Beverungen. Das Orange Blossom Special Festival wird zum dritten Mal verlegt. Statt im August 2021 wird die renommierte Open-Air-Veranstaltung nun am Pfingstwochenende 2022 stattfinden.
Veranstalter Rembert Stiewe äußert sich zu den Gründen: „Es ist monströs traurig, und wir sind untröstlich. Ein weiteres Jahr ohne OBS tut weh. Aber es geht nicht anders, das OBS 24 muss erneut verlegt werden. Wir haben gekämpft und gebangt, gehofft und gezweifelt, haben Hygienekonzepte verfasst und uns in Online-Workshops fortgebildet, haben Verbandsarbeit betrieben und versucht, die landespolitisch Entscheidenden auf Fehleinschätzungen und Möglichkeiten hinzuweisen – auch nach intensiver Abwägung aller Alternativen müssen wir nun aber einsehen, dass es keine Chance mehr gibt, in diesem Jahr ein OBS zu veranstalten."
Dies habe mit den zu erwartenden Gefährdungen zu tun, mit dem Schutz für Publikum, Musikerinnen, Musiker und Personal. „Das ist eher eine gefühlte Begründungsebene, aber es würde sich trotz eines ausgeklügelten Hygiene- und Infektionsschutzkonzeptes immer noch falsch anfühlen, Ende August auf Gedeih und Verderb ein Festival mit 4.000 Menschen durchzuführen. Wir wollen ein möglichst unbeschwertes Erlebnis bieten, wollen Genuss ohne Reue. Das Leben ist allerdings kein Wunschkonzert – schon gar nicht derzeit."
Was die Durchführung des OBS aber darüber hinaus rational nahezu unmöglich macht, ist die Verordnungslage. Das Team des OBS muss sich hier der Coronaschutzverordnung NRW beugen, die Musikfestivals in der Inzidenzstufe 1 erst ab dem 27. August erlaubt, mit einer Teilnehmenden-Obergrenze von maximal 1.000 Personen. Die in der vergangenen Woche von NRW-Gesundheitsminister Karl -Josef Laumann vorgestellte Öffnungsoffensive birgt scheinbar den Wegfall vieler Einschränkungen für Großveranstaltungen und Festivals. Vielerorts sind daher derzeit Schlagzeilen zu lesen wie „Großveranstaltungen dürfen stattfinden" oder „Am Freitag öffnen die Clubs . Daher ist es schwer verständlich zu machen, dass und warum nun nicht alle Veranstaltungen einfach so wieder ganz selbstverständlich ohne Einschränkungen stattfinden können, so Stiewe weiter.
Teufel liegt im Detail
Denn der Teufel liegt im Detail. In der jüngst in NRW neu eingeführten „Inzidenzstufe 0", die eine stabile 7-Tages-Inzidenz unter zehn bedeutet, wäre die Durchführung des OBS augenscheinlich möglich. Die einzige pandemische Einschränkung wäre, Zutritt lediglich getesteten und immunisierten Personen zu gestatten (GGG-Prinzip). Ob man Ende August allerdings fest mit einer stabilen Inzidenz von unter zehn rechnen können – und das sowohl im Kreis Höxter als auch parallel im Land NRW – steht in den Sternen, argumentiert der Veranstalter.
„Das Risiko ist sehr hoch, dass uns die Durchführung der Veranstaltung kurzfristig um die Ohren fliegt, sollte sich die 7-Tages-Inzidenz ein oder zwei Wochen vor der Veranstaltung auf über 10 erhöhen", so Stiewe. „Denn in Inzidenzstufe 1 ist die Durchführung des OBS wegen der Deckelung auf 1.000 Besuchende und dem dann frühesten Durchführungstermin 27. August nicht möglich, da die Veranstaltung mit knapp 3.500 verkauften Karten nach wie vor ausverkauft ist."
Eine solch kurzfristige Absage wäre für die OBS-Organisatoren ein existenzielles Problem, denn viele Produktionskosten würden entstehen, die bei einer weiter im Vorfeld terminierten Verlegung beziehungsweise Absage des Festivals noch vermeidbar bleiben, wie zum Beispiel Gagen, Hotelübernachtungen, Catering-Verträge, Personalkosten, Technik und diverse Dienstleistungen. Zum Erlösausfall und zu den ohnehin anfallenden Kosten kämen daher noch mal gehörige Mehrkosten hinzu.
