„Die Ampel ist fast schon abgewählt“: Was das Wahlergebnis für Löhne bedeutet

Löhne. Die rote Hochburg wackelt. Erstmals seit fast 20 Jahren landet die SPD bei einer Wahl in Löhne nicht auf dem Spitzenplatz - und muss sich mit ungeahnt großem Abstand mit Rang zwei begnügen. Mit der AfD sitzt ihr der nächste Verfolger sogar eng im Nacken. Und das nur ein knappes Jahr vor dem nächsten Wählervotum über Bürgermeister und Stadtrat. Kein Wunder also, dass Freud und Leid nach dem Urnengang zur Europawahl in der Werrestadt ungleich verteilt sind - wenn auch die Lehren für Löhne überschaubar bleiben. Am Ende war das Ergebnis recht eindeutig. Gerade einmal 22 Prozent der Wählerinnen und Wähler und Löhne schenkten der SPD am Sonntag das Vertrauen. Und damit weniger, als bei allen vorangegangenen Wahlen. Dass der Vorsprung zur drittplatzierten AfD sogar noch geringer ausfällt, als zu den Wahlsiegern der CDU, stimmt die heimischen Sozialdemokraten erst recht nachdenklich. Zumal die Werrestadt spätestens seit der Kommunalwahl 2020, als die SPD stolze 45 Prozent holte, eigentlich fest in roter Hand ist. Oder sollte man sagen: war? Verkehrte Welt in der Werrestadt Ein Blick auf die Stimmverteilung könnte dafür ein Indiz sein. Und das nicht nur, weil die Union erstmals seit der Landtagswahl 2005 zur stärksten Kraft der Werrestadt wurde. Auch das Wahlergebnis für die kleineren Parteien gibt zu denken. Schließlich kommen die im Löhner Rat vertretenen Parteien bei der Europawahl zusammen gerechnet auf gerade einmal zwei Drittel der Stimmen. Im Umkehrschluss bedeutet das: In der Werrestadt existiert ein gewaltiges Wählerpotenzial abseits der hier etablierten Parteien. An einen Fingerzeig aber glaubt Löhnes SPD-Chef Christian Antl dennoch nicht. Zwar sei das Ergebnis &bdquo;nicht so schön“ und bundesweit betrachtet sogar &bdquo;enttäuschend“. Eine Abstimmung für Löhne aber sei diese Europawahl in seinen Augen nicht. &bdquo;Das war eine klare bundespolitische Entscheidung“, sagt Antl und verweist auf das ebenfalls schwache SPD-Abschneiden in traditionellen Hochburgen wie Hiddenhausen oder Rödinghausen. Da sei es auch um Vertrauen zur Politik der Sozialdemokraten gegangen. Die Ampel als Ursache Ähnlich sehen das auch die übrigen politischen Lager in Löhne. Hermann Ottensmeier von der unabhängigen Wählervereinigung &bdquo;Löhner Bürger-Allianz“ etwa betrachtet das Wahlergebnis in erster Linie als &bdquo;Quittung für die Ampel“. Dass neben der SPD auch Grüne und FDP in der Wählergunst zum Teil stark verloren haben, lasse in seinen Augen nicht zwangsläufig ortsgebundene Rückschlüsse zu. &bdquo;Da hat sich eine generelle Unzufriedenheit abgeladen“, sagt Ottensmeier. Auch Silke Welling von den Löhner Grünen glaubt zwar eine Abstrafung. &bdquo;Aber nicht für die Politik hier in Löhne. Die Unzufriedenheit mit der Ampel ist ja nicht zu übersehen.“ Und selbst Löhnes FDP-Vorsitzender Thomas Michael meint, dass die Ampelkoalition in Berlin mit dem Ergebnis von Sonntag &bdquo;fast schon abgewählt“ sei. &bdquo;Mindestens aber sollte ihr das zu denken geben.