Erlebnis Naturgarten

Liebe mit Biss: Wenn es bei Eidechsen zur Sache geht

In der Welt der Arten gibt es so einige eigentümliche Balz- und Paarungsrituale. Zauneidechsen sind besonders leidenschaftlich. Wer ihnen einen Platz im Garten bietet, kann das sogar beobachten.

Bei Feindangriffen kann die Eidechse Teile des Schwanzes abwerfen. Der abgeworfene Schwanz wächst im Lauf der Zeit nach, doch nur teilweise. | © Karl Heinz Niehus

24.06.2023 | 24.06.2023, 18:00

Löhne. Zauneidechsen gehören zu den reizvollsten Arten in der Natur und im Naturgarten. Ihr Verhalten und lernbare Zutraulichkeit machen das Reptil zu einem täglichen Sommerevent vor der Haustür. In diesem Teil der NW-Reihe „Erlebnis Naturgarten“ geht es um die besonderen Reptilien. Die Reihe thematisiert anhand von Beispielen und Einblicken, wie vor der eigenen Haustür jeder etwas gegen das Artensterben tun kann.

Partnersuche per Zunge

Höchst seltsam, oft eigenwillig verlaufen die Paarungsrituale im Reich der Arten. Die der Eidechsen toppen das. Ihr Ritual gehört zu den leidenschaftlichsten Riten in der Natur und in funktionierenden Naturgärten. Vielleicht 30 bis 40 Minuten lang lässt sich das besondere Ereignis beobachten.

Eng verschlungen: Zur Paarung beißt das Männchen zu. - © Karl Heinz Niehus
Eng verschlungen: Zur Paarung beißt das Männchen zu. | © Karl Heinz Niehus

Doch die Liebesgeschichte beginnt viel früher, nämlich mit einem Make-up im Frühjahr. Er machte sich chic für sie. Die anfänglich blasse, kaum sichtbare Farbe des Männchens wandelt sich Ende April in ein kräftig leuchtendes Grün, Warnung für jede männliche Konkurrenz, die es wagt, die unsichtbaren Linien eines durch Pheromone (Botenstoffe) abgesteckten Reviers zu überschreitet. Tut sie es doch, tanzt der Bär, natürlich als leuchtend grüner, bitterböser, aggressiver Dino verkleidet.

Aber wie finden die sich eigentlich? Also er und sie. Ohne Balzlaute wie die der Frösche oder Vögel. Flach am Boden, keine Übersicht. Partnervermittlung oder Speeddating sind für die Eidechsen nicht erfunden. Sie haben was Besseres: das Zungennavi.

Das Eidechsenmännchen kann die Spur des Weibchens mithilfe der Duftspur verfolgen. Mit gespaltener, permanent züngelnder Zunge nehmen beide Partner winzige Geruchsmoleküle vom Boden oder aus der Luft auf und streifen sie am Gaumen ab. Dort befindet sich eine Riechschleimhaut, die die chemischen Informationen in für das Tier verständliche Botschaften umwandelt.

Sie hat die Wahl

Zaghaft sind die ersten Annäherungen, dauern oft Tage. Wieder spielen Pheromone und Farbsignale entscheidende Rollen. Ein reizvolles Liebesspiel beginnt: Mit einem Vorderpfötchen trommelt das Männchen in kurzen Rhythmen auf den Boden. Die Bewegungen sind Signalgeber, werben, feuern an, sind Sprache ohne Worte. Wer kann da noch widerstehen?

Das Weibchen stimmt dem liebevollen Biss zu. Die nächste Balzphase beginnt: Etliche Minuten verharren beide in der Beißposition, bewegen sich langsam, verharren, suchen neue Positionen und schmiegen sich enger aneinander. Nichts kann sie trennen. Ist das Eidechsenliebe? Verhaltensforscher sprechen cool und mit wissenschaftlicher Emotionslosigkeit von „Reiz-Reaktionsketten“: Die können nicht anders, weil jede Reaktion des einen nur der Auslöser für die Reaktion der anderen ist, ein Art Ping-Pong-Spiel aus programmierten Reizen und festgelegten Reaktionen.

Tschüss für immer?

