Volle Plätze, leere Wirkung? Was vom Kampf gegen Rechts in Löhne übrig blieb

Löhne. Voll war es auf dem Findeisenplatz. So voll, dass viele Beteiligte noch heute von einem &bdquo;beeindruckenden Zeichen“ sprechen. Viel mehr aber scheint nicht übrig geblieben zu sein von diesem 1. März vergangenen Jahres, an dem mehrere Hundert Löhner offen Flagge gegen Rechtsextremismus zeigten. Seinerzeit war eine Welle an Kundgebungen durch die Republik gegangen, ausgelöst durch offengelegte Bestrebungen von Teilen der AfD. Knapp ein Jahr später aber steht die Partei in Umfragen noch immer bei rund 20 Prozent. Längst hinterfragen auch die damaligen Organisatoren den nachhaltigen Effekt der Löhner Demonstration – und betonen gleichzeitig ihre Relevanz. Jürgen Birtsch hat es schon seinerzeit geahnt. Als er auf dem Findeisenplatz für das Bündnis &bdquo;Gemeinsam für Vielfalt“ ans Rednerpult trat, formulierte er direkt eine Mahnung. &bdquo;Es reicht nicht aus, auf Demonstrationen zu gehen“, rief er der Menge zu. Noch wichtiger seien Wahlen, transparente Prozesse, Werbung für die Demokratie. Kurzum: handfeste Maßnahmen im Kampf gegen rechtsextreme Tendenzen. Zwei Seiten einer Medaille Ob die Botschaft angekommen ist, darf mit Blick auf die folgenden Entwicklungen allerdings durchaus infrage gestellt werden. In sozialen Netzwerken, Kommentarspalten und Stammtischen jedenfalls ist das Aufbegehren gegen rassistische Äußerungen seither kaum lauter geworden. Bei der Europawahl setzten mehr als 3.000 Löhnerinnen und Löhner ihr Kreuz bei der AfD. Auf Bundesebene wird wieder verstärkt über eine härtere Migrationspolitik debattiert, Jens Spahn (CDU) fordert Abschiebungen, Innenministerin Nancy Faeser (SPD) stellt den Schutzstatus syrischer Geflüchteter infrage. Oder, wie Jürgen Birtsch, sagt: &bdquo;Die Positionen rücken immer weiter nach rechts und werden aus der Mitte salonfähig gemacht. Das hat weder was mit einem S noch mit einem C in den Parteinamen zu tun.“ Lesen Sie auch: 500 Löhner demonstrieren gegen Rechts und für Vielfalt In seiner Mahnung vom vergangenen Jahr sieht Birtsch sich jedenfalls bestätigt. Die Fahne von Demokratie und menschlichem Handeln öffentlich hochzuhalten sei zwar wichtig, aber eben nur eine Seite der Medaille. &bdquo;Wenn man Bestrebungen gegen diese Werte wirklich bekämpfen möchte, muss man sich auch fragen, woher die eigentlich kommen und entsprechend reagieren“, sagt Birtsch. &bdquo;Vielen Menschen fehlt eine Perspektive“ Ähnlich empfindet das auch Linda Stucke-Troks. Die Löhner Pfarrerin war im vergangenen Jahr eine der Hauptorganisatorinnen der Kundgebung auf dem Findeisenplatz und begeistert von der Teilnahme und der spürbaren Aufbruchstimmung. &bdquo;Aber man muss leider auch sagen, dass danach wenig kam, was über ein starkes Zeichen hinaus ging“, sagt sie rückblickend. Parteipolitische Bestrebungen wie die sogenannte Löhner Erklärung als Abgrenzung gegen rassistische Ideologien habe es zwar gegeben. Bei den Menschen und der Gesellschaft selbst aber sei nicht angesetzt worden. Im Gegenteil nehme sie in Gesprächen mit Löhnerinnen und Löhnern immer wieder einen großen Frust wahr. Insbesondere mit Blick auf kaum nachvollziehbare politische Prozesse und eine immer komplexer werdende Gemengelage. &bdquo;Die lehnen Rassismus und Ausgrenzung durchaus ab, aber sehen auch keine wirkliche Perspektive und sind müde geworden, sich mit Politik auseinanderzusetzen“, sagt Stucke-Troks. Oft würden dann auch verletzende und gefährliche Äußerungen getätigt – wenn auch nicht unbedingt beabsichtigt. &bdquo;Viele merken das gar nicht, weil es ein Stück weit normal geworden ist.“ Wer vertritt den Bürgerwillen? Auch Jürgen Birtsch beklagt, dass immer mehr Menschen sich nicht richtig mitgenommen fühlen. &bdquo;Weil sie de facto auch nicht mitgenommen werden“, wie er sagt. Im Bildungssystem etwa seien weder Lehrer noch Eltern und Schüler mit dem Status quo zufrieden. &bdquo;Angepackt aber wird es nicht. Genauso wenig wie das Gesundheits- oder das Rentensystem, obwohl man genau weiß, dass da dringend was passieren muss“, sagt Birtsch. Die Konsequenz aber sei, dass Parteien immer weniger die breite Masse vertreten und den Bürgerwillen kaum noch widerspiegeln. &bdquo;Dabei sollten Politik und Gesellschaft doch eigentlich von möglichst vielen Menschen mitgestaltet werden“, sagt Birtsch. &bdquo;Das ist doch der Sinn der Demokratie, für die wir hier kämpfen.“ Auch interessant: Löhnes Bürgermeister ruft zum politischen Kampf gegen die AfD auf Linde Stucke-Trocks stimmt dem zu. Je weniger nachvollziehbar politische Schritte würden, desto mehr Menschen wendeten sich ab und suchten sich vermeintliche Alternativen, formuliert sie ihre Sorge. Und das auf mehreren Ebenen – sei es die politische oder die mediale. &bdquo;So eine Abwärtsspirale erleben wir ja schon jetzt“, sagt sie. Kontinuität als A und O Ob es einen Ausweg gibt? Das wissen weder Jürgen Birtsch noch Linda Stucke-Trocks. Klar ist für sie aber, dass nach einem solchen unentwegt gesucht werden sollte. &bdquo;Wir müssen die Demokratie wieder zu dem machen, was sie ist“, sagt Birtsch. &bdquo;Und das bedeutet, nicht nur für sie zu streiten, sondern auch in ihr.“ Den Willen dazu, das Bestreben nach Selbsthinterfragung, vermissen beide allerdings in weiten Teilen. &bdquo;Vielleicht wäre es ja auch an der Zeit für ein neues Zeichen“, sagt Stucke-Troks. Dann aber hoffentlich mit etwas nachhaltigerem Effekt, wie Birtsch ergänzt: &bdquo;Der Kampf gegen Rechts darf nicht nur punktuell passieren, sondern muss kontinuierlich erfolgen.“ 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Herford

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