 16 Prozent der Heranwachsenden von Mobbing im Internet betroffen, 2021 waren es noch 14 Prozent. Eine Untersuchung der Landesanstalt für Medien NRW hat herausgefunden, dass bereits jeder vierte Jugendliche Cybergrooming erlebt hat. Wie reagieren Lehrer auf das Thema? Mittlerweile dreht es sich bei bis zu 95 Prozent der Kriminalprävention, die Berghoff an Schulen anbietet, um diese Themen. &bdquo;Ich habe das Gefühl, dass es alle Schüler betrifft, die ein Handy haben.“ Berghoff sensibilisiert dabei sowohl Schülerinnen und Schüler, aber auch Lehrpersonal für die Gefahren. Die Pädagogen seien nicht selten überrascht, wenn sie hören, was sich auf den Displays der Schülerinnen und Schüler abspiele. Lehrer seien häufig erschüttert und fassungslos. Eltern rät die Polizistin, intensiv mit ihren Kindern über die Gefahren zu reden. &bdquo;Sprecht mit ihnen, auch über Pornografie. Sonst tun es andere“. Eltern sollten wissen, was ihr Kind mit dem Mobiltelefon anstellt und ihnen dazu fragen stellen: &bdquo;Was zockst Du, wie heißen Deine Lieblingsinfluencer“. Fragen wie diese könnten dazu beitragen, dass Kinder die Hemmschwelle verlieren, mit den Eltern über Erfahrungen wie Mobbing oder Grooming im Netz zu sprechen. Was können Eltern unternehmen? Und dadurch helfen, Straftaten aufzuklären. Die Devise für Eltern sollte lauten: Sich informieren, Vertrauen schaffen, nicht resignieren – oder eben Hilfe suchen, betont Berghoff. Dann gibt es da noch das Problem mit Nacktfotos, die Kinder und Jugendliche aus eigenem Antrieb machen und verschicken. &bdquo;Das landet zu 100 Prozent in einer anderen Whatsapp-Gruppe“, warnt Berghoff. Und von dort ist der Weg nicht weit in Internetforen und Co. &bdquo;Was einmal im Internet ist, bleibt im Internet“. Abgesehen davon begehen Jugendliche mit dem Versenden der Nacktbilder schon eine Straftat. Auch darüber fehle bei den Jugendlichen oft das Wissen. Lesen Sie auch: Wird steigende Jugendgewalt auch im Kreis Höxter zum Problem? Aktuell schult Berghoff Lehrkräfte an den Schulen für das Thema – und bekomme stets riesiges Feedback. In ihren Augen müssen Kinder und Jugendliche besser auf die Dinge vorbereitet werden, die im stets verfügbaren weltweiten Netz auf sie lauern. &bdquo;Kinder unter drei Jahren sollten gar keine Bildschirmgeräte haben“, stellt sie klar. Was brauchen Kinder als Ausgleich zum Netz? Und alle anderen brauchten bei all den Verlockungen des Netzes auch ein Ausgleich: &bdquo;Ganz viel Nähe von den Eltern, Zeit zum Puppenspielen, Draußensein, Gespräche über die Gefahren des Netzes, Zeit zum Rumtoben, zum Spielen aber auch mal zum Langeweilehaben.“ Die Präventionsangebote an den Schulen sind so gefragt, dass sie in diesem Schuljahr nahezu ausgebucht sind, Berghoff nimmt aber schon Anmeldungen für die Zeit danach entgegen – und berät auch besorgte Eltern. Sie ist erreichbar unter Tel. 05271 9621353. Infos zu den Themen Cybermobbing und -Grooming gibt es auch im Internet.

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