“ Maik Büssing, Fraktionsvorsitzender der Löhner CDU, sieht das hingegen etwas differenzierter. Zwar ist auch er der Meinung, dass die Ampel &bdquo;viel zur Frustration der Wählerinnen und Wähler“ beigetragen habe. Am Ende aber hätten auch die übrigen demokratischen Parteien von dieser Entwicklung kaum profitiert. Die Union selbst, deren Löhner Ergebnis von rund 28 Prozent er grundsätzlich als &bdquo;zufriedenstellend“ bewertet, nehme er da nicht aus. &bdquo;Wenn die AfD in manchen Löhner Bezirken fast 30 Prozent erreicht, dann müssen wir uns doch alle fragen, wo wir versagt haben“, sagt Büssing. Parteien auf Lösungssuche Die Antworten darauf aber gehen in Löhne durchaus weit auseinander. Während SPD-Chef Christian Antl das starke Abschneiden der Rechtspopulisten vornehmlich in einer nachlassenden Wählerbindung begründet sieht, stimmt Hermann Ottensmeier dieser These nur zum Teil zu. &bdquo;Ja, die Regierung hat den Kontakt zum Bürger verloren“, sagt er zwar. &bdquo;Vor allem aber hat die Strategie, die AfD-Wähler zu dämonisieren, an Schlagkraft verloren.“ Dass Themen wie das Kriminalitätsproblem oder die &bdquo;ungebremste Zuwanderung“ die Menschen umtreibe, schlage sich schließlich in den Wahlergebnissen in sozialen Brennpunkten nieder. Ottensmeier hat dabei insbesondere den Löhner Wahlbezirk 14 im Blick, wo die AfD am Sonntag rund 28 Prozent der Stimmen holte. Der umfasst einen Teil von Löhne-Bahnhof - und damit einen Bereich, dem eine Untersuchung erst im Juni vergangenen Jahres eine &bdquo;problematische Sozialstruktur“ mit hoher Arbeitslosigkeit, hohem Migrationsanteil und vielen Transferleistungsempfängern attestiert hat. &bdquo;Diese Leute haben bestimmte Nöte und Ängste und die sollte man ernst nehmen“, meint Ottensmeier. Auch Thomas Michael glaubt, dass in vielen Bereichen Wähler einfach ignoriert werden. &bdquo;Insbesondere von Rot-Grün“, sagt er. &bdquo;Da hat die FDP noch viele schlimme Entscheidungen verhindert.“ Linken-Chef Ulrich Adler hingegen sieht das fundamental anders. Die Themen, mit denen die AfD punkten konnte, würden in seinen Augen gerade aus der Mitte der Gesellschaft erst bedient. &bdquo;Abschiebungen sind wieder salonfähig geworden, der Klimaschutz ist zu einem Randthema verkommen“, zählt Adler auf. Insofern sei damit zu rechnen gewesen, dass politische Kräfte mit dieser Haltung stark abschneiden würden. &bdquo;Da muss ich als Linker dann auch nicht jammern, so fürchterlich das Ergebnis auch ist.“ Der Blick geht Richtung Kommunalwahl Einig sind sich die politischen Lager in Löhne derweil mit Blick auf die Kommunalwahl im kommenden Jahr. Noch steht zwar nicht fest, ob die AfD auch in der Werrestadt eine Kandidatenliste aufstellt. &bdquo;Wir müssen es aber befürchten“, sagt Maik Büssing. Wie auch Thomas Michael erwartet der CDU-Fraktionschef für diesen Fall völlig neue Herausforderungen. &bdquo;Dann haben wir alle viel Arbeit vor uns, um die Wählerinnen und Wähler von den Populisten weg und zu den Demokraten hin zu holen. Am besten durch konstruktive Kooperation.“ Christian Antl ist derweil guter Dinge, dass das gelingen kann. Auf der einen Seite durch gezielte Entlarvung der AfD, auf der anderen durch Nähe am Bürger. &bdquo;Da sind wir gut aufgestellt“, sagt er. Die Grünen wollen sich derweil für eine AfD-Kandidatur wappnen und laut Silke Welling weiter für die Demokratie und gegen Kooperationen werben. Und auch Ulrich Adler ist trotz der Europawahl alles andere als verzagt: &bdquo;Wenn die Zeit für eine politische Idee gerade nicht da ist, muss man damit leben. Aber es kommen auch wieder andere Zeiten“, zeigt er sich optimistisch.

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