„Hot-Chip-Challenge“: Wirbel im Kreis Höxter um höllisch scharfe Knabbereien

Brakel/Kreis Höxter. Der Umkarton erinnert an einen Sarg, die darauf abgebildete Cartoon-Chilischote speit Feuer. Die Hot-Chips heißen nicht nur so, sie sind wirklich extrem scharf – und im Trend. Tiktok sei Dank. In dem sozialen Netzwerk macht die Hot-Chip-Challenge die Runde. Die Regeln sind überschaubar: Der scharfe Snack muss gegessen werden. Doch der &bdquo;Genuss“ der Tortilla-Chips kann gefährlich werden – besonders für Kinder. In Euskirchen kam es am vergangenen Freitag zu einem medizinischen Großeinsatz, nachdem ein paar Kinder Hot-Chips gegessen hatten. Zwei Fünftklässler hätten die Snacks, die nur an Erwachsene verkauft werden, in einem Kiosk gestohlen. Die Schule warnt nun auf ihrer Website: &bdquo;Bereits das Ablecken eines Chips kann zu Magen- und Kreislaufbeschwerden führen. Auch das Pulver der Chips am Finger kann, sofern es in die Augen gerät, zu Schäden am Auge führen.“ In Euskirchen kamen die Kinder wohl mit dem Schrecken davon. Wie die &bdquo;NW“ von der Bezirksregierung Detmold erfahren hat, wurde &bdquo;ein Vorgang mit würzigen Chips von der Gesamtschule Brakel gemeldet“. Fälle an anderen Schulen in Ostwestfalen-Lippe seien nicht bekannt. Michael Auffenberg, der stellvertretende Schulleiter der Gesamtschule Brakel, bestätigt den Vorfall im Gespräch mit der &bdquo;Neuen Westfälischen“. Demnach habe eine kleine Gruppe von Sechst- und Siebtklässlern am Mittwoch, 23. August, besonders scharfe Chips gegessen. Diese hätten sich die Kinder wohl vor Schulbeginn an einer Tankstelle besorgt. &bdquo;Das war keine Aktion, die im Rahmen unseres Schulalltags stattgefunden hat“, sagt Auffenberg. Was waren die Folgen in Brakel? Die Folgen des scharfen Kartoffelchips seien in Brakel glücklicherweise &bdquo;nicht so dramatisch“ gewesen, schildert der stellvertretende Schulleiter. Kein Kind sei kollabiert, es hätten auch keine Rettungswagen gerufen werden müssen. Zwei Kinder hätten sich übergeben und hätten anschließend wegen Übelkeit von den Eltern abgeholt werden müssen. Die Schule habe anschließend ein Info-Schreiben an die Eltern herausgegeben. &bdquo;Dass sie darauf achten sollen, dass sie ihre Kinder auch darauf ansprechen sollen“, gibt Auffenberg wieder. Trends aus sozialen Medien wie Tiktok schwappten immer wieder auch in den Kreis Höxter rüber, sagt Auffenberg, der auch selbst Kinder hat. Aber nicht jede Challenge ist gefährlich. Auffenberg erinnert an die Bottle-flip-Challenge. 2016 war es einen Sommer lang angesagt, eine etwa zu einem Drittel gefüllte Wasserflasche so rotieren zu lassen, dass sie sich um 360 Grad dreht und dann auf dem Flaschenboden landet und stehen bleibt. Eine Geschicklichkeitsübung also. Einfluss auf den Schulalltag hätten diese Trends aber nur selten, sagt Auffenberg. Meist verlagere sich das eher in die Freizeit der Kinder. Dennoch geschieht an der Gesamtschule Brakel auch viel Aufklärungsarbeit. &bdquo;Es gibt verschiedene Punkte, dass wir Gefahrensituationen im Internet besprechen“, erklärt der stellvertretende Schulleiter. Mit den Schülerinnen und Schülern der siebten Klassen werde beispielsweise präventiv in Sachen digitale Medien gearbeitet. &bdquo;Wir sind stark digitalisiert an der Schule“, erklärt Auffenberg. Die Kinder und Jugendlichen lernten auch im Unterricht viel mit Tablets. &bdquo;Da muss man auch der Fürsorgepflicht nachkommen.“ Was sagen Mediziner? Der Beverunger Mediziner Jens Grothues kann aus ärztlicher Sicht nur von dem Essen der &bdquo;Hot-Chips“ abraten – &bdquo;dringend“. &bdquo;Bei Verzehr drohen vegetative Begleiterscheinungen, also solche, die das Nervensystem beeinträchtigen.