Spiegel-Bestsellerautorin fordert in Espelkamp Smartphone-Verbot für Kinder

Espelkamp. Cybermobbing, Desinformation, Rassismus, Folterbilder, menschenverachtende und demütigende Pornografie, schlimmste Tierquälerei, gefakte Fotos, Videos und Cyber-Grooming sowie Erpressung: Das Internet und soziale Medien sind ein Haifischbecken und Kinder und Jugendliche sind online immer größeren Risiken ausgesetzt. Wie sehr das Thema in der Gesellschaft inzwischen angekommen ist, zeigte der sehr gute Besuch der ersten Demokratiekonferenz von &bdquo;Demokratie erleben“ im soziokulturellen Zentrum &bdquo;ISY 7“. Zu &bdquo;frei und verboten – Wie viel Freiheit wollen wir im Netz“ hatte Jana Fink von der Koordinierungs- und Fachstelle der Stadt mit Silke Müller eine ausgewiesene Expertin eingeladen. Die Digitalbotschafterin des Landes Niedersachsen, langjährige Schulleiterin und Spiegel-Bestsellerautorin, beschäftigt sich seit mehr als zehn Jahren intensiv und engagiert mit Chancen und Gefahren durch die Nutzung von Social Media, KI und Co. Ihre Forderung: Politik und Gesellschaft müssen klare Leitplanken zum Schutz und zur Sicherheit der jugendlichen User setzen. &bdquo;Das Smartphone ist ein Teil von uns“ Kinder und Jugendliche wachsen heute in einer digitalen Welt auf. Sie sind neugierig und probieren viel aus. Das Smartphone ist ein Teil von uns. Auch ihr gehe es so. &bdquo;Ohne Smartphone kann ich das Haus nicht verlassen“, gesteht Müller. &bdquo;Ich selbst könnte meinen Alltag wohl nicht mehr ohne Whatsapp organisieren, und ich nutze soziale Medien für meine Öffentlichkeitsarbeit.“ Das eigentliche Problem sei, dass man direkt und unreguliert Zugang zum Netz habe. Studien besagten, dass ein Viertel der Kinder und Jugendlichen mehr als 60 Stunden pro Woche an digitalen Endgeräten verbringen. 16 bis 18-jährige Jugendliche sind im Schnitt sogar 72,5 Stunden pro Woche online. Das wirke sich auf die Gesundheit aus und sei ein massives Problem. Laut der JIM-Studie 2024 des &bdquo;Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest“ werden die Jugendlichen mit Fake News und Hassbotschaften konfrontiert und erfahren sexuelle Belästigung durch pornografische Fotos oder werden selbst zum Versenden von Nacktfotos animiert. Inhalte finden Kinder – nicht umgekehrt &bdquo;Es darf nicht zum Alltag gehören, dass Jugendliche im Alter zwischen zwölf und 19 Jahren wie selbstverständlich Dinge im Netz gesehen und erlebt haben, die nicht einmal Erwachsene einordnen und verkraften können“, forderte Silke Müller. Die Inhalte würden die Kinder finden – nicht umgekehrt. Nur eine Sekunde auf einer Seite und schon sei man erfasst und &bdquo;gelesen“, sagt sie. Für lebensgefährlich hält sie manche Challenges wie die Amok-Challenge, die zurzeit hoch schwappe, oder den Schönheitstraum. Im Netz holten sich die Kinder die Aufmerksamkeit, die sie sonst nicht bekämen. Für Silke Müller ist klar: &bdquo;Es gibt so viele Probleme, weil wir, die Gesellschaft, nicht aufgepasst haben. Wir brauchen Regulierungen wie eine Altersbegrenzung für Social Media.“ Auch Mediziner würden befürworteten, dass Kinder unter zwölf kein Smartphone besitzen sollten. Zudem müsse reguliert werden, dass kein Mensch mehr anonym im Netz unterwegs sein dürfe. &bdquo;Ich würde mir wünschen, dass es nicht mehr möglich ist, sich anonym in sozialen Netzwerken anzumelden, sondern ausschließlich mit einem Ausweis, einer digitalen ID zum Schutz der eigenen Identität. Straftäter im Netz wären so sofort identifizierbar.