Doku-Reihe zum Horrorhaus in Bosseborn: „Opfer erinnerte an KZ-Häftling“

Höxter-Bosseborn. Ein dunkler Feldweg. Die Seitenscheibe eines Autos wird runtergefahren. Und dann ist da diese Hand, die am Straßenrand Asche verstreut. Die Asche sieht aus wie Schneeflocken, die um das Horrorhaus von Bosseborn herumwirbeln. Das ist das Leitmotiv der dreiteiligen Doku-Reihe, die jetzt in der ARD-Mediathek abrufbar ist. Es ist die Asche einer jungen Frau namens Anika, die dort ermordet wurde. Mehr als eineinhalb Stunden umfasst die Sendereihe, die aus nachgestellten Szenen, echten Filmaufnahmen, Dokumenten, Fotos, nachgesprochenen Aussagen und Interviews besteht. Gleich zu Beginn ist der Warnhinweis zu lesen, dass der Zuschauer sich auf drastische Schilderungen einstellen müsse. Und so ist es dann auch. Man muss sich auf den Anblick der zerbeulten Kühltruhe gefasst machen, in der die Tote lag. Auf das Geräusch der Handsäge, mit dem Angelika W. den Leichnam zerstückelte. Auf das Kotelett, das sie probehalber im Ofen verbrannte, ehe sie die Leichenteile hineinwarf. Auf den Anblick der Badewanne, in der die Gequälten angekettet wurden – nackt. Harter Tobak. So empfand es auch Kommissar Norbert Freier, der Angelika W. als erster verhörte – 60 Stunden, zehn Tage lang. Die wollte reden. Darüber, dass sie erst überlegt hatten, Anika den Schweinen zum Fraß vorzuwerfen, dann aber doch auf die Idee kamen, sie mithilfe des Wohnzimmerkamins zu &bdquo;entsorgen". &bdquo;Da bin ich in das Nachbarbüro gegangen, habe das Fenster aufgemacht, tief durchgeatmet und gegen die Tür getreten", erinnert sich der Polizeiermittler. Auch Notärztin kommt zu Wort Auch die Notärztin kommt zu Wort, die dem zweiten Opfer Susanne F. nicht mehr hatte helfen können, das man bei einer Autopanne auf dem Rücksitz des Wagens von Angelika und Wilfried W. gefunden hatte: &bdquo;Sie saß auf Müllsäcken, sah schmuddelig aus, überall eitrige Wunden, zu dünn angezogen." Die Frau habe sie an einen ausgezehrten KZ-Häftling der Nazizeit erinnert. Zwei Stunden später ist auch Susanne F. tot. Und die Ermittlungen gegen das mörderische Paar aus Bosseborn nehmen ihren Lauf. Besonders eindringlich sind die Interviews mit Anikas Mutter Sigrid Kamisch. &bdquo;Angelika W. ist für mich wirklich ein Monster", sagt grauhaarige ältere Dame mit ruhiger, fester Stimme. Keinen Tag vor Gericht hat sie verpasst. Obwohl sie als Nebenklägerin ihrem sogenannten Schwiegersohn und seiner Komplizin gegenübersitzen musste. Sie zeigt Fotos von Anika. Zwei Monate war ihre Tochter in der Hand des Folterpaares, bevor sie starb. Die Opfer von Bosseborn werden in der WDR-Doku-Reihe durch die Berichte ihrer Angehörigen greifbarer, die Taten dadurch umso grausamer. Es werden aber auch Fotos der Verletzungen gezeigt, die Wilfried W. seiner Ex-Frau Angelika zufügte, der sie ebenfalls misshandelt hatte. &bdquo;Es ist schon Hardcore, was ihr da widerfahren ist", sagt der Kommissar. &bdquo;Wenn andere Frauen im Haus waren, hatte sie ihre Ruhe vor ihm", sagt Angelikas Verteidiger Peter Wüller, der von einer bösartigen Symbiose, einer gegenseitigen Abhängigkeit der beiden Täter spricht. Ganz anders der