Akw Grohnde geht vom Netz: Was bedeutet das für den Strom im Kreis Höxter?

Kreis Höxter. Es war ein Knall im fernen Japan, der hierzulande das Ende der zivilen Atomnutzung einläutete. 2011 wurde das Kernkraftwerk in Fukushima nach einem Erdbeben von einer Riesenwelle erfasst und havarierte. Nach Explosionen trat radioaktives Materials aus. In der Folge beschloss Deutschland aus der Nutzung von Kernenergie auszusteigen. Sechs Kernkraftwerke sind noch am Netz. Bis Ende 2022 sollen sie ihren Betrieb eingestellt haben. Für drei davon ist schon Ende dieses Jahres Schluss. Eins davon: Das Kernkraftwerk Grohnde bei Hameln. Von der Nordgrenze des Kreises Höxter liegt es nicht weit entfernt. Luftlinie: Rund 20 Kilometer. Von manchen Orten im Nordkreis soll gar der aufsteigende Rauch des Kraftwerks zu sehen sein. Bei dieser Nähe drängen sich einige Fragen auf: Wie wirkt sich das Betriebsende der Atommeiler in Grohnde auf die Stromversorgung im Weserkreis aus? Wird der Strom dann teurer, das Netz instabil? Im August 1984 wurde in Grohnde erstmalig die Kernspaltung eingeleitet. Sechs Tage danach ging es ans Netz. Nach Angaben des Betreibers Preussenelektra erzeugt das Kraftwerk pro Jahr rund 11 Milliarden Kilowattstunden Strom. Das reicht den Angaben zufolge, um drei Millionen 3-Personen-Haushalte ein Jahr lang zu versorgen. Eine Leistung, die bald fehlen wird. Auch im Kreis Höxter. Wieviel Strom kommt aus Grohnde in den Kreis Höxter? Die Frage ist nicht leicht zu beantworten. Klar ist: Der Kreis Höxter konnte seinen Strombedarf im Jahr 2019 nach eigenen Angaben zu 87 Prozent aus erneuerbaren Energien decken. Theoretisch. Was beim Endverbraucher tatsächlich aus der Steckdose kommt, ist jedoch immer gemischter Strom. Denn alle Stromerzeugungsanlagen speisen in das gleiche Netz ein. Bildlich gesprochen kippen sie ihre Erzeugnisse in einen großen Stromsee. Vom Netzbetreiber Westfalen-Weser-Netz heißt es auf Anfrage: "Ein Teil des im Kreis Höxter genutzten Stroms stammt aus dem Kernkraftwerk Grohnde." Für Genauere Angaben verweist Sprecher Edgar Schroeren auf den für das übergeordnete Netz zuständigen Betreiber Tennet. Dort erklärt Sprecher Markus Liebknecht: "Als Übertragungsnetzbetreiber haben wir unsere gesamte Regelzone im Blick sowie das gesamtdeutsche Netz. Wir können das nicht auf die Kreisebene herunterskalieren." Man könne den Landkreis Höxter nicht in seinen Grenzen als Anhaltspunkt nehmen, sondern müsse stets ein ganze Region, die auch weit über einzelne Landkreisgrenzen reichen kann, betrachten. Zum Hintergrund: Im Kreis Höxter betreibt Tennet als sogenannter Übertragungsnetzbetreiber zwei Umspannwerke. Eines in Marienmünster-Vörden, ein zweites in Würgassen bei Beverungen. Darüber würde seine 380-kV-Leitung Grohnde-Würgassen-Bergshausen mit dem nachgelagerten 110-kV-Netz verbunden, das zum Beispiel von einem sogenannten Verteilnetzbetreiber wie Westfalen-Weser betreut wird, sagt Sprecher Lieberknecht. "Vereinfacht gesagt sind die Tennet-Leitungen die Stromautobahnen und die Umspannwerke in Vörden und Würgassen die Auf- und Abfahrten, die den Landkreis Höxter bestmöglich an den überregionalen Verkehr anbinden", veranschaulicht der Sprecher. "Je nach Bedarf wird über diese