Die Buche im Kreis Höxter: "Rausgehen, angucken, stolz sein"

Kreis Höxter. Jetzt ist die Zeit, um in den Wald zu gehen: Sonnenlicht fällt durch die in tiefe Pastelltöne getauchten Blätter und wirft auf den Boden ein goldenes Licht. Solche herbstlichen Waldmomente sind im Kreis Höxter an vielen Stellen zu sehen - immerhin gibt es in den Forsten des Kreises riesige Buchenbestände. Die Auszeichnung der Rotbuche als Baum des Jahres 2022 ist damit auch so etwas wie eine Auszeichnung für die Wälder des Kulturlands. Immerhin gilt das zuständige Regionalforstamt Hochstift mit Sitz in Bad Driburg als das Buchenforstamt in NRW, in keinem anderen Waldgebiet ist die Buche so weit verbreitet wie hier, obwohl der hochwachsende Baum eigentlich natürlicherweise die dominierende Art in Deutschland ist. Und ihre Bedeutung nimmt gerade weiter zu, weiß Roland Schockemöhle, Leiter des Regionalforstamtes Hochstift von Wald und Holz NRW. Gestern Dass die Buche im Kreis Höxter schon immer eine wichtige Rolle im Wald gespielt hat, dafür gibt es etliche Belege, so Roland Schockemühle, der sich auch mit der kulturgeschichtlichen Bedeutung des Baumes befasst hat. Er verweist etwa auf die Novelle "Die Judenbuche", die in Bellersen spielt und für die die Buche sogar namensgebend war. Annette von Droste-Hülshoff habe "eben nicht von einer Linde oder Eiche geschrieben", sagt der Förster. Die Buche wurde schon vor Jahrhunderten als Mastbaum verwendet, Hirten gingen mit ihren Tieren in den Wald, wo die Bucheckern als Nahrung dienten. "Ohne verbreitete Buchenholzvorkommen hätte es auch die Glashütten in der Region nicht geben können", erläutert Schockemöhle. Das Vorhandensein der Glashütten führte allerdings zu einer deutlichen Übernutzung des Baumes - es wurde mehr gefällt, als nachwachsen konnte. "Die Preußen haben dann die Wiederaufforstung betrieben", weiß der Waldexperte. Vordenker war der Preuße Hans Carl von Carlowitz (1645 bis 1714), der die Idee entwickelt hat, dass höchstens so viele Bäume entnommen werden sollten, wie neue Bäume nachwachsen konnten. Jeder gefällte Baum wird seitdem mindestens durch einen Nachwuchsbaum ersetzt, wodurch die Zukunft des Waldes gesichert schien. Carlowitz hatte schon damals dafür den Begriff der Nachhaltigkeit geprägt. Seine Idee setze sich schließlich auch im Kreis Höxter durch, die Wälder wuchsen wieder. Heute 2014 lag der Anteil der Buchen am Landeswald bei 33 Prozent, heute geht Schockemöhle davon aus, dass es rund 45 Prozent sind. "Rausgehen, angucken, stolz sein", sagt Schockemühle zu dem landesweit höchsten Buchenanteil im Wald. Dass er weiter gestiegen ist, liegt in erster Linie daran, dass der Anteil der Fichten dramatisch zurückgegangen ist. Stichworte Dürre, Hitze und Borkenkäfer. Letzterer ist zwar keine Gefahr für die Rotbuche, Trockenheit und Temperaturen setzen aber auch ihr zu. "Die Blätter sind kleiner, es gibt tote Äste im Kronenbereich, einige Exemplare sterben auch. Aber ein großes Buchensterben gab es nicht." Noch nicht, ließe sich da sagen, "wir beobachten das sehr aufmerksam". Der Forstamtsleiter geht davon aus, dass in Zukunft weitere Buchen auf der Strecke bleiben werden. Und auch beim Fällen von gesunden Bäumen sei man deshalb sehr vorsichtig. Es gebe zwar gezielten Einschlag, der sei aber zurückhaltender als sonst. "Die Buchen sollen nicht zu sehr ihre Nachbarn links und rechts verlieren", erläutert der Waldexperte. Denn das könne zu einer höheren Austrocknung der Bäume beitragen und somit das Hitze- und Dürreproblem verschärfen. "So eine dicke Buche kann bis zu 500 Liter Wasser am Tag brauchen, deshalb sollte sie möglichst viel für sich behalten." Allerdings wird künftig durch den Totalausfall der Fichte auch eine Menge Holz gebraucht. Etwa zum Bauen. Bislang wird dafür ungern Buchenholz genommen, weil es sich vergleichsweise schlecht bearbeiten lässt. "Die Nachfrage ist aber riesig", konstatiert Schockemöhle. Damit sie auch ohne Fichten - mit Buchenholz - gedeckt werden kann, sieht der Forstamtsleiter "großen Forschungsbedarf". Morgen Dass die Buche auch künftig in den Wäldern des Kreises eine immense Rolle spielen wird, davon ist Schockemöhle jedenfalls überzeugt. Immerhin sei der Baum anpassungsfähig. "Ein klares Ja, auf die Frage, ob es lohnenswert ist, noch auf die Buche zu setzen", sagt er. Allerdings müsse immer auf den Standort geschaut werden. An einigen Orten dürfte es langfristig zu trocken für Buchen werden, etwa in exponierten Hanglagen, wo Wasser sofort abfließt. "Junge Bäume dürften besser mit den Bedingungen klarkommen", ist er überzeugt. Auch, weil die Buche im Falle von Dürre oder Trockenheit einfach aufhören kann zu wachsen, um Energie zu sparen. "Wir nennen das das Oskar-Syndrom, weil der Protagonist im Roman 'Die Blechtrommel' von Günter Grass Oskar hieß. Und der hörte in der Geschichte auch einfach auf zu wachsen", erläutert Schockemöhle. Das Regionalforstamt setzt stark auf Naturverjüngung. Heißt: Da, wo schon Buchen stehen, fallen Bucheckern. Daraus erwachsen neue Bäume, die lassen die Förster stehen und fördern sie sogar. So entsteht ein Wald der Zukunft mit Bäumen, die sich ideal auf die Bedingungen am jeweiligen Standort einstellen konnten. Reine Buchenvorkommen wird es aber nicht geben, die Waldexperten setzen auf einen Mix - Laubmischwald heißt das Stichwort. Die Baumvielfalt soll auch ein Beitrag dazu sein, dass der Wald noch resistenter gegenüber den Folgen des Klimawandels wird.

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