Rödinghausens Bürgermeister klagt: „Keine Unterstützung, zu viele Aufgaben und Bürokratie“

Herr Lux, was sind derzeit die wichtigsten Themen in Rödinghausen? Wie in jeder Kommune sind es derzeit die Finanzen, die uns in erheblichem Maße beschäftigten. Bis zum Jahr 2021 hatten wir positive Ergebnisse, wir sind immer noch eine finanzstarke Gemeinde. Allerdings haben auch uns die Stapelkrisen, angefangen mit Corona, dem Ukraine-Krieg, Inflation, Energiekrise und damit zusammenhängenden Blackout-Gefahren große Anstrengungen gekostet und gehen nicht spurlos an uns vorüber. Und auch die Wirtschaft hat herausfordernde Zeiten. In unserer mittelfristigen Finanzplanung rechnen wir deshalb mit Fehlbeträgen, es sei denn, es ändert sich etwas an den Rahmenbedingungen. Wir haben es hier aber grundsätzlich mit einem strukturellen Problem zu tun und das geht mit ganz wenige Ausnahmen allen Städten und Gemeinden in NRW so. Nur 20 Kommunen NRW-weit schaffen voraussichtlich noch einen Haushaltsausgleich. Viele werden in die Haushaltssicherung gehen müssen. Es fehlt uns einfach an Verlässlichkeit bei den Aussagen von Land und Bund und bei den gesetzten Rahmenbedingungen sind vom Gesetzgeber in der Regel die personellen und finanziellen Ressourcen vor Ort nicht mitgedacht. Gerade auch die Personalkosten sind durch neue tarifliche Rahmenbedingungen auch bei uns erheblich gestiegen, und trotzdem müssen wir auch hier die Weichen für eine moderne Verwaltung mit möglichst noch mehr Bürgernähe und transparenter Kommunikation stellen. Was fehlt Ihnen denn genau von Land und Bund? Wir brauchen einfach mehr Klarheit. Das Land zeigt auf den Bund und der gibt die Zuständigkeit wieder zurück. Unterm Strich werden gerade auch kleinere Kommunen nicht unterstützt – ob das die Umsetzung der Grundsteuer-Reform ist, die Situation mit Flüchtlingen oder auch die Kita-Situation. Die Gemeinde ist immer die letzte Instanz, und wir brauchen eben dringend verlässliche Rahmenbedingungen, damit wir wissen, wie wir handeln können. Stattdessen werden die Probleme vom Land einfach vor die Rathaustüren der Kommunen gekippt. An eine auskömmliche Unterstützung ist nicht zu denken und der Aufgabenzuwachs wird noch durch den Zuwachs des bürokratischen Aufwands verstärkt. Wie stellt sich denn die Flüchtlingssituation in Rödinghausen aktuell dar? Nach aktuellem Stand leben 375 Personen mit Fluchthintergrund in Rödinghausen. Seit dem 1. Juli 2023 sind der Gemeinde 122 Personen neu zugewiesen worden. Unser Umgang damit ist, dass wir die Menschen dezentral im Ort verteilt unterbringen. Dafür haben wir keine Immobilien gekauft, sondern wir haben angemietet. Aber jetzt kommen wir an unsere Grenzen. Der Wohnraum wird teurer und ist kaum noch verfügbar. Deshalb wurden nun auch Container als Lösung in Erwägung gezogen. Aufgrund des Drucks, keine Möglichkeiten zur Unterbringung von Schutzsuchenden mehr zu haben, haben wir uns in einem Vorschlag für die Politik von unserer bisherigen Strategie einer möglichst dezentralen Verteilung im gesamten Gemeindegebiet ein Stück weit entfernt. Das hätten wir insgesamt besser machen können. Wir werden vorrangig andere Lösungen anstreben, um Schutzsuchende unterzubringen. Mit Augenmaß verteilen und dabei auch möglichst alle Chancen unserer gemeindlichen Infrastruktur im Gemeindegebiet in Augenschein zu nehmen und nutzen, ist weiterhin die Richtschnur. Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten politischen Entscheidungen, die in nächster Zeit anstehen? Die Unterbringung geflüchteter Menschen ist weiterhin eine Herausforderung. Der Wohnungsmarkt ist begrenzt. Und wir wissen in diesem Bereich nie, was morgen passiert, wollen das aber mit Augenmaß hinkriegen. Darüber hinaus stehen wichtige Entscheidungen bei der Feuerwehr an. Und dann ist da noch das Thema Windräder. Es wird immer viel von Klimaschutz geredet, aber eigentlich muss man vom Schutz unserer existenziellen Lebensgrundlage sprechen und darf für dieses Ziel am besten von vorne herein erstmal nichts ausschließen, was dazu beitragen kann. Gleichzeitig sind aber auch Ängste der Anwohnerinnen und Anwohner bei einer Debatte sehr ernst zu nehmen. Da gibt es aber vor Ort