Kriselnde Küchenfirma im Kreis Herford: Störmer-Chef plante Insolvenz schon im Januar

Rödinghausen. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. August ist der Tiefpunkt beim traditionsreichen Küchenhersteller Störmer aus Rödinghausen erreicht. Zuvor produziert das Unternehmen über Monate zwar keine Küchen, aber immer wieder Negativschlagzeilen. Erst sorgt ein möglicherweise gefälschtes Schreiben des Betriebsrats für Aufsehen, dann wird die Produktion für mehrere Monate abrupt gestoppt. Im Juni stellt sogar der Energieversorger im Werk in Rödinghausen den Strom ab. Die vollen Mülltonnen werden zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr abgeholt. Mittlerweile ist das Unternehmen, das 2022 einen Umsatz von 29 Millionen Euro erwirtschaftet haben soll, zahlungsunfähig. Doch hätte die Krise möglicherweise verhindert werden können? Unterlagen, die der Neuen Westfälischen zugespielt worden sind, belegen, dass der ehemalige Vorstandsvorsitzende Stefan Hofemeier bereits für Januar 2023 die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Eigenregie plante. Zu diesem Zeitpunkt ist die Hoffnung groß, die finanzielle Krise zu meistern und gestärkt aus der Insolvenz herauszugehen. Doch aus dem Plan wird nichts: Einen Tag vor der Antragstellung am Amtsgericht Bielefeld wird der Störmer-Boss vom Aufsichtsrat entmachtet. Firmenboss hatte immer wieder gewarnt Wie die NW aus dem Umfeld des Unternehmens erfahren hat, soll Hofemeier bereits seit Mitte 2022 immer wieder vor drohenden Zahlungsschwierigkeiten gewarnt haben. Die finanziellen Probleme werden bei einer außerordentlichen Versammlung von Störmer im Oktober des vergangenen Jahres angesprochen. Die wirtschaftliche Schieflage wird auch bei einer Hauptversammlung im November 2022 noch einmal thematisiert. Den Teilnehmern wird berichtet, dass das Küchenunternehmen in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten steckt. In der Führungsspitze ist man der Annahme, dass ein externer Berater die wirtschaftliche Lage unter die Lupe nehmen muss. Eine Rechtsanwaltskanzlei, die mehrere Standorte in Deutschland hat und unter anderem in Osnabrück und Hamburg tätig ist, wird für eine &bdquo;Sanierungsberatung“ beauftragt. Ein Schreiben des Gutachters, das am Silvestertag des Jahres 2022 eingeht, zeigt den Ernst der Lage in Rödinghausen. Gutachter empfiehlt Insolvenz im Januar 2023 Der Gutachter empfiehlt, bis spätestens zum 15. Januar 2023 einen Insolvenzantrag in Eigenverwaltung zu stellen. Hintergrund ist, dass der Experte die Liquiditätssituation zu diesem Zeitpunkt als äußerst kritisch einschätzt, wenn es zu keiner finanziellen Unterstützung durch die Gesellschafter kommt. Nach Meinung des Gutachters kann die missliche Lage nur durch frisches Geld behoben werden. Zuvor äußern schon mehrere Mitarbeiter mit Führungsverantwortung in einem Brief ihre Sorgen und Ängste. Sie berichten unter anderem von Materialmängeln und einer großen Unzufriedenheit innerhalb der Belegschaft. Es wird gebeten, das Schreiben an die Verantwortlichen und auch an den Investor Cevdet Caner weiterzuleiten. Ob dieser den Brief erhalten hat, ist nicht bekannt. Investor-Besuch hinterlässt Eindruck Caner ist über das Unternehmen Niu Invest aus Berlin zu 60 Prozent an der Störmer AG beteiligt. Der Österreicher, der als schillernder Immobilienunternehmer gilt und gegen den die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main nach einer Durchsuchung im Umfeld des Unternehmens Adler Real Estate ermittelt, ist Mitte September 2022 zu Besuch im Werk in Rödinghausen. In einem schwarzen Mercedes-Van, der in Hannover zugelassen ist, fährt der Investor vor. &bdquo;Das sah aus wie in einem Hollywood-Film“, berichtet später eine Störmer-Mitarbeiterin. Nicht nur dieser Auftritt hinterlässt Eindruck im Störmer-Umfeld, auch das Urteil der Rechtsanwälte sitzt. Stefan Hofemeier beauftragt die zuvor kontaktierte Kanzlei damit, einen Entwurf für einen Insolvenzantrag zu verfassen. Hintergrund dafür ist der drohende &bdquo;Eintritt einer Zahlungsunfähigkeit“. Die Unterdeckung soll zum Ende des Jahres bei etwa 2,35 Millionen Euro gelegen haben. Der Entwurf des Insolvenzantrags geht am 17. Januar 2023 im Unternehmen ein. Gegen Mittag soll nach NW-Informationen auch der Aufsichtsrat Kenntnis von dem Schreiben erhalten haben. Vorstand wird plötzlich abberufen Doch zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens, das für den 20. Januar 2023 am Amtsgericht Bielefeld geplant gewesen sein soll, kommt es nicht. Einen Tag zuvor wird Hofemeier als Vorstandsvorsitzender entmachtet. Das belegt das Protokoll einer Aufsichtsratssitzung, die am 19. Januar 2023 um 17.42 Uhr beginnt. Die Mitschrift ist im Handelsregister öffentlich einsehbar. In der 13-minütigen Sitzung, bei der nur zwei Tagesordnungspunkte besprochen werden, wird Hofemeier &bdquo;mit sofortiger Wirkung“ und aus &bdquo;wichtigem Grund“ abberufen. Er wird durch Michael Cox ersetzt, der zeitgleich Geschäftsführer des Störmer-Gesellschafters Niu Invest ist. Darüber soll Hofemeier laut Protokoll &bdquo;unverzüglich am selben Tag“ informiert werden. Und dazu kommt es auch. Dem Vorstandsvorsitzenden wird seine Abberufung noch am 19. Januar mitgeteilt. Das geplante Insolvenzverfahren in Eigenregie ist damit vom Tisch. Störmer schlittert in den kommenden Monaten immer tiefer in die Krise. Fast sechs Monate nach dem plötzlichen Aus des Vorsitzenden muss Hofemeiers Nachfolger Michael Cox doch noch das vorläufige Insolvenzverfahren anmelden. Alle Artikel zum Thema finden Sie auf der Themenseite "Küchenfirma Störmer in der Krise".

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