Dieser seltene Vogel brütet wieder öfter im Kreis Herford

Rödinghausen. Als der Mann kurz weg war, plauderte seine Frau aus dem Nähkästchen: "Sie müssen entschuldigen", sagte sie zu Erhard Nolte. "Mein Mann schläft kaum noch. Der steht nachts alle zwei Stunden vom Sofa auf und schaut nach seinem Käuzchen. Der hat nichts anderes mehr im Kopf. Der macht sich richtig Sorgen. Vielleicht ist er deswegen ein bisschen unfreundlich." Erhard Nolte, der Rödinghauser Naturschützer und "Eulenvater" muss herzlich lachen, wenn er die Anekdote zum Besten gibt. Zugetragen hat sie sich Anfang August an der Grenze zu Niedersachsen. Besagter Mann (Name und genauer Fundort sollen ungenannt bleiben) hatte beim Spaziergang mit dem Hund zwischen hohen Brennnesseln am Straßenrand einen jungen Steinkauz aufgetan. "Fast leblos", wie er später zu Protokoll gab. Womöglich ein Verkehrsunfall. Ein wirklicher Eulen-Experte sei der Finder nicht gewesen, so Nolte. Trotzdem habe er den offenbar schon flüggen Vogel unter seine Fittiche genommen, sei mit ihm zum Tierarzt gegangen und habe ihn mit Hackfleisch und Eigelb und einem Höchstmaß an Zuwendung wieder so weit aufpäppeln können, "dass Lebenswille und Kraft in den Kauz zurückkehrten", wie Nolte es ausdrückt. Ein paar Tage später habe sich die Frau des Finders dann aber doch beim Steinkauz-Fachmann gemeldet. "Als ich dort hinkam, saß der Mann unter einer Eiche. Dann kam er auf mich zu und war am Anfang wirklich unfreundlich. Vom Vogel erst mal keine Spur", erinnert sich Nolte und muss schon wieder lachen. Das Wortspiel vom "komischen Kauz" (und seinem Käuzchen) drängte sich hier förmlich auf. "Er wollte genau wissen, wie es jetzt weitergehen würde und was ich mit dem kleinen Kauz vorhätte." Nach einem längeren Frage-und-Antwort-Spiel sei er endlich aufgestanden und habe die Eule geholt. "Ich musste ihm dann noch versprechen, dass er den Kauz noch einmal besuchen darf, bevor ich ihn wieder freilasse", erzählt Nolte. "Hab' ich dann auch getan." Der Vogel sei dem Mann in den wenigen Tagen des "Zusammenlebens" offenbar sehr ans Herz gewachsen, so der 77-Jährige, der sich über Emotionen dieser Art natürlich freut. Tote Mäuse aus dem Tiefkühlfach Nolte quartierte den Jungkauz in der Voliere einer Bekannten ein und fütterte ihn mit toten Mäusen und Küken, von denen er immer ein paar "als Reserve" im Tiefkühlfach hat. "Mäuse und Küken wurden sofort problemlos angenommen und gefressen", erzählt Nolte. "Die Geräumigkeit der Voliere und der damit verbundene Freiraum fürs Fliegen und für andere Bewegungsabläufe stärkten nun die körperliche Fitness", heißt es in seinem schriftlichen Protokoll. Für eine sinnvolle Freilassung sollte der Kauz aber noch den Beweis erbringen, eine lebende Maus erbeuten zu können. "Diese Frage stand ja noch im Raum: Hatte er von den Elternvögeln schon die Jagd erlernt und die Selbstständigkeit erlangt?", so Nolte weiter. Um das herauszufinden, musste der Vogel nochmal umgesiedelt werden - in einen größeren Hühnerstall, der von einer weiteren hilfsbereiten Familie zur Verfügung gestellt wurde. Der Familienvater dichtete umgehend Spalten, Ritzen und Löcher ab, um die Behausung mäusedicht zu bekommen. Aber die angedachten Fütterungen mit den lebenden Mäusen waren doch schwieriger als gedacht, die Tiere büchsten einfach immer wieder aus. "Auch der Fang weiterer Mäuse war schwierig, da die erforderliche Menge zum richtigen Zeitpunkt nicht einfach zu besorgen war", sagt Nolte. Daher habe der Kauz zwischenzeitlich auch wieder tote Mäuse und Küken bekommen. Irgendwann habe man es geschafft, "durch weitere Abdichtungen erneute Mäusefluchten zu verhindern", wie Nolte im Protokoll festhält. Nach gut einer Woche Gefangenschaft "hatten wir ein Gewölle, welches mit absoluter Sicherheit nur von einer selbst erbeuteten, lebendigen Maus stammen konnte. Somit war die bedenkenlose Freilassung gewährleistet". Natürlich nicht ohne einen Abschiedsbesuch des Finders von der niedersächsischen Grenze. Erhard Nolte muss schon wieder lachen: "Mittlerweile ist der Mann sehr freundlich zu mir."

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