auch hier und da Kritik, oder? Natürlich, denn bei unmittelbarer Betroffenheit nimmt die Sichtweise des Einzelnen gerne auch kritische Züge an. Verständlich, deshalb ist bei diesem Thema wichtig, die Menschen mitzunehmen und transparent zu diskutieren. Das wollen wir tun. Und wenn es Lösungen gibt, werden wir alle Möglichkeiten in die Waagschale werfen und prüfen müssen. Grundsätzlich dagegen zu sein kann aber bei einem ersten Austausch nicht zum Ziel führen, wenn es um unsere künftigen Lebensgrundlagen geht. Was tut die Gemeinde Rödinghausen denn grundsätzlich in Sachen Klimaschutz? Wir haben früh, bereits im Jahr 2014, ein Klimaschutzkonzept aufgestellt – als erste Kommune im Kreis Herford. Mit unseren drei Biogasanlagen haben wir eine gute Grundlage geschaffen. Und wir statten mit dem Freibad, der Grundschule Bruchmühlen-Ostkilver und dem Haus des Gastes drei weitere Gemeinde-Immobilien mit Photovoltaik-Anlagen aus. Darüber hinaus soll eine Flächen-PV-Anlage an der Bahnlinie entstehen. Die Anlage soll 2,4 Hektar groß werden und könnte ein Fünftel unserer Haushalte versorgen. Wir wollen uns nicht nur einseitig aufstellen. Das halte ich für wichtig. Wie steht es um Wohnraum in der Gemeinde? Wohnraum ist immer und überall ein Thema. Wenn wir Wohngebiete ausweisen, werden wir neben Ein- und Zweifamilienhäusern auch immer Mehrfamilienhäuser mit planen. Damit, neue Wohngebiete selbst zu erschließen, haben wir gute Erfahrungen gemacht. Im zweiten Bauabschnitt der &bdquo;Neuen Mitte“ in Schwenningdorf sind noch zwei Grundstücke verfügbar. Ein dritter Abschnitt wird zu gegebener Zeit entwickelt. Und auch im Süden gibt es Überlegungen. Was haben Sie bisher als Bürgermeister erreicht? Im November bin ich vier Jahre Bürgermeister in Rödinghausen. Im Rathaus haben wir das Team entwickelt, die Zusammenarbeit nach vorne gebracht und Hierarchien abgebaut. Auch die Website der Gemeinde wurde bürgerfreundlicher gestaltet, denn ich möchte die Bürgerinnen und Bürger mitnehmen. Es ist mir sehr wichtig, als Gemeindeverwaltung keine Einbahnstraße zu sein. Deshalb gibt es auch das Format ,Auf einen Kaffee mit dem Bürgermeister’ in den Ortsteilen. Wir haben erste Meilensteine auf den Weg zur digitalen Verwaltung erreicht: Hierzu zählen die Online-Terminvergabe, Dienstleistungen, die online erledigt werden können, ein Online-Ticketshop, die Erarbeitung einer Digitalisierungsstrategie. Deutliche Fortschritte haben wir genauso bei der Modernisierung der Gesamtschule gemacht, die abschnittsweise seit 2022 umgesetzt und voraussichtlich in 2025 fertiggestellt wird. Der Glasfaser-Ausbau ist ein wichtiges Thema. Es gibt drei Ausbau-Arten in Rödinghausen: die &bdquo;weißen Flecken“, den privatwirtschaftlichen Ausbau und über die &bdquo;Graue-Flecken-Förderung“. Die ersten Rödinghauserinnen und Rödinghauser surfen bereits über ihren neuen Glasfaser-Anschluss, sie wurden durch die &bdquo;Weiße-Flecken-Förderung“ angeschlossen. Mehr als 95 Prozent der Rödinghauser Haushalte können mit Glasfaser versorgt werden, wenn alle drei Ausbauten erfolgreich sind. Bis alles geschafft ist, wird es aber noch mindestens zwei bis drei Jahre dauern. Es steht aber auch noch einiges an, ich nenne nur die Themen Mobilität – da müssen wir die Bürgerinnen und Bürger ins Boot holen. Oder auch Kita- und OGS-Betreuung. Die Kita-Versorgung ist noch nicht ausreichend, hier sind wir in Gesprächen mit dem Kirchenkreis. Wir werden noch eine weitere Kita benötigen. Ja, da steht noch einiges an in den nächsten Jahren. Wird das mit Ihnen als Bürgermeister stattfinden? Werden Sie bei der Kommunalwahl im kommenden Jahr noch einmal antreten? Erst einmal müssen wir uns um die Dinge kümmern, die aktuell auf der Agenda stehen. Aber ich habe – trotz der Stapelkrisen – viel Spaß an der Aufgabe. Ich bin damals angetreten mit einen Zehn-Punkte-Programm, das ich noch nicht vollständig erfüllt habe. Es kamen eben auch die Krisen dazwischen. Da möchte ich in meinem zunächst einmal letzten Jahr zügiger vorankommen. Die Entscheidung, ob ich noch einmal antreten möchte, werde ich wahrscheinlich bis zum Herbst dieses Jahres treffen.

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