Gastro darf öffnen: Es fehlen klare Aussagen, Mitarbeiter und gutes Wetter

Kreis Höxter. Mandy Lukaszek, Chefin des Alten Fährhauses in Beverungen, sitzt auf heißen Kohlen. Morgens studiert sie die Nachrichten, und wenn es ihre Zeit zulässt, schaut sie sich Pressekonferenzen im Livestream an. Um herauszufinden, wann und vor allem wie sie ihren Betrieb wieder öffnen kann. "Wir warten dringend darauf", sagt die Beverungerin im Gespräch mit nw.de. Ähnlich groß wie der Wunsch, wieder ausschenken zu können, ist aber der Respekt vor den Auflagen, die da kommen könnten. "Wir müssen schauen, was dann hier im Kreis Höxter gemacht werden muss", sagt sie. "Wir wissen zum Beispiel noch gar nicht, wie das mit den Genesenen funktioniert und wie wir das prüfen sollen." Am Mittwoch endlich eine Perspektive. Das Land NRW gibt bekannt, dass Außengastronomie wieder öffnen darf, wenn die Inzidenz im betreffenden Kreis fünf Tage in Folge unter 100 liegt. Was im Kreis Höxter der Fall ist. Mandy Lukaszek wird jetzt aus allen verfügbaren Informationen "rausklamüsern, was jetzt Fakt ist" - und öffnen. 2020 war ein "Scheißjahr" Auch Rainer Bruns, der in Ovenhausen gemeinsam mit Frau Manuela das Restaurant Höxter am Jakobsweg betreibt, will den Außenbereich öffnen. "Wir sprechen mit unseren Gästen, die bei uns bestelltes Essen abholen oder das Mehrweggeschirr zurückbringen. Die warten auch drauf, wieder mal irgendwo hingehen zu können." Aber, meint Bruns dann, im vergangenen Jahr sei es eher "schleppend" losgegangen: "Nicht schnipp - und die Terrasse war voll." Den Eindruck bestätigt Mandy Lukaszek. Und deshalb will sie in diesem Sommer erst einmal eine gekürzte Speisekarte anbieten, so lange sie keine verlässliche Öffnungsperspektive hat. Denn 2020 habe sie viele Lebensmittel wegschmeißen müssen. Darunter viel Fleisch. "Bis auf die Pommes ist bei uns alles frisch, Tiefkühlwaren kann man ja lagern. Aber was soll ich mit den frischen Sachen machen, wenn die Infektionen wieder steigen und ich wieder schließen muss?" Im vergangenen Jahr versuchte sie, die Lebensmittel wenigstens an die Tafel zu geben, aber die sei auch geschlossen gewesen. Also blieb nur der Mülleimer - "das hat mir in der Seele wehgetan". Und im Geldbeutel. Waren im Wert von 2.000 Euro habe sie entsorgen müssen. Vor rund einem Jahr erst hat Mandy Lukaszek das Alte Fährhaus übernommen, nachdem sie zuvor jahrelang dort gearbeitet hat. Nur wenig später kam Corona. "Wenn ich das damals gewusst hätte, hätte ich es nicht gemacht", sagt sie. Das vergangene "Scheißjahr" war schwer. Die Mitarbeiter, die sie gerade erst eingestellt hatte, musste sie nach einiger Zeit kündigen. Kurzarbeitergeld vom Staat hätten sie wegen der kurzen Beschäftigungszeit nicht bekommen, sagt Lukaszek. Eine Zeit lang stemmte die Chefin die Gehälter aus eigener Tasche, eine Zeit lang verzichteten die Angestellten. Aber irgendwann ging es nicht mehr. "Ich habe meine Angestellten dann selbst weitervermittelt", sagt Lukaszek, "weil es mir auch so Leid tat". Jetzt darf das Alte Fährhaus öffnen - und die Mitarbeiter werden fehlen. Mandy Lukaszek kann zwar auf ihren Mann und die Tochter zählen, einstellen oder wenigstens Bewerbungsgespräche führen, das geht aber noch nicht. "Ich weiß ja nicht einmal, für wie lange ich einstellen könnte. Vielleicht müssen wir im Winter wieder schließen." Und Kurzarbeitergeld, sagt sie, würden ihre neuen Angestellten dann wieder nicht bekommen. "Wir fühlen uns wie Sozialhilfeempfänger" Personalmangel, ein Problem, das die ganze Branche hat. Viele Angestellte in der Gastronomie haben sich mittlerweile umorientieren müssen, wie Joachim Avenarius von der Dehoga im Kreis Höxter erklärt. Einige, gerade in der Grenzregion zum Kreis Paderborn Richtung Amazon, das in der Domstadt ein neues Verteilzentrum errichtet hat. Gleichzeitig ist unklar, inwiefern Aushilfen noch zur Verfügung stehen. Im Bad Driburger Waldcafé setzt Avenarius selbst normalerweise auf Abiturienten, die sich in den Monaten zwischen Schule und Studium etwas dazu verdienen wollen. Vor Corona musste er kaum aktiv suchen, weil die Schülerinnen und Schüler gewissermaßen selbst für Nachfolger gesorgt haben. "Im Moment haben wir aber keine Schüler." Ebenso fehlen Azubis - ausnahmsweise keine direkte Corona-Folge. Zu wenigen Bewerbern kam immer schon eine "überproportional hohe Abbrecherquote", wie Avenarius erklärt. Wo kommt die her? "Die Azubis merken irgendwann, dass sie auch samstags und sonntags arbeiten müssen." Ab 15. Mai könnten die Gastronomen im Kreis Höxter wieder bewirten. "Wir wollen natürlich öffnen. Gerade überleben wir zwar, fühlen uns aber wie Sozialhilfeempfänger", sagt Avenarius. Wenn Betriebe aber nur im Außenbereich geöffnet werden dürften, dann reiche das für viele nicht, dann würde es viele mehr kosten, den "ganzen Apparat" ans Laufen zu bringen, als eingenommen würde. Außerdem stellen sich Avenarius einige Fragen: "Was mache ich bei einem kräftigen Regenschauer, wo sollen dann die Gäste hin?" Er schaut wenig begeistert in die Wettervorhersage. "In den nächsten 14 Tagen soll es keinen Tag über 20 Grad werden." Was die Branche braucht, sagt Avenarius, sei eine klare Aussage. "Für uns wäre eine Variante akzeptabel, in der wir als Grundvoraussetzung unsere Gäste und Mitarbeiter testen." Diese Tests könnten wie auch in Testzentren beglaubigt werden und den Gästen dann auch Shopping in Geschäften ermöglichen. Und als Hotelier fügt er hinzu: Wenn die Inzidenz unter 100 liege, dann müssten Öffnungen für zwei Wochen garantiert möglich sein. "Wir müssen verlässlich wissen, ob unsere Gäste bleiben können." Mit einer solchen Regelung könnte er leben.

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