Weitreichende Entscheidung
Um eine so weitreichende Entscheidung wie die erneute Verlegung nicht lediglich aus dem Bauch heraus treffen zu müssen, hat Stiewe den Austausch mit Epidemiologen, den lokalen Genehmigungsbehörden, Veranstalterverbänden und anderen Veranstaltenden gesucht. Die einhellig vorherrschende Meinung der Experten sehe die Wahrscheinlichkeit als hoch an, dass die Inzidenzstufe 0 gegen Ende August nicht zu schaffen sein wird. „Das vorherige Ende der Sommerferien in gleich sechs Bundesländern sowie die derzeitigen Öffnungen in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen werden voraussichtlich die Delta-Infektionsraten befeuern, der noch nicht weit genug reichende Impffortschritt spricht gegen eine Durchführung ebenso wie die Tatsache, dass 90 Prozent des Publikums und sämtliche Musikerinnen, Musiker und deren Teams nicht aus der Region, sondern aus ganz Deutschland und dem angrenzenden Ausland anreisen würden", berichtet Stiewe.
Er übt scharfe Kritik an der Politik. „Die Unterstützung der Festivalkultur lässt derweil zu wünschen übrig, hier halten die Maßgaben der Finanzhilfen des Bundes eine bittere Pointe für das OBS bereit: der seit Herbst 2020 angekündigte und erst am 15. Juni 2021 in Kraft getretene Sonderfonds Kulturveranstaltungen, der immerhin 2,5 Milliarden Euro schwer ist, trägt zwar 80 Prozent der Ausfallkosten für Veranstaltungen mit über 2.000 Personen – allerdings lediglich für Veranstaltungen, die ab 1. September 2021 geplant sind."
Das erzürne die OBS-Macher, denn dies sei „eine nach intensiven Diskussionen zwischen verschiedenen Bundesministerien völlig willkürlich gezogene terminliche Grenze, die nichts mit der Veranstaltungswirklichkeit zu tun hat – die Mehrzahl der Festivals findet nun mal zwischen Mai und August und nicht ab September statt. Während ohnehin öffentlich subventionierte Tempel der Hochkultur den Rahm des Förderprogramms abschöpfen, pfeifen die Veranstaltenden von Festivals aus dem letzten Loch. Kurzum: Das OBS guckt in die Röhre."
Wer das Orange Blossom Special, das vom Fachmagazin „Rolling Stone" als „bestes kleines Musikfestival der Welt" geadelt wurde, unterstützen möchte, kann dies zum Beispiel durch den Kauf von brandneu aufgelegtem OBS-Merchandising auf www.glitterhouse.com tun. Solidaritäts-Armbänder, Shirts, Mützen, Trucker-Caps und originale OBS-Bierbecher sind dort u.a. zu erwerben. Man kann auch Karten für das OBS 24 unter Verzicht auf Rückerstattung retournieren. „Denjenigen OBS-Fans, die uns durch die Rückgabe unter Verzicht auf Rückerstattung entgegenkommen, räumen wir ein Vorkaufsrecht für das kommende OBS ein. Wir legen den Fortbestand des Festivals damit hoffnungs- und vertrauensvoll in die Hände des Publikums."
"Ein ermüdender und zehrender Kampf gegen Windmühlenflügel"
Wie geht es den Veranstaltern angesichts der nun dritten Verlegung? „Eigentlich ist es sogar schon der vierte Versuch, denn im April 2020 habe ich kurzfristig auf die Durchführung im September letzten Jahres hingearbeitet, dann aber auf Pfingsten 2021, später auf August 2021 und nun auf Pfingsten 2022 verlegt", so Rembert Stiewe. „Bei jedem der Verlegungstermine geht die gesamte Produktion wieder bei Null los, man arbeitet stets in ein neues Vakuum hinein, es ist ein ermüdender und zehrender Kampf gegen Windmühlenflügel, zumal die tägliche Beschäftigung mit Schutzverordnungen und eventuellen Hilfsprogrammen äußerst zeitintensiv und eine zusätzliche Belastung ist. Wir haben unsere verbliebene Energie eingebracht, um in diesem Jahr wieder das OBS feiern zu können – und müssen nun trotzdem die Segel streichen. Das ist enorm frustrierend."
Im letzten Jahr war er nach eigenen Angaben noch sehr sicher, dass alle 2021 ein unbeschwertes OBS würden feiern können. „Jetzt hoffen wir auf Pfingsten 2022 und dass es dann da hinten am Horizont wirklich endlich hell wird. Bis dahin müssen wir einfach irgendwie durchhalten."
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