“ Grundlagenschutz für Kinder und Jugendliche, Verbote und Aufbau von Medienkompetenz schließen sich nicht aus, meint sie. Straftäter sollen im Netz identifizierbar sein Die große Gefährdung von Kindern im Internet ist aus Müllers Sicht ein gesamtgesellschaftliches Versäumnis und sei deshalb auch eine Aufgabe für Staat und Gesellschaft. Die Politik habe die klare Aufgabe, online eine kindgerechte Umgebung zu schaffen, um junge Menschen effektiv zu schützen und gleichzeitig Teilhabe und freie Entfaltung zu ermöglichen: &bdquo;Überall, wo Menschen miteinander interagieren, ist dieses Miteinander durch Regeln, Verbote, Richtlinien und Gebote organisiert, um Frieden, Respekt und Toleranz zu wahren: Nur im Netz scheint dieses Übereinkommen, dass wir einen Rahmen für ein friedliches Miteinander benötigen, nicht vorhanden zu sein.“ Nicht in allen Punkten waren die Auszubildenden aus der beruflichen Bildung des Ludwig-Steil-Hofes sowie die Schüler der Bischof-Hermann-Kunst Schule und Silke Müller einer Meinung. Die jungen Leute hatten im Vorfeld der Abendveranstaltung mit vier Coaches von &bdquo;Codefryx“ zu dem Thema unter verschiedenen Aspekten gearbeitet. Für sie ist klar, dass eine Altersbeschränkung das Problem nicht lösen wird. Sie forderten aber auch klare Regeln und hatten einen Regelkatalog erstellt. So dürfe zwar alles gepostet werden. Es solle aber auch deutliche Grenzen geben. So gehörten ihrer Meinung nach, (selbst-)mörderische, rassistische oder pornografische Inhalte verboten. Auch Homophobie, Bedrohung, Verleumdung, Aufrufe zu Gewalt, sexuelle Belästigung, Hass und Diskriminierung gehörten nicht ins Netz. Zudem forderten sie, dass Straftäter im Netz identifizierbar sein müssten. Medienkompetenz in Schulen ungenügend Mit Blick auf die von Familienministerin Karin Prien eingesetzte 18-köpfige Fachkommission, die Vorschläge erarbeiten soll, um Kinder und Jugendliche im Netz besser zu schützen, haben die Jugendlichen eine klare Meinung: &bdquo;Wer Kinder und Jugendliche schützen möchte, sollte sich ihre Sorgen und Nöte auch anhören. Wieder wird nur über uns, statt mit uns geredet.“ Es müsse weniger um Verbote als vielmehr um einen besseren Umgang mit digitalen Herausforderungen gehen. Aber Medienbildung an Schulen sei bisher kaum oder gar nicht vorhanden, so die Meinung der jungen Menschen. Der jetzige Stand des Medienkompetenzaufbaus in Schulen sei absolut ungenügend. Die Thematik sei lediglich ein Randgebiet im Unterrichtsalltag und viele Lehrkräfte besäßen eine ebenso wenig ausreichende Medienkompetenz wie die Eltern. Es müssten dringend Allianzen gegründet werden, um Fachexpertise in die Schulen zu holen, und wöchentlich bräuchte es einen ganzen Tag &bdquo;Digital Literacy Training“ in jeder Jahrgangsstufe. In ihren Grußworten zu Beginn der Veranstaltung hatten bereits Landrat Ali Dogan und Bürgermeister Henning Vieker hervorgehoben, für wie wichtig sie das Thema und die Demokratiekonferenz halten: &bdquo;Wir brauchen ein respektvolles Miteinander und einen Schulterschluss aller Demokraten und Demokratinnen“, forderten sie. 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Minden-Lübbecke

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