Umspannwerke Strom in die Region gebracht oder auch abtransportiert, wenn zu viel Grünstrom lokal erzeugt wird." Ist die Stromversorgung gesichert? Dass plötzlich die Lichter ausgehen, ist offenbar nicht zu befürchten. Westfalen-Weser-Sprecher Edgar Schroeren erklärt hierzu: "Die Abschaltung hat keine negativen Auswirkungen auf die Stromversorgung im Kreis Höxter, da sie aus der Perspektive von Westfalen Weser aus anderen Quellen gesichert ist." Solange das vorgelagerte 380 KV-Netz stabil sei, sei auch die Netzstabilität bei Westfalen Weser gewährleistet. Das heißt: Sorgt Tennet für den richtigen Ausgleich zwischen Stromangebot und -nachfrage hat auch Westfalen-Weser als nachgelagerter Betreiber keine Probleme. Von Tennet heißt es: Man habe sich schon seit zehn Jahren auf die Abschaltung vorbereiten können. "Selbstverständlich wurde und wird wiederkehrend überprüft, inwiefern sich die Abschaltung eines oder mehrerer Kraftwerke auf die Netzstabilität in ganz Deutschland letztlich aber auch europaweit auswirken könnte." Eine Gefahr für die Stromversorgung im Kreis Höxter sieht auch Lieberknecht nicht. Er verweist auf den Anteil des Strombedarfs, der im Kreis bereits aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden könnte. Wird Strom jetzt teurer? Unter den Stromanbietern ist Eon einer der zuständigen Grundversorger im Kreis Höxter. In dieser Funktion stellt das Unternehmen sicher, dass in jedem Haushalt Strom aus der Dose kommt, auch ohne, dass man sich explizit um einen Anbieter gekümmert hat. Ein Sprecher erklärt mit Blick auf die Grohnde-Abschaltung auf Anfrage: "Da wird der Verbraucher nichts von merken." Die benötigten Energiemengen würden "vorausschauend und langfristig" an den Energiebörsen eingekauft. Eine Preisanpassung für die Strom-Grundversorgung sei nicht geplant. Neben dem Spiel aus Angebot und Nachfrage im Markt hänge der Strompreis außerdem von vielen weiteren Faktoren ab, bemerkt der Sprecher. Darunter staatlich festgelegte Steuern, Netzentgelte, Abgaben und Umlagen. "Wo die Strompreise genau hingehen, können wir nicht sagen", erklärt Sandra Hübner, Sprecherin der EAM-Gruppe, zu der die Beste Stadtwerke gehören. Man könne nicht in die Glaskugel schauen. Beste-Sprecherin Julia Franzmann sagt, dass sich die Abschaltung natürlich an den Energiebörsen bemerkbar machen werde. Schließlich verändert sich das Gefüge von Angebot und Nachfrage. In Richtung der Beste-Stromkunden sagt sie jedoch: Ihnen seien erst kürzlich neue Angebote gemacht worden. "Diese Preise stehen." Tennet-Sprecher Lieberknecht geht davon aus, dass die Kosten beim Betrieb der Netze langfristig sinken könnten. Der Grund ist ein technischer. Um überschüssigen Windstrom aus Norddeutschland in den Süden abzutransportieren, reichten die Leitungskapazitäten an windreichen Tagen nicht aus. Müssen deswegen Windkraftanlagen abgeschaltet werden, erhalten die Betreiber eine Entschädigung. Es entstehen Kosten. Wenn der ohnehin vorhandene Windstrom einfacher durchkomme, würden solche Kosten wegfallen. "Zusätzliche neue und frei werdende Leitungskapazitäten werden die gesamten Kosten im Netzbetrieb auf lange Sicht reduzieren", so Lieberknecht.

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