Anwalt von Wilfried W.: Angelika sei eine Sadistin, die beim Quälen Lust empfunden habe, es liebte, devot zu sein, ist Detlev Binder überzeugt. nw.de-Gerichtsreporter spricht Dazu passt auch die Schilderung von Jürgen Mahnke, Gerichtsreporter von nw.de: &bdquo;Sie erzählte ohne Ende, ohne jede Empathie, machte einen herrischen Eindruck." Später wird man sie in der Boulevard-Presse die Hexe von Höxter nennen. Wilfried W. habe dagegen freundlich gewirkt. Er könne verstehen, dass die verliebten Frauen von ihrem &bdquo;Teddy" sprachen. Kaum vorstellbar, dass er zur Strafe zuschlug, sobald der Tee fünf Minuten später serviert wurde. Acht Frauen sieht man nur von hinten beim Verlassen oder Betretens des Gerichtssaals oder mit unkenntlich gemachten Gesichtern. Sie waren dem Paar entkommen, nachdem sie per Zeitungsannonce angelockt, um ihre gesamten Ersparnisse erleichtert und schrecklich gefoltert worden waren. Wer von den beiden Angeklagten welchen Anteil an den Taten hatte, bleibt unklar. Angelika W. steht jedoch deutlich mehr im Vordergrund der Dokumentation als ihr Ex-Mann, der ja bereits einschlägig vorbestraft war, ehe sie ihn kennenlernte. Die Fernsehkamera gewährt Einblicke ins Horror-Haus – auf die Tapeten, die von den feuchten Wänden fallen, verschimmelte Ecken, bröckelnden Putz und die Küchenfliesen mit den nostalgischen Kaffeekannen drauf. In den Schweinestall und in den Keller mit der Kühltruhe. Und es geht natürlich um den Ort Bosseborn und die Rolle der Nachbarn. Einige Bewohnerinnen und Bewohner stellen sich dem Interview.Friedbert Schulze erinnert sich, wie er einmal an dem Haus vorbeifuhr und das Paar sah - zusammen mit einer jungen Dame mit etwas stoppeligem Haar, die apathisch wirkte. &bdquo;Ich dachte mir: Cool, dass die beiden sich um die Frau kümmern." Als er später von den Morden erfuhr, habe er sich Vorwürfe gemacht. &bdquo;Was hätte ich denn machen sollen? Rausspringen und sagen: Sie tun da etwas, was nicht sein sollte? So denke ich nicht. Ich helfe Leuten und denke auch immer, dass andere das auch tun." Nur niemandem aufgefallen Anwohner hatten beobachtet, wie Anika zwei Tage vor ihrem Tod auf dem Hof zusammenbrach. Und dennoch: &bdquo;Kein Mensch hat einen blassen Schimmer gehabt, was hier passiert", sagt eine Bossebornerin. Auch Höxters Bürgermeister Daniel Hartmann wird befragt: &bdquo;Die Leute haben nicht weggeguckt. Es ist nur niemandem aufgefallen." Angelikas Verteidiger Peter Wüller kann nicht verstehen, warum niemand mal wegen der seltsamen Vorgänge bei den nachtaktiven Außenseitern beim Ordnungsamt anrief. &bdquo;Die hatten nicht den Arsch in der Hose", wird er drastisch. Versöhnlich dagegen die Mutter von Anika. Sie möchte die Bosseborner nicht verurteilen. &bdquo;Ich weiß nicht, wie ich reagieren würde", sagt sie in die Kamera. Dann wieder Luftbilder vom verschneiten Dorf und vom Ortsschild im Nebel. Angelika W. sitzt für 14 Jahre im Gefängnis, Wilfried W. sollte für elf Jahre in die Psychiatrie. Seit dem Spätsommer sitzt auch er hinter Gittern. Es gilt mittlerweile als erwiesen, dass er nicht vermindert schuldfähig ist.

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