Pleitewelle im Jahr 2024 in Bielefeld – weiterer Anstieg droht

Bielefeld. Von einer tiefen Verunsicherung in der Wirtschaft ist die Rede, von einer anhaltenden Krise und einer drohenden Verschärfung der Lage auf dem Arbeitsmarkt. Als ein Indikator dafür gilt die Entwicklung bei den Insolvenzen: Die Fachleute der Auskunftei Creditreform gehen davon aus, dass die Zahl der Unternehmenspleiten im jetzt auslaufenden Jahr 2024 um rund 25 Prozent auf bundesweit 22.400 Fälle steigen wird. Im nächsten Jahr könnte die Pleitewelle dann wieder den im Finanzkrisenjahr 2009 aufgestellten Höchststand mit mehr als 32.000 Firmeninsolvenzen erreichen, so die Befürchtung. In Bielefeld allerdings ist das Jahr in dieser Hinsicht glimpflich verlaufen. &bdquo;Wir haben in Bielefeld nur wenige größere Insolvenzen erlebt“, sagt dazu Udo Roggenbuck von der Creditreform-Geschäftsleitung in Bielefeld. Steigerungen bei den Insolvenzanträgen habe es wohl vor allem im Dienstleistungsbereich gegeben, aber auch etwa bei Handwerksunternehmen aus dem Baugewerbe. Dabei seien die prozentual zweistelligen Zunahmen bei den Insolvenzen auch vor dem Hintergrund der zuletzt relativ geringen Fallzahlen zu sehen: &bdquo;Coronahilfen und weitere staatliche Subventionen haben die Zahlen niedrig gehalten“, so Roggenbuck – daher gebe es nun gewisse Nachholeffekte. Lesen Sie auch: Zahl der Firmenpleiten steigt weiter zweistellig Doch unbestritten leiden große Teile der Wirtschaft unter einer massiven Nachfrageschwäche, die viele Firmen in Not bringen könnte. Die Liste der Probleme ist bekannt: Über hohe Energiekosten und kostenträchtige Bürokratie klagen die Unternehmen seit Jahren, hinzu kommen politische Unsicherheiten und eine Konsumzurückhaltung der Verbraucher und Verbraucherinnen angesichts der aktuellen Kriege und Handelskonflikte. Schwierig sei die Lage etwa in konsumnahen Bereichen wie der Modebranche: &bdquo;Für Bekleidungshersteller und Modehändler ist die Situation tatsächlich ganz schwierig“, weiß Roggenbuck. Insolvenz der Sinn-Kette hat Besorgnis ausgelöst Die Modekrise, die 2023 auch ostwestfälische Hersteller wie die Ahlers AG und den Damenmodeanbieter Gerry Weber schwer getroffen hatte, machte sich in Bielefeld 2024 im Einzelhandel bemerkbar. Vor allem der Anfang August von der Hagener Sinn GmbH gestellte erneute Insolvenzantrag löste Besorgnis aus: Denn die Textilkette hatte erst wenige Monate zuvor im März 2024 große Teile des Karstadt-Hauses in der Bahnhofstraße übernommen, wo die ebenfalls insolvente Galeria-Kette im Winter ausgezogen war. Die bange Frage lautet: Wird das Konzept für die Großimmobilie in zentraler Bielefelder Lage nun hinfällig? Andere prominente Pleiten blieben in Bielefeld weitgehend folgenlos: Das Aus der im rheinischen Ratingen ansässigen Esprit Europe GmbH zum Beispiel blieb hier fast unbemerkt, weil die Modemarke ihr Bielefelder Geschäft schon Jahre zuvor dichtgemacht hatte. Ohnehin muss der gesamte innerstädtische Einzelhandel kämpfen: Die auf Möbel und Deko ausgerichtete Handelskette Depot etwa betreibt ihren Bielefelder Laden bisher weiter, obwohl im Juli 2024 ein Insolvenzantrag notwendig war. Die Insolvenz der britischen Kosmetikkette Body Shop hingegen führte zur Schließung des Bielefelder Ladens, und auch nach dem Verkauf der Firma und der Übernahme von 21 deutschen Standorten durch einen Investor sieht es in OWL nicht nach einer Wiedereröffnung aus. Aus für Bielefelder Traditionsunternehmen Ein Bielefelder Traditionsunternehmen erwischte es im Frühjahr 2024: Das Juweliergeschäft Plettenberg schloss nach 137 Jahren erst seine Türen und stellte wenig später im April dann einen Insolvenzantrag. Die Corona-Krise, die Konsumzurückhaltung wegen des Kriegs in der Ukraine und die Inflation hatten Plettenberg offenbar schwer zu schaffen gemacht, so hieß es. Ansonsten waren es vor allem kleinere Unternehmen der unterschiedlichsten Branchen, die 2024 in Bielefeld in die Insolvenz gerieten: Für den katholischen Sozialdienstleister In Via Bielefeld-Herford mit seinen 30 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen wurde zum Beispiel Anfang Februar das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Bielefelder Maschinenbauer Expert Systemtechnik (rund 20 Beschäftigte) stellte im Oktober einen Insolvenzantrag. In einigen Fällen konnte das endgültige Aus verhindert werden: Das fast 100 Jahre alte Industrieunternehmen Umeta etwa, Spezialist für Abschmiertechnik und Weltmarktführer für Schmiernippel, der Ende 2023 einen Insolvenzantrag gestellt hatte, meldete im Juni 2024 die Übernahme durch die Wiggentech GmbH aus Lippstadt. 79 von 87 Arbeitsplätzen konnten erhalten werden, erklärte Insolvenzverwalter Yorck T. Streitbörger. Lesen Sie auch: Body Shop ist insolvent - was passiert mit dem Geschäft an der Bahnhofstraße &bdquo;Ich bin eigentlich nicht so pessimistisch“ Sogar rund 4.000 Jobs wurden durch die Sanierung der AWO OWL gerettet. Der Betreiber zahlreicher Kitas und Seniorenheime in ganz OWL hatte im Herbst 2023 einen Insolvenzantrag gestellt. Anfang August wurde der Krisenmodus verlassen, 118 Kitas, acht Seniorenheime und weitere Einrichtungen werden weiter unter dem Dach der AWO OWL fortgeführt. &bdquo;Ich bin eigentlich nicht so pessimistisch“, sagt Creditreform-Fachmann Udo Roggenbuck jetzt mit Blick auf das künftige Insolvenzgeschehen. Zwar geht die Wirtschaftsauskunftei davon aus, dass die Zahl der Pleiten wegen der ungelösten Probleme im nächsten Jahr weiter kräftig steigt. Aber die Erschließung neuer Märkte, etwa durch neue Vertriebspartner und eine weitere Internationalisierung könnten Wege aus der Krise eröffnen, glaubt Roggenbuck. Zudem senke das rückläufige Zinsniveau für viele Firmen wieder die Finanzierungsprobleme. Allerdings deute die weitere Verschlechterung der Zahlungsmoral darauf hin, dass sich die Krise für viele Firmen zunächst weiter verschärft habe. Der durchschnittliche Zahlungsverzug habe sich in NRW im dritten Quartal auf 9,9 Tage erhöht – das Geld kommt im Schnitt also fast zehn Tage nach dem vereinbarten Zahlungsziel auf den Konten an, zweieinhalb Tage später als ein Jahr zuvor. Am schwierigsten sei die Lage weiterhin im Baugewerbe.

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