Auf dem Emmerkehof in Borgentreich eröffnet eine Praxis

Borgentreich. Der mächtige dunkelbraune alte Schreibtisch neben der modernen Behandlungsliege im Praxiszimmer: &bdquo;Ein Erbstück“, sagt Carolin Berlage. Oma Änne hatte das gute Stück vor 70 Jahren zur Hochzeit geschenkt bekommen. Gefertigt vom Bruder, einem Schreiner. Dass die Möbel im Haus bleiben sollten, das habe die Großmutter testamentarisch verfügt, sagt Berlage und streicht über das Holz. Daran wollte sie sich beim Umbau des 100 Jahre alten Familienhofes halten. Die Landwirtschaft werde auslaufen, sagt Vater Diethelm. In das Bauernhaus zieht mit der Praxis, die die 30-Jährige nun eröffnete, anderes Leben ein. Am Menschen zu arbeiten, das habe sie schon immer gewollt, sagt Berlage. Ihrem Realschulabschluss folgte eine Ausbildung zu Physiotherapeutin. Mit 20 Jahren examiniert, arbeitete sie zuletzt fest angestellt in Rimbeck. Den Job hat sie gekündigt, um auf der elterlichen Hofstätte eine eigene Praxis zu eröffnen. Zuvor hatte sie vier Jahre lang nebenberuflich eine Ausbildung in Osteopathie absolviert, die sie Ende 2019 anschloss. Osteopathische Behandlungen seien stark nachgefragt, bemerkt Berlage, und würden mittlerweile von vielen Krankenkassen bezuschusst. Ein mutiger Schritt Dennoch ein mutiger Schritt in die Selbstständigkeit. Der Hof bot Platz und Raum, sie ergriff die Chance. Die Eltern mussten nicht lang überzeugt werden. Sie zogen vom Herrenhaus ins ehemalige Landarbeiterhaus. Umgekehrt wechselte Berlage mit ihrem Partner ins große Wohngebäude, das sie modernisierten und umbauten. &bdquo;Schön zuhause zu sein und zuhause arbeiten zu können“. Eine befreundete Kollegin aus der Region riet ihr, eine eigene Praxis zu eröffnen und half. &bdquo;Wie eine Ziehmutter hat sie mich in die Richtung geschoben“, sagt Berlage heute. Beim Ausbau des Gebäudes habe sie auf den weiten Freundeskreis, Verwandte und Bekannte setzen können. Beginnend mit einer &bdquo;Abrissparty“ vor gut zwei Jahren. Da wurde an den drei Tagen nicht wirklich gefeiert, sondern geschuftet. &bdquo;Wenn die Freundin mit der Tante die Tapeten abreist, lernen sie sich besser kennen, als am Geburtstagskaffetisch“, weiß Berlage. Der Zusammenhalt bedeutet ihr viel. In Nachbarschaft der Emmerieke-Kirchturm-Ruine Große Teile des Hauses wurden nach und nach komplett entkernt, der alte Anbau abgerissen und durch einen neuen ersetzt. Die zuverlässigsten Handwerker: Mutter Michaele (57) (&bdquo;ohne sie würde hier nichts laufen“) und Opa Karl-Heinz. Der 83-Jährige packte kräftige mit an, kümmerte sich um die Putzarbeiten im Innern. Oma Inge (81) kochte an den Wochenenden für die fleißige Schar der Helfer, versüßte die Arbeit mit Kuchen. 1914 war der Ursprungshof der Berlages in der Borgentreicher Ortsmitte abgebrannt, die Familie siedelte innerhalb der Stadtgrenzen um, mietete sich ein Gehöft. 1921 wurde an der Landstraße in Richtung Bühne neu gebaut. Zunächst eine Scheune, dann in späteren Jahren der Stall, 1930 das Wohnhaus. Sechs Jahre danach kam die Remise hinzu. Eine stattliche Hofanlage. 40 Hektar bewirtschaftet Landwirt Diethelm Berlage (59) heute noch, baut Getreide und Raps an. &bdquo;Eigenes Land“, betont Berlage. &bdquo;Unter einem Teil der Fläche liegt die vor etwa 500 Jahren verwüstete Ortschaft Emmerieke, die Ruine der Kirche steht noch“, wie er in seiner Abschlussarbeit an der Landwirtschaftsschule die Herkunft des Hofnamens erklärt. Als einziger Sohn erbte er Land und Hof. In jungen Jahren gehörte die Leidenschaft des Landwirts in sechster Generation allerdings eher dem Autodesign. Davon ist bis heute die Liebe zum Modellbau als Hobby geblieben. Sieben Highland-Rinder Ein Unfall auf der Autobahn wird 2013 für Tochter Carolin zu einem Schlüsselerlebnis. &bdquo;Mit Tempo 100 aufgefahren“, schildert sie die Situation. Der Airbag löste nicht aus, zurück blieb ein Schleudertrauma. Die körperlichen Beschwerden seien die eine Seite, sagt Berlage. Dankbar sei sie für das aufkeimende Bewusstsein, &bdquo;wie schnell das Leben zu Ende sein kann“. Die Zeit nach dem Unfall habe ihr die Möglichkeit eröffnet, sich weiterzuentwickeln. &bdquo;Das Leben zu genießen und das zu tun, was sich richtig anfühlt“, umschreibt sie. An diesem Prozess sei sie gewachsen, zeigt sie sich heute dankbar. Als &bdquo;sehr zuverlässig und ehrgeizig“, beschreibt sie sich selbst. &bdquo;Und manchmal etwas nervig“, ergänzt Vater Diethelm. Seine Tochter sei selbstbewusster geworden, an der beruflichen Aufgabe gereift. Fest zur Familie gehören Hund Bruno, ein paar Hühnern und Katzen. Die Landwirtschaft, mit der die Tochter und ihr Bruder aufwuchsen, hat auch die Physiotherapeutin nicht ganz so ganz losgelassen. Neben der Praxis sollen in den kommenden Jahren &bdquo;sieben Highland-Rinder“ hinzukommen. Eine Vorstellung, mit der der Vater noch fremdelt. &bdquo;Trecker fahren kann sie“, sagt er. Am Wochenende wird ein Trecker-Oldie abgeholt. Ein 40 Jahre alter Holder B10 mit schlanken 10 PS, den Carolin im Schuppen &bdquo;als Hoftrecker“ restaurieren möchte. Er wird dann neben dem landwirtschaftlichen Oldtimer-Gefährt, einem Ford Major, Baujahr 1965, von Lebenspartner Magnus Göke stehen.

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