„Saß direkt vor ihr“: Kollege von Anja Niedringhaus erinnert sich an Todesschüsse

Höxter. Es ist ihm wichtig, an genau diesem Tag hier zu sein. In Höxter, im Forum Anja Niedringhaus. Wo nicht nur Erinnerung an die berühmte Fotografin wachgehalten wird, sondern vor allem ihre durch beeindruckende Bilder weltweit verbreitete Friedensbotschaft im Fokus steht: Nishanuddin Rahmanuddin, selbst Fotograf, hat am 4. April 2014 den Wagen gefahren, in dem Anja Niedringhaus durch Schüsse von einem Polizisten in Afghanistan starb. Ein Tag, den er nicht vergessen kann und auch nicht vergessen will, wie er sagt. Auch wenn es ihn die Erinnerung tief im Herzen schmerzt, besonders, wenn sich der Mord jährt. &bdquo;Ich habe direkt vor ihr gesessen, als es passierte“, sagt er mit leiser Stimme. Schreckliche Eindrücke, die bleiben. Zehn Jahre danach sitzt Nishanuddin Rahmanuddin in sich gekehrt im Forum Anja Niedringhaus, betrachtet nachdenklich die Kriegsbilder, die um die Welt gingen. &bdquo;Das ist meine Heimat“, sagt der Afghane, der seit 2021 mit seiner Familie in Deutschland lebt. Zum dritten Mal ist er seitdem in Höxter. Hat das Grab von Anja Niedringhaus auf dem Friedhof Am Wall besucht. Und auch das Forum. Grausame Realität Er schätze diesen Ort sehr, sagt er. Hier könne man dem Vermächtnis von Anja Niedringhaus sehr nahe sein. Kriegsbilder, die auf emotionale Weise die grausame Realität dokumentieren und deshalb eindringlich zum Frieden mahnen. Ganz ohne Worte und deshalb besonders wertvoll. Ein Bild im Forum, das für Nishanuddin Rahmanuddin denkwürdig ist, zeigt afghanische Frauen vollverschleiert in der Burka, die unter einem Baum vor einer Schule auf ihre Registrierungskarte für die anstehenden Präsidentschaftswahlen warten. Der Tradition verhaftet, hoffen sie auf eine bessere Zukunft. Aufgenommen wurde es von Anja Niedringhaus am 1. April 2014 – nur drei Tage vor ihrem Tod. Das Forum im Adelshof Höxter, das ihren Namen trägt, zeigt viele solcher Fotos. Teils hängen sie an der Wand, teils werden sie multimedial präsentiert. Seit kurzen gibt es auch eine etwa 15-minütige &bdquo;ZDF“-Dokumentation über die Trägerin des Pulitzer-Preises. Zu sehen im ersten Obergeschoss. Viele Aspekte Doch das Forum, das im vergangenen Jahr eröffnet wurde, will viel mehr sein als nur ein Schauplatz für Fotos. &bdquo;Ein Ort der Begegnung für alle Generationen“, sagt FAN-Vorstand Ludger Haferkemper. Ein Ort, an dem das Friedensvermächtnis von Anja Niedringhaus ebenso einen Raum bekommt wie ihre Leidenschaft für Fotografie. &bdquo;Wir wollen auch informieren über journalistische und künstlerische Fotografie mit all ihren Licht- und Schattenseiten“, sagt Haferkemper. Ein weiterer Aspekt seien Fake News – das Fälschen und Manipulieren von Nachrichten und die Folgen. Eine weitere Medienstation beschäftigt sich mit der Pressefreiheit, um die es auch in Deutschland nicht sonderlich gut bestellt sei. Begegnungsstätte Für Rainer Klaus vom FAN-Vorstand sind zudem vor allem die persönlichen Begegnungen mit den Besuchern wichtig. Über die Bilder komme man ins Gespräch. Das Thema Krieg betreffe in irgendeiner Form jeden, auch wenn die persönlichen Erfahrungen manchmal schon ein zwei Generationen zurückliegen. &bdquo;Aber es prägt die Familien“, sagt der systemische Berater. Dass die Menschen so berührt von den Bildern sind, ist für den FAN-Vorstand kein Wunder. Denn Anja Niedringhaus hat sich Zeit für die Menschen genommen, die sie fotografieren wollte. Hat ihr Vertrauen gewonnen, statt schnell zu knipsen und wieder zu verschwinden. Das mache ihre Fotos so ausdrucksstark. &bdquo;Sie erzählen Geschichten“, sagt Haferkemper. Er berichtet beispielsweise von ukrainischen Frauen, die in den Bildern aus Afghanistan ihre eigene Situation wiedererkannten und deshalb besonders berührt waren. Ebenso wie Schülerinnen und Schüler eines Kunstkurses des König-Wilhelm-Gymnasiums, die sich mit den Bildern im FAN beschäftigt haben. Neue Mitarbeiter gesucht Auch und vor allem jüngere Generationen zu erreichen, ist ein erklärtes Ziel des Forum-Vorstandes. Übrigens nicht nur, um sie für die wichtigen Themen, sondern auch für eine Mitarbeit im ehrenamtlichen Team zu interessieren. Rund 40 Aktive gibt es unter den rund 165 Mitgliedern. Sie übernehmen den Kassendienst, kümmern sich um Technik oder Öffentlichkeitsarbeit oder bieten Führungen an. Vorteil des FAN: Weil es noch so jung ist, ist es medial sehr gut ausgestattet und auf dem neuesten Stand. Livestreams ins Netz sind problemlos möglich. Deshalb sollen die Räumlichkeiten auch für kleine Firmenveranstaltungen geöffnet werden, für Diskussionsrunden oder Kulturveranstaltungen. Demnächst soll ein erster Fotokurs für junge Leute stattfinden. Auch hofft der FAN-Vorstand, irgendwann die Gewinner des Anja-Niedringhaus-Preises präsentieren zu können. Noch sprenge das den finanziellen Rahmen. Museumsquartiers Adelshof geplant Ein weiteres Ziel ist die Etablierung des Museumsquartiers Adelshof – ein gemeinsames Projekt mit dem Forum Jacob Pins. Und wenn neue ehrenamtliche Mitarbeiter weitere Ideen haben, &bdquo;immer gern“, sagt Haferkemper. Das Forum wolle sich weiterentwickeln. Am besten gleich Mitglied werden, wirbt er. Denn die sichern neben Spenden den notwendigen finanziellen Rahmen für die ehrenamtliche Arbeit. Das Lachen bleibt Ein Besuch lohne sich immer wieder aufs Neue, denn auch die Bilder von Anja Niedringhaus wechseln. Im kommenden Jahr soll deshalb der Schwerpunkt nicht auf den Kriegsfotos, sondern den Sportbildern der Fotografin liegen. &bdquo;Zwischen Krieg und Frieden gibt es noch das ganz normale Leben“, sagte Anja Niedringhaus für die &bdquo;ZDF“-Dokumentation in der ersten Etage. Das ganz normale Leben, in dem Anja Niedringhaus auch gern und viel lachte. Ein Lachen, an das sich viele Höxteraner und Kollegen immer gern erinnern.

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