“ Konkret könne es zu Herzrasen, Schwindel, Schweißausbrüchen, Kopfschmerzen, zu Schmerzsensationen – sehr starken Schmerzen – und sogar zu Ohnmachtsanfällen kommen. Und einen weiteren Hinweis gibt der Allgemeinmediziner jedem potenziellen Chip-Esser mit auf den Weg: &bdquo;Jedem, der sowas macht, sollte klar sein, dass es zweimal brennt.“ In der Notaufnahme der Katholischen Hospitalvereinigung Weser-Egge (KHWE) ist bislang noch kein Zwischenfall mit einem &bdquo;Hot-Chip“ aufgetreten. Der ärztlichen Leiter der Zentralen Notaufnahme, Hendrik Hinrichs, stellt aber klar, wie groß die Gefahr tatsächlich ist: &bdquo;Vor allem junge Anhänger der Hot-Chip-Challenge können oft nicht abschätzen, wie ihr Körper auf die übermäßige Schärfe reagiert.“ Allein die Berührung der Chips und ein anschließender Griff ins Auge, rufe eine Reizung der Bindehaut hervor. Hinrichs: &bdquo;Die Jugendlichen sollten sich nicht aufgrund eines Online-Trends in Gefahr bringen und dadurch langfristige gesundheitliche Folgen riskieren.“ Neben den genannten Gefahren weist er auch darauf hin, dass die Schärfe der Chips auch Schleimhautschädigungen, Magenschmerzen oder Übelkeit und Erbrechen verursachen kann. Je nach Empfindlichkeit des Magens reagiere der Körper unterschiedlich stark darauf, was vor allem die Hot-Chip-Challenge so gefährlich mache. Besonders gefährlich sei der wiederholte Konsum von zu scharfen Speisen, da der unter anderem zu dauerhaften Schleimhautverletzungen oder Geschmacksstörungen führen kann. Der Einschätzung schließt sich das Bundesinstitut für Risikobewertung an. Das Institut stellt deshalb in Frage, ob Produkte mit über 6.000 Milligramm Gesamtcapsaicin pro Kilogramm &bdquo;als sichere Lebensmittel [. . .] angesehen werden können.“ Capsaicin gehört zur chemischen Gruppe der Alkaloide und wird aus einer Paprikasorte gewonnen. Es zählt zu den schärfsten Substanzen auf der Erde. Die Chips sind laut Herstellerangaben 200-mal schärfer als eine Jalapeno-Schote und enthalten damit deutlich mehr Capsaicin pro Kilogramm, als der Wert von 6.000 Milligramm pro Kilogramm, den das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) bereits für kritisch hält. Warum werden die Chips also nicht einfach verboten? Ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums verweist bei der Frage an das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Bert Schulz ist Pressereferent beim Landwirtschaftsministerium und erklärt, dass gemäß der EU-Verordnung der Lebensmittelunternehmer dafür verantwortlich sei, &bdquo;nur sichere Lebensmittel in den Verkehr zu bringen“. Die Zuständigkeit für die amtliche Lebensmittelüberwachung liegt in Deutschland aufgrund der grundgesetzlichen Regelungen bei den Bundesländern. Was kosten die scharfen Chips? Auf der Internethandelsplattform Amazon werden die &bdquo;Hot-Chip-Challenge“ für 9.93 Euro pro Sarg, also Packung, verkauft. Dabei ist anzumerken, dass in einer Packung jeweils ein Chip nebst Gummihandschuh ist. Der Handschuh soll verhindern, dass die Schärfe auf die Haut gelangt und so in Gesicht oder Augen gelangen kann. Für den Hersteller der Chips aus der Tschechischen Republik dürfte sich das Produkt übrigens als regelrechter Verkaufsschlager erwiesen haben – denn auf der Internet-Plattform Tiktok gibt es Tausende Videos von Jugendlichen, die sich dabei gefilmt haben, wie sie den Tortillachip mit der beißenden Schärfe selbst verzehren. Zumindest eine gute Nachricht gibt es: &bdquo;In der Leitstelle ist uns bisher kein Rettungsdiensteinsatz im Kreis Höxter im Zusammenhang mit einer sogenannten Hot-Chip-Challenge bekannt“, sagt Daniel Wulf von der Leitstelle für Feuerschutz und Rettungsdienst des Kreises Höxter.

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