Wie ein 17-jähriger Löhner trotz Behinderung seinen Führerschein schafft

Löhne. Auf der rechten Seite Gas, in der Mitte das Bremspedal und bei einem Schaltwagen ist links die Kupplung. Bremsen und Gas geben mit dem rechten Fuß, die Kupplung treten mit dem linken Fuß. Das sind die Grundlagen, die Fahrschüler bei der ersten Fahrstunde lernen, wenn Mama und Papa nicht schon die Ersteinweisung gegeben haben. Für Paul Dammann läuft das alles etwas anders. Er fährt nur Automatik, Gas geben und bremsen tut er mit seinem linken Bein. Paul ist 17 Jahre alt, mit 13 hatte er einen Schlaganfall. Seitdem ist seine rechte Körperhälfte eingeschränkt. &bdquo;Ich kann zum Beispiel nicht mit zwei Händen lenken“, sagt er. Das Fahrschulauto hat am Lenkrad einen Knauf, mit dem Paul alles bedienen kann, was sich neben der rechten Seite des Lenkrads befindet, zum Beispiel den Blinker. Er lenkt auch mithilfe dieses Knaufs. Das Gaspedal ist im Fahrschulauto auf der linken Seite. Ansonsten unterscheidet sich beim Ablauf der Fahrstunden nicht viel zu den Stunden seiner Freunde. Vor der bald anstehenden Prüfung kommt noch einmal ein Gutachter, der schaut, ob Paul mit den Hilfsmitteln im Auto gut zurechtkommt. &bdquo;Mir war immer klar, dass ich mal einen Führerschein machen will“, sagt er. &bdquo;Mein Bruder hat damals auch mit 16 angefangen, also war es für mich jetzt auch an der Zeit. Meinen Eltern ist das auch wichtig, die legen schon viel Wert darauf, dass ich möglichst selbstständig bin.“ Ablauf bis zur Fahrprüfung ist langwierig Der Ablauf vor der ersten Fahrstunde ist bei Menschen mit Behinderungen allerdings etwas langwieriger. &bdquo;Als Erstes kommen die Leute vorbei, zu einem ersten Kennenlernen und Gespräch, bei dem wir schauen, ob es überhaupt möglich ist, Fahrstunden anzubieten“, sagt Peter Bjelobaba, Fahrlehrer der Fahrschule Jochem. Lesen Sie auch: Vom Rollstuhl ans Lenkrad: Wie sich diese Mindenerin ihre Selbstständigkeit erkämpft Anschließend brauchen die angehenden Fahrschülerinnen ein verkehrsmedizinisches Gutachten. Das übernimmt ein Leistungsträger, wenn man denn einen hat. Bei Schülerinnen und Schülern ist dies das Integrationsamt, bei Studierenden und Auszubildenden die Bundesagentur für Arbeit. &bdquo;Dann wissen wir von der Fahrschule auch, wie wir weiter vorgehen und worauf wir achten müssen“, sagt Bjelobaba. Zum Schluss wird der Antrag an das Straßenverkehrsamt gestellt. Dabei unterstützt die Fahrschule Jochem ihre Schüler. Neben körperlichen und geistigen Einschränkungen gibt es weitere Fälle, in denen Fahrschüler ein Gutachten benötigen. &bdquo;Ich hatte mal eine Schülerin, die unter 1,50 Meter groß war. Das hat sich aber erst am Tag der Prüfung herausgestellt, also musste sie sich ein ärztliches Gutachten beschaffen und wir mussten einen neuen Prüfungstermin vereinbaren“, sagt Dominic Bjelobaba, Inhaber der Fahrschule. &bdquo;Menschen, die kleiner als 1,50 Meter sind, müssen nämlich auch so ein Gutachten mitbringen.“ Einzige Fahrschule im Umkreis mit umgebautem Auto Paul wohnt in Minden. Für seine Fahrstunden fährt Peter Bjelobaba immer zu ihm und holt ihn ab. &bdquo;Dadurch wird der Führerschein eben doch etwas teurer. Teilweise bin ich aus Löhne schon bis nach Salzgitter gefahren. Und dadurch, dass die Anfahrten so lang sind, weil es eben keine alternativen Fahrschulen im Umkreis gibt, wird der Führerschein teurer“, sagt der Fahrlehrer. Die meisten Fahrten mache er nach Minden und Lübbecke. &bdquo;Das ist auch ein Grund, warum andere Fahrschulen so etwas oft nicht anbieten. Die langen Fahrtwege“, sagt Dominic Bjelobaba. Führerscheine kosten immer unterschiedlich viel, je nachdem, wie viele Fahrstunden die Schüler brauchen. &bdquo;Wenn wir einen Kostenvoranschlag schreiben, sind das meistens um die 6.000 Euro“, sagt Peter Bjelobaba. Behindertengerechte Autos sind teuer Theoretisch kann man eine finanzielle Unterstützung für ein Auto beantragen, sagt Paul. Dafür bräuchte man allerdings einen triftigen Grund. &bdquo;Wenn ich beispielsweise meine Ausbildung in Bielefeld mache und nur mit dem Auto dorthin komme, dann kann man Anträge stellen“, sagt Paul. &bdquo;Das ist aber viel Arbeit und Papierkram. Und ich gehe noch zur Schule, da komme ich auch ohne Auto hin. Darum haben wir uns dagegen entschieden.“ Er hat Glück, wenn er seine Prüfung bestanden hat, wartet zu Hause bereits ein für ihn umgebautes Auto auf ihn. Auch interessant: Detmolder will Führerschein machen – und fühlt sich wegen seiner Behinderung diskriminiert &bdquo;Das ist aber eher die Ausnahme“, sagt Peter Bjelobaba. &bdquo;So ein Umbau kostet viel Geld. Paul ist mit knapp 5.000 Euro, die der Umbau seines Autos gekostet hat, noch relativ günstig dabei. Wer sich ein neues Auto kauft, kann mit Umbau und allem drum und dran mit 270.000 bis 300.000 Euro rechnen.“ Fahrtüchtigkeit freiwillig prüfen lassen Wenn man einen Schlaganfall hatte, darf man drei Monate lang kein Auto fahren. Danach müssen die Betroffenen selbst entscheiden, ob sie sich wieder in der Lage dazu fühlen. &bdquo;Wir bekommen immer wieder viele Anfragen von Menschen, die einen Schlaganfall hatten“, sagt Bjelobaba. &bdquo;Primär von älteren Menschen. Wir würden den Leuten gerne ans Herz legen, eine freiwillige Beobachtungsfahrt zu machen, bevor sie wieder aktiv am Straßenverkehr teilnehmen.“ Jeder Verkehrsteilnehmende muss seiner Pflicht nachkommen, selbstständig und eigenverantwortlich zu prüfen, ob die Fahreignung beeinträchtigt ist oder nicht. Peter Bjelobaba empfiehlt deshalb die freiwillige Beobachtungsfahrt. Die Bescheinigung darüber kann dem Patienten im Zweifel als Nachweis dienen. &bdquo;Falls es zu einem Unfall kommen sollte, kann die betroffene Person diese Bescheinigung vorweisen und zeigen, dass sie alles Nötige getan hat. Das spielt bei der Versicherung und Schuldzuweisung dann gegebenenfalls eine wichtige Rolle“, sagt Peter Bjelobaba.

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