Eine Anlage im Kreis Höxter, die bundesweit für stabile Stromversorgung sorgen soll – Wie geht das?

Kreis Höxter/Beverungen. Von der Lauenförder Straße aus ist nichts zu sehen: Die riesige Anlage verbirgt sich hinter Bäumen und dichtem Buschwerk. Auch wer den Worthweg bis zum Zaun hinuntergeht, sieht den riesigen Komplex nur schemenhaft. Dabei ist das Areal unheimlich wichtig. Hier schlägt zwar nicht das Herz der Energiewende - aber hier soll dafür gesorgt werden, dass es keine Aussetzer bekommt. &bdquo;Brrrrrrrrrrrrr“: Das Brummen ist tief, eindringlich und wirkt ein wenig bedrohlich. Doch der Maschinentransformator tut nur seine Arbeit. Und das geht nicht geräuschlos. Geräte dieser Größe kommen normalerweise an großen Kraftwerken zum Einsatz. In Wurfweite des ehemaligen Atomkraftwerks Würgassen ist genau solch ein Transformator neu errichtet worden. Er sorgt nicht dafür, dass Strom erzeugt werden kann, sondern soll garantieren, dass das Netz stabil bleibt. &bdquo;Ich sage immer, es ist ein Kraftwerk ohne Kraft“, sagt Mathias Schreiber und zieht den weißen Schutzhelm mit der Aufschrift Tennet ein wenig tiefer ins Gesicht. Der Blick von der Treppe auf den Generator: Riesige, weiß gestrichene Rohre, die die Prozesswärme abtransportieren, ein schmaler Gang über einen Metallboden, helles weißes Licht aus kalten LED-Panels. Es ist nicht das Innere eines Raumschiffs; wir befinden uns in keiner fernen Zukunft. Mehr zur Stromversorgung der Zukunft: Energiewende im Kreis Höxter: So verändert Digitalisierung die Stromversorgung Was Bierschaum mit der Energiewende zu tun hat Der Projektleiter bei Siemens-Energy spricht davon, dass hier Blindleistung verfügbar gemacht werde. Blindleistung? &bdquo;Das ist wie der Schaum auf dem Bier“, erläutert er. Wenn das Fass frisch angestochen wird, entsteht besonders viel Schaum beim Zapfen. Das ist schlecht für den, der am Zapfhahn steht. Und für den, der Durst hat. Die riesige Anlage zwischen Axelsee und dem Ortskern soll dafür sorgen, dass das Bier trinkbar wird. Auch der Titel der Anlage klingt ein wenig wie aus einem Film aus der Serie Raumschiff Enterprise. Es ist der zweite rotierende Phasenschieber im Tennet-Netz, viele weitere werden folgen. Das Unternehmen betreibt in Deutschland ein Stromnetz mit einer Länge von fast 14.000 Kilometern. Und es wächst: Mitten durch die Republik baut das Unternehmen die Südlink-Trasse, die das Stromnetz fit für den Klimawandel machen soll. Durch den Kreis Höxter führt der Rhein-Main-Links des Unternehmens Amprion. Lesen Sie auch: Firma Amprion prüft Boden in Höxter für riesigen Stromtrassenbau Etliche Maschinen stehen auf dem Areal bei Würgassen Der zwei Stockwerke hohe Generator hatte in der vergangenen Woche bereits seine erfolgreiche Premiere: Fünf Stunden lang lief die Maschine. Noch jetzt, Tage später, ist das Gehäuse warm wie ein Frühstücksbrötchen. Das haushohe Gerät, es bringt sage und schreibe 356 Tonnen auf die Waage, war im Februar 2024 mit einem Schiff über die Weser transportiert worden. In Höhe der Gaststätte Eulenkrug ging es auf die Straße. Mit ihm kamen etliche weitere Maschinen, Kondensatoren, Transformatoren, Kühlgeräte und Generatoren. Neben dem rund 4.600 Quadratmeter großen Areal, das vollgepackt ist mit Technik, ragt der Kraftwerksblock von Würgassen in die Luft. Ein Mahnmal aus einer längst vergangenen Zeit an die strahlende Zukunft - ohne Radioaktivität. Passend zum Thema: Mega-Generator kommt in Beverunger Ortsteil an Das Geheimnis um die Kosten der Energiewende Auch hier soll sie beginnen, die Zeit der neuen Energie. Das versichert jedenfalls Simon Konzelmann, Direktor Betrieb bei Tennet. Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Klimaneutralität sei der Phasenschieber. Er mache das Netz &bdquo;stärker, flexibler und sicherer“ und trage dazu bei, dass die Stromkosten in Deutschland im Rahmen bleiben. Auch Landrat Michael Stickeln lobt das Projekt und stellt den großen Anteil des Kreises Höxter bei der Umstellung auf regenerative Energien heraus: &bdquo;Hier ist der Nukleus der Energiewende“, sagt er. Wie viel Geld Tennet für den Phasenschieber in die Hand genommen hat, dazu will Tennet-Pressesprecherin Lisa Böllert keine Auskunft geben. Es sei Firmenpolitik von Tennet, dass Tennet dazu nichts sage. Auch lesenswert: Erneut Trafo-Großtransport unterwegs nach Würgassen Ein anderes Unternehmen setzt auf mehr Transparenz Ein anderer Netzbetreiber verfolgt einen völlig anderen Ansatz. Bereits im Juli 2024 hat Amprion einen rotierenden Phasenschieber in Hoheneck in Baden-Württemberg in Betrieb genommen. Auch dort hat Siemens-Energy, wie in Würgassen, die Technik geliefert und eingebaut. Amprion hatte die Kosten auf rund 60 Millionen Euro beziffert. Das Summen des Maschinentransformators zeigt an, dass der Phasenschieber einsatzbereit wäre, in dieser Sekunde. Bis er dem Netz auf die Sprünge helfen könnte, braucht er aber dann ein wenig. &bdquo;Das Anfahren dauert 15 Minuten“, sagt Schreiber. Erst wenn der Generator sich 3.000 Mal pro Minute dreht, ist er synchron mit dem Netz. &bdquo;Dann kann die Anlage ans Netz gehen“, erklärt Schreiber. Ebenfalls interessant: Neue Flächen für Windräder: Den Kreis Höxter trifft es am härtesten Weshalb es die neue Anlage überhaupt braucht Zum Einsatz kommen würde der Phasenschieber auch etwa nach einem Stromausfall. Die Anlage würde dabei helfen, das Netz wieder möglichst rasch in Schwung zu bringen. Dass der Generator ohne Kraftwerk überhaupt zum Einsatz kommt, hat damit zu tun, dass zum einen mehr Energie von A nach B transportiert wird - Stichwort Offshore-Windparks. Zum Anderen damit, dass immer weniger konventionelle Kraftwerke im Einsatz sind. Früher konnten sie &bdquo;die Blindleistung durch ihre rotierenden Generatoren gezielt beeinflussen“, erläutert Tennet. Oder in verständlicherer Sprache: Sie konnten die Schaumhöhe auf dem Bier direkt beeinflussen. Windkraftanlagen können das nicht. Deshalb braucht es das neue Raumschiff mit Kurs auf die Zukunft. Es ist bei Würgassen gelandet. Wer versteht, was es dort soll, der findet das tiefe und sonore Brummen des riesigen begehbaren Maschinentransformators nicht mehr ganz so bedrohlich. Immer informiert bleiben: Hier gelangen Sie direkt zum Whatsapp-Kanal der NW Höxter.

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