„Für uns unvorstellbar“: Trauma-Experte aus Bad Driburg hilft Geflüchteten

Bad Driburg. Die Schule war aus, er kam nach Hause. Oder zumindest an den Ort, den er bislang sein Zuhause genannt hatte. Aber da war nichts mehr: Das Haus stand nicht mehr, seine Eltern waren weg, oder tot. Ein Bombenangriff hatte das Leben des jungen Eritreers von heute auf morgen auf den Kopf gestellt. Damit fing das Trauma für den jungen Mann aber erst an. &bdquo;Das wäre für uns unvorstellbar“, sagt der Diplom-Sozialarbeiter Peter Fabian. Das Schicksal des jungen Mannes hat den Bad Driburger Fachberater für Psychotraumatologie besonders bewegt. Wie viele Menschen er in seiner Laufbahn als Sozialarbeiter kennengelernt hat, die aufgrund eines schweren Schicksalsschlages ein Psychotrauma erlitten haben? Das kann er nicht aufzählen. Es waren viele. Nicht in jedem Fall wird ein Trauma durch Flucht ausgelöst, es kann auch andere Umstände geben, die dazu führen, dass ein Mensch in der Bewältigung einer Situation überfordert wird. &bdquo;Ein Beispiel wäre, dass ein Mensch einen Angehörigen findet, der sich erhängt hat.“ Auch Missbrauch in der Familie oder ein schwerer Verkehrsunfall könne bei Betroffenen ein Psychotrauma auslösen, weiß der Experte. &bdquo;Ein Trauma ist ein Ereignis, bei dem man sich körperlich und seelisch überfordert fühlt“, sagt Fabian. Der Bad Driburger bietet auch an der Volkshochschule Kurse zum Thema an: &bdquo;Psychotrauma – die Zeit heilt keine Wunden“. Er erklärt Teilnehmern, an einem Abend, was ein Psychotrauma ist, erläutert, welche Art von Hilfe ein traumatisierter Mensch benötigt. Eine Traumatherapie bietet er nicht an. &bdquo;Das ist viel intensiver und geht über einen längeren Zeitraum“, erläutert er. Ganz genau hinschauen Oft sind es die Folgen von Flucht und Vertreibung, die besonders tiefe Spuren in den Seelen der Menschen hinterlassen. Wie der junge Mann aus Eritrea. Er stand vor den Trümmern, die sein Leben waren, &bdquo;dann hat er sich auf den Weg gemacht“, sagt Fabian. Die Flucht führte ihn durch den halben afrikanischen Kontinent, &bdquo;er wurde verkauft, wurde missbraucht“, schließlich sei er in einem Flüchtlingsboot gelandet, das in nach Europa brachte. Fabian kümmert sich ehrenamtlich um traumatisierte Geflüchtete, will die Arbeit mit traumatisierten Menschen generell mehr in das Zentrum seiner Arbeit rücken. &bdquo;Bei ihm musste man ganz genau hinschauen“, erinnert er sich an den Fall des jungen Mannes aus Eritrea. Aber das habe er selbst auch erst lernen müssen. &bdquo;Ich hatte mich einmal mit ihm verabredet. Aber er kam zunächst nicht.“ Erst nach einiger Zeit sei er dann die Straße heruntergekommen. Mit Tee in der Hand. &bdquo;Er hatte keinen Tee, um mich zu bewirten. Das war ihm aber so wichtig, dass er erst den Tee geholt hat.“ Da habe er verstanden, sagt Fabian, dass ihm Beziehungen zu Menschen besonders wichtig seien. Immerhin wurde er jäh aus seinem bekannten Beziehungsnetzwerk hinausgerissen und hegt die Angst, wieder alles verlieren zu können. Wie kann ein traumatisierter Mensch unterstützt werden? &bdquo;Zuerst mal sollte man erfahren, in welchen Bereichen des Alltags gravierende Einschränkungen für den Klienten eine Rolle spielen. Wenn dann noch bekannt ist, was der Ursprung des Traumas ist, kann die Beratung darauf abgestimmt werden“, sagt Fabian. Denn: Je konkreter bekannt ist, was das Trauma ausgelöst hat, desto erfolgversprechender sei die Prognose. Sogenannte &bdquo;Man-Made-Traumata“ – also direkt durch Menschen verursacht – können sich grundsätzlich anders auswirken, als etwa ein Verkehrsunfall und die Unterstützung erfordere möglicherweise andere Rahmenbedingungen. "Dabei kann ich unterstützen" Das Ziel einer Beratung oder Therapie sollte sein, dass traumatisierte Personen die Selbstkontrolle wieder erlangen. &bdquo;Man muss davon ausgehen, dass es Themen gibt, die die Person ein Leben lang beschäftigen werden. Aber man kann lernen, damit umzugehen. Und dabei kann ich unterstützen“, erläutert der Sozialarbeiter. Irgendwann verlor er den jungen Geflüchteten aus Eritrea aus den Augen. Einfach weg, wie einst seine Eltern nach dem Bombenangriff in seiner Heimat. Fabian glaubt, dass auch das Folge des Traumas ist, das der junge Mann erlitten hat: Weil er Angst hat, dass Menschen, die ihm wichtig sind, einfach verschwinden könnten, so wie einst seine Eltern, bricht er Beziehungen einfach selbst ab. Fabian kennt viele Schicksale dieser Art. Jedes Trauma berührt ihn. Trotzdem will er die Hilfe für Menschen mit solchen Erfahrungen künftig noch weiter ins Zentrum seiner beruflichen Arbeit rücken. &bdquo;Man muss daran glauben, dass es einen Weg gibt, weiterleben zu können“, sagt er. Gleichzeitig sei es wichtig, zu akzeptieren, dass es schreckliche Dinge gibt – dabei aber dennoch die Zuversicht zu behalten. &bdquo;Ich habe selber auch einiges erlebt. Aber ich habe die Dinge professionell aufgearbeitet, daraus schöpfe ich Zuversicht.“

Meistgelesen