„Ihre Fotos schreien nach Frieden“: Familie und Wegbegleiter erinnern an Anja Niedringhaus

Höxter. &bdquo;Ich muss da hin“: Das habe im Brief gestanden, den Anja Niedringhaus damals dem Chef der Agentur &bdquo;EPA“, Cengiz Seren, geschickt hatte: Maria Stiemer erinnert sich noch genau. Da hin, das war Bosnien, Sarajevo, der Krieg mitten in Europa Anfang der 1990er-Jahre. &bdquo;Sie sagte, die könne doch angesichts dessen, was dort passiert, nicht hier im Büro sitzen.“ Cengiz Seren habe schließlich das Okay gegeben. Mit dem Zusatz: &bdquo;Anja, fahr hin. Dann bist du froh, wenn du wieder hier im Büro sitzen kannst.“ Die Geschichte von den 420-Mark-Stiefeln für den Kriegseinsatz in Belgrad, die sich auszahlten, weil später ein Auto über ihren Fuß fuhr und dieser heil blieb. Oder wie Anja im Kosovo ein Auto aus dem Granat-Einschlag herausbugsierte (und ihre Mutter schimpfte, dass sie nicht so schwer heben sollte). Oder in einem arabischen Land das Steuer des Fahrzeugs selbst übernahm, während sich der einheimische Fahrer stolz – weil von einer hübschen blonden Frau gefahren – auf dem Beifahrersitz zurücklehnte: Es sind diese die Episoden aus der Zusammenarbeit mit der späteren Pulitzer-Preisträgerin Anja Niedringhaus, die beim Gedenken anlässlich des zehnten Todestages im Forum Anja Niedringhaus (FAN) in Höxter erzählt wurden. Und die trotz des traurigen Anlasses für so manches Lächeln und Schmunzeln sorgten. Auch bei Kollegin Claudia Haas (Agentur &bdquo;AFP“), die sie in Sarajevo im November 1995 kennenlernte. &bdquo;Sie hat mich mit dem Auto vom Flughafen abgeholt.“ Gemeinsam hätten sie einen der ersten beiden deutschen Soldaten bei einer solchen Auslandsmission interviewt. &bdquo;Sie war sehr respektvoll, total lustig und hatte ein starkes Gefühl für Bilder und Themen“, so Claudia Haas. Das Forum ist wie ein zweites Zuhause Das FAN ist für Anjas Mutter Heide Ute Niedringhaus-Schulz ein Ort, an dem die Erinnerung an ihre Tochter sehr lebendig ist. An den Sonntagen, wenn das Forum geöffnet sei, setzte sie sich bei einem Kaffee gern mal dort in die Räume mit den Bildern. Es ergäben sich immer viele Gespräche. &bdquo;Sonntagnachmittags mein zweites Zuhause.“ Zum ersten Mal wieder seit dem Trauergottesdienst habe sie die Kirche in Corey am Morgen zum Gedenkgottesdienst besucht. Und war – wie so viele an diesem Morgen – beeindruckt von den Worten von Pfarrerin Friedhilde Lichtenborg, die sich in der Vorbereitung extra im Forum umgeschaut und die Stimmungen auf sich wirken lassen hatte. Um sie dann in der Predigt so überaus passende, würdevolle Worte zu fassen: Beim Betrachten ihrer Fotos, die Geschichten erzählten, werde deutlich, dass Anja Niedringhaus die Menschen mit Ehre und Achtung gesehen habe. &bdquo;Ihre Fotos schreien nach Frieden“, so die Pfarrerin. In Zeiten, in denen man über Kriegstüchtigkeit spreche. &bdquo;Sollten wir nicht alles daran setzen, friedenstüchtig zu werden?“ Anja Niedringhaus habe einmal gesagt, durch ihre Arbeit sei sie &bdquo;zur größten Pazifistin“ geworden. Was bleibe? Die Hoffnung darauf, der Glaube an das Gute im Menschen – und ihre Liebe. Die Liebe einer Menschenfreundin, der liebevolle Blick auf den Jungen mit dem Drachen, das lesende Mädchen mit dem blauen Buch, die Frau in Schwarz, die sich die Ohren zuhalte. &bdquo;Das sind keine gestellten Fotos. Das sind Fotos von Menschen, die Vertrauen haben, die von Anja gesehen wurden. Liebevoll angesehen.“ So erzähle das Leben selbst. Auch Ludger Haferkemper vom FAN-Vorstandsteam war emotional ergriffen von diesen Worten und möchte die Predigt gern ins Forum aufnehmen, erklärte er später. Und dass man nicht nur die Kriegsfotos, sondern auch die Bilder aus dem Sport gern im nächsten Jahr dort zeigen wolle. Und den Kontakt mit weiteren heimischen Firmen suche, das Forum auch für Veranstaltungen, Geburtstage oder Tagungen inklusive Führungen öffnen wolle. Er dankte dem Team – rund 170 im Verein, rund 40 ehrenamtliche Mitarbeiter im Museum, die sich darum kümmerten, dass das Forum dienstags ab 10 Uhr bis sonntags 18 Uhr geöffnet werden könne. Derzeit arbeite man an einem gemeinsamen Logo mit dem Forum Jacob Pins gleich nebenan: als &bdquo;Museumsquartier Adelshof“. Der ehemalige Lehrer erinnert sich an die SV-Zeit am KWG, als er Schülersprecherin Anja Niedringhaus traf: &bdquo;Tatkraft, Lachen, Energie, Menschlichkeit, Freundlichkeit: Anja liebet die Menschen“, so fasst er die Erinnerung in Worte. Bürgermeister würdigt Niedringhaus: &bdquo;unvergessen“ Bürgermeister Daniel Hartmann erinnerte daran, dass auch zehn Jahre nach ihrem Tod der Schmerz und das Entsetzen nicht vergessen seien. Ihre Lebensaufgabe habe Anja Niedringhaus mit dem Tod bezahlt. Aber sie sei Tochter der Stadt Höxter über den Tod hinaus, ein Vorbild, unvergessen. Höxter sei stolz, diesen Ort, dieses Museum und diese Erinnerung zu haben. An eine starke Persönlichkeit, die früh wusste, was sie sollte. In die Welt hinaus. Angesichts der Krisen, Konflikte und Kriege heute: &bdquo;Anja wäre heute sicherlich vor Ort und würde fotografieren. Auch im Sommer in Paris bei den Olympischen Spielen hätte sie wohl fotografiert.“ Ohne die Bilder gebe es keine Demokratie: &bdquo;Und Anja hat für diese Bilder gesorgt. Wir sind ihr hierfür dankbar. Auch wenn das nur ein geringer Trost ist für den Verlust der Tochter und eines geliebten Menschen.“

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