Paarung und Kopulation dauern einige Minuten und können mehrmals wiederholt werden. Und dann? Die Beobachtung zeigt, dass das Männchen sein Revier bis circa Juni aufrecht erhält, es dann auflöst und Nahrung suchend durch die Umgebung streift. Im nächsten Jahr erscheint es wieder und bildet erneut das Revier. Auch das Weibchen findet sich wieder ein. Unklar ist jedoch, ob es Räume, Revierorte oder die zufällige Nähe sind, die das Paar als Paar erscheinen lassen, oder ob es eine Bindung zwischen zwei Individuen gibt.

Das Weibchen legt und vergräbt bis zu 14 Eier im lockeren feuchten Boden in 10 bis 15 Zentimeter Tiefe. Je nach Außentemperaturen schlüpfen die von der Sonnenwärme ausgebrüteten Jungtiere nach 40 bis 80 Tagen. Danach bleiben die Jungeidechsen noch einige Zeit an ihrem Geburtsort. Ohne Betreuung müssen sie sich selber durchschlagen. Erwachsene Eidechsen, Frösche, Stare, Amseln, Katzen, Igel, Greifvögel und viele weitere Jäger gehören von nun an zu ihren Feinden.

Erwachsene Zauneidechsen jagen Zikaden, Käfer, Larven, Spinnen und Regenwürmer. Aber auch selber sind sie Gejagte. Von null bis zwölf Jahren reichen die Lebenserwartungen von Zauneidechsen.

Dino-Stars im Garten

Eidechsen vergraben ihre Eier im lockeren Boden. Ausgebrütet werden diese dann mithilfe von Sonnenwärme. - © Karl Heinz Niehus
Eidechsen vergraben ihre Eier im lockeren Boden. Ausgebrütet werden diese dann mithilfe von Sonnenwärme. | © Karl Heinz Niehus

Zauneidechsen besiedeln trockene Waldränder, Bahndämme, Magerwiesen, Steinbrüche, Naturgärten, dicht bewachsene Trockengraszonen oder besonnte Totholzbereiche. Diese hohe Variabilität ermöglicht eine relativ einfache Ansiedlung der Art im naturnahen Garten. Gartenbesitzer müssen jedoch auf natürliche Zuwanderungen hoffen, denn die Artenschutzbestimmungen sind stets einzuhalten.

Das beste Rezept: Der Garten ist insektenreich mit Hecken und Stauden aus heimischen Gehölzen, blütenreichen Beeten, wilden Ecken und kontraststarken Steinstrukturen mit Lücken und Hohlräumen. Wenn die Eidechsen dann da sind, verwandeln sie sich mit etwas Geduld zu zutraulichen Garten-Haustieren.

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Gefährdete Mini-Dinos

Eidechsen sind die kleinen Verwandten der Dinosaurier, die vor 200 Millionen Jahren jede Nische unseres Planeten bewohnten. Sie sind wechselwarm, wie Insekten, Fische und Amphibien auch. Das bedeutet, dass sich ihre Körpertemperaturen den Außentemperaturen anpassen. Eidechsen benutzen einen zusätzlichen Trick: Sie steuern ihre Körpertemperatur, indem sie gezielt wärmende Orte aufsuchen.

Der Nachteil: Fehlt die passende Umgebungstemperatur, reduzieren sich die Körperfunktionen. Eine Art Schlafstarre entsteht, bei der sich die Körperfunktionen stark verlangsamen. Schnelle Bewegungen, Flucht oder Nahrungsaufnahme werden unmöglich.

Heute sind die Echsen selten geworden. Sie leben noch immer auf allen Erdteilen außer in Australien und Amerika, sind jedoch weltweit bedroht. Die Zerstörung von Hecken- und Steinstrukturen in Kulturlandschaften, Pestizid- und Düngereinsätze sind einige Ursachen für die starken Bestandsrückgänge der Eidechsen in der BRD.

Sie werden hier längst in Vorwarn- und Roten Listen geführt. Die Zauneidechse wird im Bundesnaturschutzgesetz als „streng schützt“ klassifiziert. In Deutschland lassen sich sieben Arten nachweisen. In NRW, vereinzelt noch in Löhne, leben nur Zauneidechsen, Blindschleichen und Waldeidechsen.