Unfallflucht auf der Felge: Richter maßregelt verschwiegenen Zeugen

Löhne. Der Zeuge sitzt und schwitzt und sagt kein Wort. Es ist heiß in Saal 24 im Obergeschoss des Amtsgerichts Bad Oeynhausen und es wird immer hitziger. Der Richter fragt nach der Schadensmeldung für die Versicherung und erntet Schweigen. Der 44-jährige Mindener ist Eigentümer eines Autos, das einen Aufsehen erregenden Verkehrsunfall im Mai 2020 in Löhne verwickelt war. Kurz nach dem Crash soll der Unfallfahrer darin über die Lübbecker Straße geflohen sein. Das Auto rutschte vorne links nur noch auf der Felge. Funken sprühten durch die Nacht. Die Staatsanwaltschaft Bielefeld hat einen 37-jährigen, einschlägig vorbestraften Mann aus Extertal wegen Unfallflucht angeklagt. Der Mann hat seit längerem keinen Führerschein mehr. Der Angeklagte bestreitet jede Beteiligung. Zum Zeitpunkt der Tat sei er an Krücken gelaufen. Der schweigsame Zeuge ist offenbar ein guter Bekannter von ihm. Bei dem Unfall am Donnerstag, 14. Mai 2020, wurde ein parkendes Auto auf der Steinstraße in Obernbeck derart schwer beschädigt, dass eine Werkstatt später den wirtschaftlichen Totalschaden feststellte. Der Geschädigte war am Unfallabend bei Freunden zu Gast. Sein kaputtes Auto blieb mehrere Tage an der Steinstraße stehen, bevor es abgeschleppt wurde. Zettel mit Geständnis Überraschenderweise klemmte wenige Tage nach dem Unfall ein Zettel an der Windschutzscheibe mit den Kontaktdaten des Angeklagten und dem Geständnis: &bdquo;Ich bin in ihr Auto gefahren." Zeitgleich beauftragte der Angeklagte zudem einen Rechtsanwalt mit seiner Verteidigung. Deshalb sitzt der 37-jährige Kalletaler auf der Anklagebank und nicht der Mann aus Minden. Der Richter will nun von dem 44-jährigen Zeugen wissen, wie er vom Unfall erfahren hat. Schließlich war es sein Auto, das die Polizei auf einem Hof in Halstern sicherstellte. Die Türen geöffnet, vom Fahrer keine Spur. Doch der Zeuge antwortet nicht. Auch nicht, als der Richter ihm das handschriftlich ausgefüllte Formular der Versicherung vorlegt. &bdquo;Ist das ihre Unterschrift?", will der Richter wissen. Wieder keine Antwort. Bei der Polizei hat der Zeuge allerdings ausgesagt und das Protokoll ebenfalls unterschrieben. Die Unterschrift ist augenfällig anders als die für die Versicherung. Eine gute Viertelstunde bohrt der Richter nach, dann ist seine Geduld zu Ende. Wenn der Zeuge nicht antworte, könne er ein Ordnungsgeld verhängen, kündigt er an. Schon zum ersten Prozesstermin war der Zeuge nicht erschienen. Wegen eines Kurzurlaubs in Bayern war er angeblich verhindert. Belege dafür hat er nicht. Allein fürs Schwänzen muss der Zeuge schon 500 Euro Ordnungsgeld zahlen. Der Verteidiger des Angeklagten protestiert. Ein Versicherungsbetrug liege in der Luft. Der Zeuge laufe Gefahr, sich selbst zu belasten, argumentiert der Rechtsanwalt. Doch das sieht der Richter anders. Der Zeuge sei ordnungsgemäß belehrt worden. Er wisse, dass er die Aussage verweigern könne, wenn er Gefahr laufe, sich selbst zu belasten. Die Frage nach der Handschrift könne der Zeuge beantworten, so der Richter und brummt ihm 1.000 Euro Ordnungsgeld auf. Schweigen kostet 1.000 Euro Die Staatsanwältin bohrt an gleicher Stelle nach. &bdquo;Sie haben bei der Polizei doch schon ausführlich ausgesagt", argumentiert sie. Wenn er sich jetzt auf Unwissenheit berufe, müsse sie womöglich ein Ermittlungsverfahren wegen Falschaussage eröffnen. Das sei mehr als der Angeklagte an Strafe zu erwarten habe. Da antwortet der Zeuge dann doch und sagt etwas zögerlich, er könne sich nicht mehr erinnern, ob er das Formular zur Schadensmeldung selbst ausgefüllt oder weitergereicht habe. Die 1.000 Euro Ordnungsgeld muss er trotzdem schultern. Den Angeklagten verurteilt der Richter wegen Fahrens ohne Führerschein und Unfallflucht zu einer Geldbuße von 160 Tagessätzen zu 15 Euro (2.400 Euro). Der Verteidiger hatte Freispruch gefordert. Es sei nicht hinreichend geklärt, ob der Angeklagte am Steuer gesessen habe. Zwei Zeugen hatten ausgesagt, im Scheinwerferlicht eine Frau mit langen Haaren bei der Unfallflucht gesehen zu haben. Der Richter ist wie die Staatsanwältin aber davon überzeugt, dass der Angeklagte den Unfall baute und floh. Ob es auch der Angeklagte war, der auf der Felge bis Halstern weiterfuhr, konnte im Prozess nicht geklärt werden und sei deshalb ausgeklammert worden. Die Lügerei und die Zwangsgelder, so der Richter, habe der Angeklagte jedoch zu verantworten. Vielleicht komme im Berufungsverfahren die Erinnerung wieder, so der Richter. Rechtsmittel könne der Angeklagte binnen einer Woche gegen das Urteil einlegen. Der Verteidiger antwortet knapp: &bdquo;Kommt."

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