Realschüler suchen dringend noch Praktikumsplätze

Löhne. "Es geht um die Chance, in die Berufswelt hereinzuschauen, sich zu orientieren - für die Zukunft", sagt Zehntklässlerin Christine Doroschenko. Sie und Mitschülerin Nisa Nur Ucar sitzen in der Städtischen Realschule im Büro von Schulleiter Armin Perrey und berichten davon, wie schwer es im Moment ist, noch einen Praktikumsplatz zu ergattern. Es geht um viel. Die meisten von ihnen hatten schon im vergangenen Schuljahr die Chance nicht, da die Corona-Pandemie dem regulären Praktikum in die Quere gekommen ist. Und nun drängt die Zeit: Ab nächster Woche sind Herbstferien, danach sollen die Praktika starten. Doch viele suchen noch. Darum hat sich die Realschule nun an die NW gewandt. "In einem ganz normalen Schuljahr findet das Praktikum in der neunten Klasse im März statt", sagt Perrey. Das wäre für die Neun in diesem Schuljahr auch wieder so. Nun sollten aber die Jugendlichen im Abschlussjahrgang 2022 noch einmal die Gelegenheit bekommen, ihr Praktikum zu machen. "Das gehört zur Berufsfelderkundung ja dazu und ist eigentlich vorgegeben", betont Perrey. Absolvieren sollen die Schülerinnen und Schüler ihre zwei Wochen im Betrieb direkt nach den Herbstferien. Später wäre schwierig gewesen, da sich die Realschüler im zweiten Halbjahr schon auf ihren Abschluss vorbereiten müssen. "Zugegebenermaßen war die Zeit von den Sommerferien bis jetzt auch kein allzu langer Vorlauf", sagt Perrey. Bis Montag hatten die Schülerinnen und Schüler Zeit, die Zusagen der Unternehmen in der Schule abgegeben. Doch schon im Vorfeld zeichnete sich ab, dass das nicht bei allen klappen würde, berichtet Perrey. "Etwa ein Drittel der Schüler ist noch unversorgt", sagt der Schulleiter. Insgesamt gehen 56 Jugendliche in die zehnte Klasse der Realschule. Unternehmen können sich bei der Schule melden "Eine sichere Zusage haben nur wenige", berichtet Nisa Nur Ucar, die zusammen mit Christine Doroschenko auch in der Schülervertretung sitzt. Nisa Nur Ucar sucht noch, wollte eigentlich in einer Arztpraxis oder einer Apotheke reinschnuppern. Nun hofft sie auf einen Platz in einem Kindergarten. Und Christine Doroschenko hat sich beim Klinikum Herford beworben, hat dort in den Herbstferien ein Vorstellungsgespräch. Gerade in den sozialen Bereichen sei es schwieriger, berichten die Beiden. Davon seien darum vor allem die Mädchen betroffen. Die Jungs, die sich meist eher für einen handwerklichen Beruf interessieren, hätten es bei ihrer Suche etwas einfacher gehabt. "Es ist nun mal immer noch so, dass sich das so aufteilt", sagt Ucar. Normalerweise müssten sich die Schülerinnen und Schüler natürlich ganz eigenständig um den Kontakt mit den Unternehmen, die Bewerbung und das Drumherum kümmern, das gehöre so dazu, sagt Perrey. "Aber weil sich das dieses Mal so schwierig gestaltet, wollen wir als Schule helfen. Darum wollen wir diesen Aufruf starten. Unternehmen können sich dann an die Schule wenden." Ein kurzer Rundruf bei den Löhner Unternehmen macht zumindest ein wenig Hoffnung. So heißt es etwa von Steute Technologies, dass Praktika wieder im gleichen Umfang stattfinden könnten wie vor der Pandemie. René Scherer, Leiter der Marketingabteilung, berichtet: "Letztendlich ist da schon wieder ein bisschen mehr Normalität eingezogen." Das Unternehmen hätte aber auch schon wieder viele Anfragen. "Alle kann man nicht unterbringen, wir können da auch nur realistisch planen." "Das ist eine gute Chance für Unternehmen" Auch bei den Kindertagesstätten und Pflegeeinrichtungen der AWO OWL sei der Einsatz von Praktikanten wieder uneingeschränkt möglich, antwortet Sprecherin Christina Schulte auf Anfrage der NW. Allerdings nur mit 3G: "Zu Beginn eines Praktikums ist ein Nachweis - geimpft, genesen der getestet - der Einrichtung vorzuzeigen", berichtet Schulte. Falls die Praktikanten nicht geimpft oder genesen sind, müssten sie ein negatives Ergebnis nachweisen. Danach werde in der in der Einrichtung unter Aufsicht von geschultem Personal alle 48 Stunden erneut getestet. Bei Nolte Küchen laufen die Praktika ebenfalls langsam wieder an. Aber Sprecherin Jasmin Rjosk antwortet auf die Anfrage der NW auch, dass bislang weniger Bewerbungen auf dem Tisch lägen als noch vor der Pandemie. "Wir bieten auch nur in den Bereichen Lehrwerkstatt (Holzmechaniker) und IT Plätze an." Insgesamt hätten die Praktika auch für das Unternehmen eine große Bedeutung: "Praktikumsplätze sind für uns, gerade im gewerblichen Bereich, sehr wichtig. Wir haben schon einige Azubis dadurch für uns gewinnen können." Von diesem "Klebeeffekt" spricht auch Jörg Deibert, Sprecher der Industrie- und Handelskammer (IHK) Ostwestfalen zu Bielefeld. "Das ist eine gute Chance für Unternehmen, angehende Fachkräfte zu gewinnen." Insgesamt bestätigt er aber auch die Wahrnehmung, dass es noch eine gewisse Zurückhaltung bei den Firmen gebe: "Es geht wieder los, aber mit angezogener Handbremse." Es habe sich noch nicht komplett normalisiert. Von Vorteil sei aber sicherlich, wenn Bewerber bereits geimpft sind. "Die meisten gehen nach der 3G-Regel." Auch dieser Jahrgang soll Erfahrungen sammeln Für Schulleiter Armin Perrey ist wichtig, dass weder die Schule noch die Schüler mit ihrem Aufruf irgendjemandem Vorwürfe machen wollten. "Wir sind den Unternehmen, die mit uns seit langem kooperieren und unterstützen sehr dankbar." Er hoffe, dass sich nun vielleicht noch der eine oder andere Betrieb findet, der noch jemanden nehmen kann. "Vielleicht auch zusätzlich zu einem bereits vorhandenen Praktikanten im gleichen Zeitraum." Es sei enorm wichtig, dass auch dieser Jahrgang die Erfahrungen im Praktikum sammeln könne. "Die Schüler machen da auch schon Abstriche, es muss nicht immer der Traumberuf sein."

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